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GRUNDSÄTZLICHES/346: UN-Vollversammlung muss Handel und Einsatz von Spionagesoftware stoppen


Amnesty International - Pressemitteilung vom 28. Oktober 2022

UN-Vollversammlung muss Handel und Einsatz von Spionagesoftware stoppen


Amnesty International fordert die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen auf, sich dringend für eine Aussetzung des Verkaufs, der Übertragung und des Einsatzes von Spionagesoftware einzusetzen, um die rechtswidrige Überwachung von Journalist*innen, Anwält*innen und politisch aktiven Menschen zu unterbinden. Die Menschenrechtsorganisation übergibt heute eine internationale Petition [1] dazu in New York.

BERLIN, 28.10.2022 - Amnesty International ruft die Staatengemeinschaft dazu auf, ein weltweites Moratorium für den Handel mit Überwachungstechnologie zu verhängen, bis ein international verbindlicher Rechtsrahmen geschaffen wird, der den Schutz der Menschenrechte gewährleistet.

Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, sagt: "Spyware - also rechtswidrige digitale Überwachungstechnologie sowie Manipulations- und Desinformationskampagnen - ist bereits heute in vielen Teilen der Welt wesentliche Instrumente der gezielten Verfolgung von Journalist*innen, Anwält*innen und politisch aktiven Menschen. Friedliche Aktivist*innen, die sich für Demokratie, Menschenrechte und Informationsfreiheit einsetzen, werden mittels invasiver Überwachungstechnologie ins Visier genommen, um sie einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. Die Verfolgung reicht bis zum Tod, wie im Fall des saudi-arabischen Journalisten Jamal Kashoggi, oder zur versuchten Tötung wie beim russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny.

Es braucht endlich verbindliche, menschenrechtliche Schutzmechanismen für den Export und Einsatz von Überwachungstechnologie. UN-Mitgliedstaaten dürfen Spionagesoftware nicht mehr länger als Werkzeug der Unterdrückung einsetzen oder hinnehmen. Bis es so weit ist, braucht es ein sofortiges globales Moratorium für den Export von Spyware. Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag zu einer strengeren Regulierung von Überwachungssoftware verpflichtet und ausdrücklich gegen die Weitergabe von Überwachungstechnologien an repressive Regime ausgesprochen. Sie kann diesen Bekenntnissen nun Taten folgen lassen und sich aktiv für ein weltweites Moratorium des Handels mit Überwachungssoftware einsetzen."

Kristina Hatas, Expertin für Menschenrechte im digitalen Zeitalter bei Amnesty International in Deutschland, überreicht die Petition am heutigen Freitag in New York. Sie sagt: "Zur Verantwortung der Bundesregierung gehört die transparente Aufarbeitung des Einsatzes von Varianten der Pegasus-Software durch deutsche Behörden. Für die Zukunft braucht es verbindliche, rechtsstaatlich abgesicherte Regeln - sowohl für den Erwerb von Spähsoftware, als auch für ihren Einsatz. Es darf nicht sein, dass der Staat Sicherheitslücken nicht beseitigt und für diese sogar bezahlt, sodass digitale Endgeräte und digitale Infrastruktur gefährdet werden. Es verletzt verbindliche, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten der Bundesregierung, dass Steuergeld an Unternehmen wie die NSO-Group fließt, die mutwillig für systematische Menschenrechtsverletzungen weltweit verantwortlich sind."

Die Unterzeichner*innen der Amnesty-Petition fordern im Schulterschluss mit zivilgesellschaftlichen Organisationen auf der ganzen Welt die Aussetzung des Verkaufs, des Exports und der Übertragung von Spionagesoftware. Rechtswidrige Überwachung verstößt gegen das Recht auf Privatsphäre und unter Umständen auch gegen die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung.

Die Opfer des missbräuchlichen Einsatzes von Spionagesoftware werden heute in New York, dem Hauptquartier der Vereinten Nationen, zu Wort kommen, wenn Amnesty International und Partnerorganisationen an die UN-Mitgliedstaaten appellieren werden, ein weltweites Moratorium zu unterstützen.


Hintergrund

Privatkonzerne profitieren nach wie vor von dem Verkauf von Spionagesoftware, die zum Zweck rechtswidriger Überwachung eingesetzt wird. Jeden Monat werden neue Fälle bestätigt, in denen Personen rechtswidrig mit Spyware ins Visier genommen wurden. Im vergangenen Jahr gab es Fälle in El Salvador, Griechenland, Spanien, Ägypten, Israel/Besetzte Palästinensische Gebiete, Marokko-Westsahara, Polen und Thailand. Da die Spyware-Industrie nicht reguliert wird und im Verborgenen agiert, wird es möglicherweise keine Gewissheit über das tatsächliche Ausmaß ähnlicher Menschenrechtsverstöße auch durch andere, nichtstaatliche Akteure geben.

Staaten sind gemäß dem Völkerrecht verpflichtet, nicht nur die Menschenrechte zu achten, sondern auch Menschenrechtsverstöße durch Dritte - einschließlich Privatunternehmen - zu verhindern.


[1] Die Petition ist zu finden unter:
https://www.amnesty.org/en/petition/targeted-surveillance-human-rights-defenders/

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Quelle:
Pressemitteilung vom 28. Oktober 2022
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Zinnowitzer Straße 8, 10115 Berlin
Telefon: 030 / 420248-0, Fax: 030 / 420248-488
E-Mail: info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 28. Oktober 2022

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