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MELDUNG/081: Bundesverfassungsgericht billigt Namensschilder für Polizei (HU)


Pressemitteilung der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union e.V. vom 30.11.2022

Bundesverfassungsgericht billigt Namensschilder für Polizei


Seit Jahrzehnten wird darum gestritten, wie Polizeibedienstete bei Fehlverhalten im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit zur Verantwortung gezogen werden können. Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen fordern in diesem Zusammenhang, dass Angehörige der Polizei bei Einsätzen Nummern- oder Namensschilder tragen müssen. Die Humanistische Union hat diese Position seit langem immer wieder vertreten; in einem Positionspapier aus dem Jahre 2020 wird sie wie folgt zusammengefasst:

"Die Identifizierung von Polizist:innen ist deutlich leichter, wenn Polizeibeamt:innen ein Namens- oder Nummernschild an ihrer Uniform tragen. Wir fordern daher eine solche individuelle Polizeikennzeichnung. Insbesondere Namensschilder sind auch Ausdruck einer bürgernahen und ansprechbaren Polizei. Sie sind daher auch in der Lage, das Polizei-Bürger-Verhältnis zu entspannen" (HU Mitteilungen 242, S. 6 - 13).

Dagegen haben die Polizeigewerkschaften und der Polizei nahestehende Politiker:innen hinhaltend und lange Zeit erfolgreich Widerstand geleistet. Hauptargumente waren, dass der Name unantastbarer Kernbereich privater Lebensführung sei und dass die Bekanntgabe von Namen ein Gefahrenpotenzial für Polizeivollzugsbedienstete und ihr soziales Umfeld darstelle.

Brandenburg war das erste Bundesland, welches sich im Jahre 2012 über diese Einwände hinwegsetzte, per Gesetz Namensschilder vorschrieb und Ausnahmen nur in eng begrenzten Fällen zuließ. Dies führte zu einem langanhaltenden Rechtsstreit, der jetzt vom Bundesverfassungsgericht entschieden wurde.

Im Frühjahr 2013 hatte eine Polizeibeamtin die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht beantragt. Das Polizeipräsidium lehnte diesen Antrag ab, worauf ein Rechtsstreit vor den Gerichten begann: Sowohl das VG Potsdam als auch das OVG Berlin-Brandenburg lehnten die Klage ab, was im September 2019 vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt wurde. Die Klägerin - mittlerweile Polizeihauptkommissarin - gab sich damit nicht zufrieden und erhob Verfassungsbeschwerde. Sie berief sich auf einen Verstoß gegen die informationelle Selbstbestimmung in Verbindung mit der Menschenwürde (Art. 1 GG). Jetzt, drei Jahre später, wurde diese Beschwerde vom BVerfG "nicht zur Entscheidung angenommen", wobei es in der Begründung der Entscheidung der 3. Kammer des Gerichts (vom 04.11.2022 - 2 BvR 2202/19) heißt:

"Neben der von der Beschwerdeführerin angesprochenen Erleichterung der straf- und disziplinarischen Aufklärung rechtswidrigen Verhaltens von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten will der Gesetzgeber mit der namentlichen Kennzeichnungspflicht auch die Bürgernähe der Polizei fördern [...]
Neben der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin es in einem gewissen Umfang selbst in der Hand hat, Einfluss auf die Daten zu nehmen, die von ihr im Internet veröffentlicht werden, setzt sie sich in der Verfassungsbeschwerde aber auch nicht mit der Frage auseinander, inwieweit sich hier - nach Vornahme der Amtshandlung - eine Gefahr realisiert, die über die hinausgeht, der sämtliche Beamtinnen und Beamte ausgesetzt sind, die unter Nennung ihres Namens Amtshandlungen vornehmen. In Behörden ist es mittlerweile vielfach üblich, dass die jeweiligen Sachbearbeiterinnen oder Sachbearbeiter ihren Namen im Schriftverkehr oder im sonstigen dienstlichen Kontakt preisgeben."

Im Laufe der Jahre haben zahlreiche Bundesländer die Kennzeichnungspflicht für Polizeibedienstete eingeführt. Nur wenige haben sich aber für Namensschilder entschieden: neben Brandenburg nur Mecklenburg-Vorpommern. Berlin und Hessen lassen den Betroffenen die Wahl zwischen Namen und Nummern. Alle übrigen haben sich für Formen der Anonymisierung entschieden. Keinerlei Kennzeichnungspflicht kennen nach wie vor sechs Bundesländer (Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Saarland, Sachsen) sowie die Bundespolizei. Es bleibt abzuwarten, ob die Entscheidung des BVerfG zu einer stärkeren Vereinheitlichung führt.

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Quelle:
Humanistische Union e.V.
- Bundesgeschäftsstelle -
Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin
Telefon: 030 - 204 502 56, Fax: 030 - 204 502 57
E-Mail: info@humanistische-union.de
Internet: www.humanistische-union.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 30. November 2022

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