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STANDPUNKT/058: Weltkriege 1914 - 1939 - Nicht nur Gedenken, sondern auch Lehren ziehen! (Friedensratschlag)


Bundesausschuss Friedensratschlag - Pressemitteilung vom 18. Februar 2014

100 Jahre 1. Weltkrieg - 75 Jahre 2. Weltkrieg:

Friedensratschlag: Nicht nur Gedenken, sondern auch Lehren ziehen!

Friedenspolitische Schwerpunkte 2014 veröffentlicht



Kassel, Berlin, 18. Februar 2014 - Auf seinem letzten Treffen verabschiedete der Bundesausschuss Friedensratschlag "Friedenspolitische Schwerpunkte 2014". Zur Vorstellung des Programms erklärten die Sprecher des "Friedensratschlags" gestern in Kassel:

Das Jahr 2014 steht im Zeichen des Gedenkens an zwei Weltkriege: Im Juli/August jährt sich zum 100. Mal der Beginn des Ersten, am 1. September zum 75. Mal der Beginn des Zweiten Weltkriegs. Beide Kriege waren von deutscher Großmannssucht und dem Griff nach der Weltmacht getrieben. Der zweite Weltkrieg war ein beispielloser faschistischer Raub- und Eroberungskrieg der deutschen "Herrenrasse" gegen die slawischen "Untermenschen". In seinem Gefolge wurden sechs Millionen Juden vernichtet. 50 Millionen Menschen starben auf den Schlachtfeldern.

Die Friedensbewegung findet es unpassend und obszön, wenn zu Beginn des Gedenkjahres die höchsten Spitzen des Staates wieder offensiv eine deutsche Großmachtrolle in der Welt beanspruchen und diese notfalls auch militärisch abzusichern bereit sind. Die schwarz-rote Bundesregierung verspricht in ihrem Koalitionsvertrag, "die globale Ordnung aktiv mitgestalten" zu wollen. Dazu steht die Bundeswehr zur Verfügung, die sich längst zu einer "Armee im Einsatz" gewandelt hat. Aufgrund der Tatsache, dass die Bundeswehr im Laufe der kommenden Legislaturperiode ihr Handicap der schnellen und flexiblen Verlegbarkeit von Truppen samt modernstem Kriegsgerät abgelegt haben wird, ist davon auszugehen, dass damit auch die Bereitschaft wachsen wird, die für 100 Milliarden Euro angeschafften Waffen und Ausrüstungen (z.B. Kampf- und Transporthubschrauber, Schützenpanzer und Infanteristen) in mehr Einsätze zu entsenden als bisher. Bei der Herstellung voller Interventionsfähigkeit der Bundeswehr geht es vor allem um die Sicherung und Ausdehnung des Zugangs zu Rohstoffen und Märkten. Dies kann in Afrika sein, in Afghanistan und Zentralasien, aber auch an der südosteuropäischen Peripherie.

In den 14 friedenspolitischen Schwerpunkten für 2014 werden wesentliche Konfliktregionen, in denen Deutschland, die EU oder die NATO bereits militärisch tätig sind oder politischen Druck ausüben, benannt und vor einer weiteren militärischen Eskalation gewarnt. Es gibt für den Westen keine militärischen Optionen in Syrien oder in Iran; vielmehr müssen alle Möglichkeiten für Verhandlungen zwischen den syrischen Bürgerkriegsparteien ergriffen und die vorliegenden Vorschläge für eine Entspannung im Nahen und Mittleren Osten (z.B. über eine atomwaffenfreie Zone) umgesetzt werden. Zu beenden ist auch die Stationierung von Patriot-Systemen in der Türkei. Konsequent wäre es, wenn die Bundesregierung das Scheitern des NATO-Kriegs in Afghanistan eingestehen und die Bundeswehr vollständig abziehen würde. Stattdessen wird der Afghanistan-Einsatz bis Ende des Jahres verlängert und auch für die Zeit danach eine Folgemission angekündigt.

Abgerechnet wird auch mit der Strategie der Bundesregierung, strategische Partner mit deutschen Waffen im deutschen Interesse zur Kriegführung zu "ertüchtigen" (sog. Merkel-Doktrin). Auch Rüstungsexporte dienen der schwarz-roten Koalition zur Verfolgung außenpolitischer Interessen und zur Ressourcensicherung. Laut Koalitionsvertrag hält die neue Bundesregierung auch an ihren Beschaffungsvorhaben von Drohnentechnologie zur Spionage und Zielerfassung fest. Kampfdrohnen sollen Kampfhubschrauber und Kampfflugzeuge als Patrouillen- und Gefechtsfeldwaffen über Land und auf See ersetzen und den weltweiten Luftraum erobern. Kampfdrohnen senken die Schwelle zum Gewalteinsatz, terrorisieren Bevölkerungen betroffener Landstriche, fördern die Aufrüstung und bereiten den Irrweg zu autonomen Killerrobotern. Ein neues Wettrüsten ist damit programmiert.

Friedenspolitik sieht anders aus. In der Bevölkerung ist die Bereitschaft zu Militärinterventionen oder Waffenexporten gering. Daher werden die Versuche der Regierenden nicht abnehmen, Kriegseinsätze als "humanitäre" oder "quasi-polizeiliche" Missionen zu beschönigen. Mit Lügen waren auch die Weltkriege des letzten Jahrhunderts und sind heute alle Kriege und Militärinterventionen gepflastert.

Die Friedensbewegung hat auch nicht so sehr das Problem, die Kriegslügen zu entlarven und die wahren Ziele imperialer Politik gegenüber dem "Rest der Welt" aufzudecken. Sie hat eher ein "Mobilisierungsproblem". Die Anforderungen an die Friedensbewegung sind größer, ihre momentane Aktionsfähigkeit aber augenscheinlich kleiner geworden. Die "Friedenspolitischen Schwerpunkte 2014" sollen für die Friedensbewegung vor Ort als Handreichung dienen wieder in die Offensive zu kommen. Der Bundesausschuss Friedensratschlag ist ein politisches Bündnis zahlreicher Basisinitiativen und Aktivist/innen der deutschen Friedensbewegung. Er wirkt in der Friedensbewegung dafür, gemeinsame Projekte und Initiativen zu entwickeln um in der Öffentlichkeit wieder sichtbarer zu werden. Mit der Kampagne gegen Kampfdrohnen (die inzwischen international vernetzt ist), der Kampagne gegen Waffenexporte und den bundesweit vernetzten Initiativen gegen die Militarisierung von Bildung und Wissenschaft gibt es bereits gut Ansätze hierfür. Der Bundesausschuss Friedensratschlag wird sich auch in den bevorstehenden Europawahlkampf ein mischen und vor der weiteren Militarisierung der EU auf dem Gebiet der Interventionen und der Rüstung warnen.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Kassel)
Lühr Henken (Berlin)

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14 Friedenspolitische Schwerpunkte 2014 des Bundesausschusses Friedensratschlag

Ich sehe als erstes die Verpflichtung, dem Frieden zu dienen. Nicht der Krieg ist der Ernstfall, in dem der Mann sich zu bewähren habe, wie meine Generation in der kaiserlichen Zeit auf den Schulbänken lernte, sondern der Frieden ist der Ernstfall, in dem wir alle uns zu bewähren haben. Hinter dem Frieden gibt es keine Existenz mehr.
Gustav Heinemann in seiner Antrittsrede als Bundespräsident, 1969


2014 jährt sich zum hundertsten Mal der Beginn des ersten Weltkrieges. Für die Friedensbewegung ist dies Anlass, die Ursachen für diesen imperialistischen Krieg und die besondere deutsche Verantwortung an seinem Zustandekommen zu analysieren. Nur so kann der offiziellen Kultur des Gedenkens, das die ökonomischen Triebkräfte des Krieges systematisch ausblendet, entgegengetreten werden.

Der erste Weltkrieg war ein von Deutschland gewollter Krieg, der sich bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts abzeichnete, als sich die akute Kriegsgefahr zwischen den imperialistischen Großmächten zuspitzte. Durch pazifistische Kräfte und führende Köpfe der deutschen Arbeiterbewegung wurde bereits sehr früh - auch international - auf die bedrohlichen Entwicklungen hingewiesen, was sich auch in Massendemonstrationen gegen den drohenden Krieg manifestierte. Der Beginn des Krieges selbst zeigt aber auch, wie eine vorher vorhandene Anti-Kriegs-Stimmung propagandistisch umgedreht werden kann. Neuere Forschungen zeigen, dass die allgemeine Kriegsbegeisterung ein Mythos ist, der sich seit fast 100 Jahren gehalten hat. Weder in Deutschland noch anderswo gab es eine Klassen und Schichten übergreifende patriotische Kriegsbegeisterung. Eine Ausnahme davon machten allenfalls deutsche Intellektuelle, die mitunter in eine regelrechte Kriegsschwärmerei verfielen.

Der Erste wie der 25 Jahre später wiederum von Deutschland entfesselte Zweite Weltkrieg waren von Großmannssucht und dem Griff nach der Weltmacht getrieben. Der zweite Weltkrieg war ein beispielloser faschistischer Raub- und Eroberungskrieg der deutschen "Herrenrasse" gegen die slawischen "Untermenschen". In seinem Gefolge wurden sechs Millionen Juden vernichtet. 50 Millionen Menschen starben auf den Schlachtfeldern.

In den zurückliegenden 100 Jahren gab es in Europa und weltweit zahllose weitere Kriege - alle mit vorausgegangener Kriegshetze, Lügen und fingierten Kriegsanlässen. Die Menschen wurden desinformiert und mit der Konstruktion von Feindbildern gefügig gemacht. Potenzielle Feinde und Kriegsgegner im Inneren wurden unterdrückt und verfolgt. Hierzu stehen den Regierenden heute ungleich mehr technische Möglichkeiten zur Verfügung als jemals zuvor. Die weltweite elektronische Ausspähung des Telefon- und Datenverkehrs durch den US-Geheimdienst ist da nur die Spitze des Eisbergs. Die digitale Überwachung und Kontrolle sämtlicher Lebensbereiche ist ein Verbrechen an der Demokratie und nimmt dem Menschen seine letzten individuellen Freiheitsräume. Hier wird Widerstand zur demokratischen Pflicht.

Im Gedenkjahr 2014 gilt es, Lehren aus der Geschichte zu ziehen und deutlich zu machen, dass hinter Krieg und Gewalt in der Regel ökonomische Interessen der Großindustrie, der Transnationalen Konzerne und der großen und kleinen Rüstungsprofiteure stehen. Die Leidtragenden und Verlierer des Krieges sind immer die Menschen. Friedenspolitik 2014 heißt daher zuallererst, geführte Kriege zu beenden und neue zu verhindern.


(1) Pulverfass Naher Osten: Verhandlungen ohne Kriegsdrohungen

Der Nahe und Mittlere Osten ist eines der gefährlichsten Spannungsgebiete der Welt. Hier bündeln sich jahrzehntelange Konflikte wie der israelisch-palästinensische Konflikt, Interessengegensätze zwischen den sunnitisch dominierten arabischen Golfstaaten und den schiitischen Regimen im Iran und Irak sowie Machtkämpfe um regionale Vorherrschaft etwa zwischen Indien und Pakistan oder zwischen Iran, Saudi-Arabien, der Türkei, Israel und Ägypten. Eine Lösung könnte darin liegen, eine Gesamtkonferenz aller Beteiligten ähnlich der OSZE in Europa einzuberufen. Ziel wäre eine von Massenvernichtungswaffen freie Zone im Nahen und Mittlerer Osten, die, gekoppelt mit konventioneller Abrüstung und gegenseitiger Rüstungskontrolle, eine Nulllösung bei Raketen einschließt. Einem Raketenabwehrsystem von USA und NATO würde damit die Grundlage entzogen. Das bei den Genfer Verhandlungen zwischen Iran und den fünf Vetomächten im UN-Sicherheitsrat plus Deutschland vereinbarte Moratorium ist ein erster wichtiger Schritt zur Entspannung im Atomstreit.

Wir fordern: Die Sanktionen gegen den Iran müssen aufgehoben und souveräne Rechte des Landes respektiert werden. Deutsche Rüstungsexportvorhaben nach Israel, in die Golfstaaten und in alle anderen Staaten der Region müssen gestoppt werden. Drohungen mit einem "präventiven" Militärschlag gegen Iran sind einzustellen. Art. 2 Abs. 4 der UN-Charta verbietet jegliche "Androhung" von Gewalt. Die Bundesregierung wäre gut beraten, ihre einseitige Unterstützung der regionalen Scharfmacher Saudi-Arabien und Katar zu beenden und ihre Beziehungen zu allen regionalen Mächten auf eine normale Grundlage zu stellen.


(2) Den Krieg in Syrien stoppen - die militärische Einmischung beenden:

Der interne Konflikt in Syrien, der vor drei Jahren mit friedlichen Protesten begann, sich aber schnell zu einem von allen Seiten unerbittlich geführten Bürgerkrieg ausweitete, stellt nicht nur ein humanitäres Problem für die syrischen Bevölkerung, sondern eine Gefahr für die ganze Region dar. Dies wird dadurch noch verstärkt, dass westliche Staaten und arabische Golfmonarchien mittels ausländischer Söldner versuchen, den Sturz der Regierung Assad herbeizuführen. Darüber hinaus geht es um die Schwächung des Iran auf der einen, um die Stärkung des Einflusses von Saudi-Arabien oder der Türkei oder Israels auf der anderen Seite. Eine direkte US-Intervention wird von der US-Administration nach wie vor als Option nicht ausgeschlossen. Der im August 2013 erfolgte Beitritt Syriens zur Chemiewaffenkonvention, verbunden mit der Bereitschaft, sämtliche Chemiewaffen unter internationaler Kontrolle zu vernichten, war nicht Ergebnis der militärischen Drohkulisse der USA oder Großbritanniens, sondern war ein Erfolg der diplomatischen Bemühungen Moskaus. Der britische Premier Cameron hat sogar eine historische Niederlage erlitten, als ihm das Parlament einen Freibrief für einen Angriff auf Syrien verweigerte. Nachdem sich Syrien dem Regime des Chemiewaffen-Vertrages unterworfen hat, entfällt die Begründung für die Stationierung von Patriot-Raketen und AWACS-Gefechtsführungsplattformen in der Türkei.

Wir fordern: Die Sanktionen gegen Syrien, die Unterstützung bewaffneter Oppositionskräfte und die Interventionsdebatte in internationalen Gremien müssen beendet werden. Der Einsatz der UN für eine Waffenruhe und eine Verhandlungslösung muss weiter unterstützt werden. Die Genfer Verhandlungen müssen zumindest zu einem allseitig akzeptierten Waffenstillstand beitragen. Die Patriot-Raketen und AWACS-Flugzeuge müssen umgehend abgezogen und die Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien muss großzügig gehandhabt werden.


(3) Keine NATO-Komplizenschaft mit der Türkei

Der vom inhaftierten Kurden-Führer Öcalan angebotene Rückzug der bewaffneten PKK-Kämpfer war von Ankara mit der Ankündigung eines Friedensprozesses beantwortet worden. Praktische Schritte sind aber nicht erfolgt. Im Gegenteil: Im Windschatten des Konfliktes in Syrien hat die Türkei ihre Repressionsmaßnahmen gegen die Kurden massiv verstärkt. Zum Alltag in der Türkei gehören immer mehr willkürliche Verhaftungen, Verfolgung von unabhängigen Journalisten, militärische "Strafaktionen" in Kurdengebieten, Aberkennung der Immunität, ja sogar der Mandate frei gewählter Parlamentsabgeordneter. Hinzu kommt die massive Unterdrückung der Proteste, die im Sommer 2013 zunächst zur Verteidigung eines innerstädtischen Parks in Istanbul entstand, sich aber in Windeseile zu einer für die AKP-Herrschaft bedrohlichen Massenbewegung entwickelte. Außenpolitisch strebt die Erdogan-Regierung eine hegemoniale Rolle in der Region an, die sie auch militärisch begründen will.

Wir fordern: Keine Lieferung von Kampfpanzern und anderen Waffen, die gegen die kurdischen Bevölkerungsgruppen und die Opposition in der Türkei eingesetzt werden können. Wir unterstützen Aktionen in Deutschland, die sich für die Menschenrechte der Kurden in der Türkei einsetzen.


(4) Auch das Existenzrecht der Palästinenser anerkennen

Der israelisch-palästinensische Konflikt hat eine Schlüsselrolle nicht nur für einen Frieden im gesamten Nahen Osten, sondern auch für den Weltfrieden. Solange aber die israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten ausgebaut und den Palästinensern immer mehr die Existenzgrundlagen entzogen werden, schwinden auch die Hoffnungen auf einen gerechten Frieden im Nahen Osten. Eine Zwei-Staaten-Lösung auf der Basis der Grenzen von 1967 und entsprechend zahlreicher UN-Resolutionen wird immer unwahrscheinlicher. Auch die von US-Außenminister Kerry wieder in Gang gebrachten Verhandlungen zwischen Israel und der palästinensischen Autonomiebehörde sind bedeutungslos, so lange Tel Aviv seine aggressive Siedlungserweiterungspolitik fortsetzt. Eine bemerkenswerte Initiative ging von der EU aus: Die Kommission verabschiedete im Juli 2013 "Leitlinien über die Förderfähigkeit israelischer Einrichtungen und ihrer Tätigkeiten in den von Israel seit Juni 1967 besetzten Gebieten". Damit soll verhindert werden, dass EU-Fördermittel im Rahmen von Kooperationsprogrammen mit israelischen Institutionen oder Unternehmen auch Siedlungen in den seit 1967 von Israel besetzten Gebieten im Westjordanland, in Ostjerusalem und auf den Golanhöhen zu Gute kommen. Die Empfänger von EU-Mitteln, also auch Regierungsstellen, sollen unterschreiben, dass die Fördermittel nicht in den besetzten Gebieten verwendet werden. Das ist ein wichtiger Schritt Druck auf Israel auszuüben - auch wenn die Umsetzung der Leitlinie im Regierungshandeln mancher EU-Staaten faktisch unterlaufen werden dürfte.

Wir fordern: Die Bundesregierung muss die Bestrebungen Palästinas, als gleichberechtigtes Mitglied in die UNO und ihre Unterorganisationen aufgenommen zu werden, aktiv unterstützen. Die gelegentliche Kritik der Bundesregierung an der völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungspolitik muss Folgen haben: Stopp aller Rüstungsexporte an Israel - politische Unterstützung der Konferenz für eine von Massenvernichtungswaffen freie Zone im Nahen und Mittlerer Osten.


(5) Truppen aus Afghanistan vollständig abziehen - zivil helfen

Der Anfang Februar 2014 vorgelegte "Fortschrittsbericht" der Bundesregierung zur Lage in Afghanistan ist das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt ist. Von "Fortschritten" kann nämlich keine Rede sein. Die Bundesregierung lügt sich in die eigene Tasche, wenn sie über gestiegene Lebenserwartung, geringere Müttersterblichkeit und höhere Bildungsbeteiligung von Mädchen schwadroniert. Das mag für Kabul richtig sein, trifft aber nicht die Wirklichkeit im ganzen Land. Die wird nach wie vor bestimmt von einer desaströsen Menschenrechtslage, von Korruption (die bis in den engen Kreis um Präsident Karzai reicht) und von Rekordzahlen beim Drogenanbau, wie der jüngste Bericht der UN-Behörde UNDOC (UN Office on Drugs and Crime) gezeigt hat.

Einem Offenbarungseid gleicht die Einschätzung der Sicherheitslage am Hindukusch: "Die Sicherheitslage bleibt angespannt", heißt es im Bericht. Und weiter: "Die regierungsfeindlichen Kräfte (RFK) sind weiterhin in der Lage, in allen Landesteilen Anschläge zu verüben."

Nimmt man die ISAF-Statistik zur Hand, so sieht die Lage insbesondere im von Deutschland "kontrollierten" Gebiet anders aus: Laut ISAF-Statistik ist die Menge der "feindlichen Angriffe" im von Deutschland "kontrollierten" Nordafghanistan im ersten Halbjahr 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 99 Prozent und im zweiten Halbjahr um 26 Prozent gestiegen. So bleiben wir bei der Auffassung: "Nichts ist gut in Afghanistan" (Käßmann). Es wäre konsequent, wenn die Bundesregierung endlich das Scheitern ihres Militäreinsatzes eingestehen und die Bundeswehr abziehen würde. Stattdessen wird der Afghanistan-Einsatz bis Ende des Jahres verlängert und auch für die Zeit danach eine Folgemission angekündigt. Sie wird genauso grandios scheitern.

Wir fordern den Stopp aller Kampfhandlungen. Die Bundeswehr muss vollständig aus Afghanistan abgezogen werden. Dadurch frei werdende Mittel sind zur Verbesserung der Lebensbedingungen der afghanischen Bevölkerung nach deren Bedürfnissen zur Verfügung zu stellen. Alle weiteren Auslandseinsätze sind zu beenden.


(6) Keine Interventionsarmee Bundeswehr

Die Bundeswehr hat sich von ihrem Selbstverständnis her zu einer "Armee im Einsatz" gewandelt. Die schwarz-rote Bundesregierung verspricht in ihrem Koalitionsvertrag, "die globale Ordnung aktiv mitgestalten" zu wollen, notfalls auch militärisch. Aufgrund der Tatsache, dass die Bundeswehr im Laufe der kommenden Legislaturperiode ihr Handicap der schnellen und flexiblen Verlegbarkeit von Truppen samt modernstem Kriegsgerät abgelegt haben wird, ist davon auszugehen, dass damit auch die Bereitschaft wachsen wird, die für 100 Milliarden Euro angeschafften Waffen und Ausrüstungen (z.B. Kampf- und Transporthubschrauber, Schützenpanzer und weit reichender Transportflugzeuge) in mehr Einsätze zu entsenden als bisher. Bei der Herstellung voller Interventionsfähigkeit der Bundeswehr geht es vor allem um die Sicherung und Ausdehnung des Zugangs zu Rohstoffen und Märkten. Gemäß dem Grundgesetz und im Einklang mit dem Gewaltverbot der UN-Charta hat die Bundeswehr ausschließlich der Verteidigung zu dienen. Gegen dieses Verfassungsgebot hat die Bundesregierung seit 1999 (Kosovo-Krieg) wiederholt verstoßen. Darüber hinaus wird durch das im August 2012 erfolgte Urteil des Bundesverfassungsgerichtes unter bestimmten Voraussetzungen sogar ein militärischer Einsatz der Bundeswehr im Inneren ermöglicht.

Wir fordern: Die Transformation der Bundeswehr in eine "Armee im Einsatz" ist zu beenden. Bewaffnungs- und Ausrüstungsprogramme zur Herstellung weltweiter Interventionsfähigkeit sind ebenso zu stoppen, wie die zivil-militärische Zusammenarbeit im Inneren als "Heimatschutz". Da die Bundesrepublik Deutschland militärisch nicht bedroht wird und "nur von Freunden umgeben ist", fordern wir die drastische Abrüstung der Bundeswehr mit der Perspektive ihrer vollständigen Abschaffung.


(7) Keine Kampfdrohnen

Laut Koalitionsvertrag hält die neue Bundesregierung an ihren Beschaffungsvorhaben von Drohnentechnologie zur Spionage und Zielerfassung fest. Kampfdrohnen sollen Kampfhubschrauber und Kampfflugzeuge als Patrouillen- und Gefechtsfeldwaffen über Land und auf See ersetzen und den weltweiten Luftraum erobern. Kampfdrohnen senken die Schwelle zum Gewalteinsatz, terrorisieren Bevölkerungen betroffener Landstriche, fördern die Aufrüstung und bereiten den Irrweg zu autonomen Killerrobotern. Ein neues Wettrüsten ist damit programmiert. Die Bundesregierung will sich daran beteiligen. Dabei zeichnet sich ein zweigleisiges Vorgehen ab: Zum einen unterstützt sie die Herstellung von Kampfdrohnen der nächsten Generation in Europa, was ihre Flugfähigkeit im zivilen Luftraum und ihre Fähigkeit zur Selbstverteidigung einschließt. Bis diese in etwa zehn Jahren entwickelt sind, werden zum anderen zunächst US-amerikanische REAPER oder israelische HERON TP als reine Überwachungsdrohnen gekauft, um sie dann später zu bewaffnen. Die Entscheidung, ob REAPER oder HERON TP angeschafft werden, fällt noch in diesem Jahr. - Sogenannte extra-legale Tötungen werden zwar von der Koalition abgelehnt, sie unternimmt aber nichts gegen solche US-Einsätze von deutschem Boden aus.

Wir fordern: Kampfdrohnen müssen weltweit geächtet werden. Die Bundesregierung muss auf die Einführung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr verzichten und die Beihilfe zu "gezielten Tötungen" durch US-Drohnen einstellen. Die 2013 gestartete deutschlandweite Kampagne "Keine Kampfdrohnen!" ist weiter zu entwickeln.


(8) Schluss mit den Rüstungsexporten - Umstellung auf zivile Produktion

Deutschland ist zum weltweit drittgrößten Waffenexporteur aufgestiegen. Waffenexporte dienen auch in der schwarz-roten Koalition den außenpolitischen Interessen der Ressourcensicherung. Mit der "Merkel-Doktrin" wird beabsichtigt, strategische Partner mit deutschen Waffen im deutschen Interesse zur Kriegführung zu "ertüchtigen". Im Angebot der Exporteure des Todes befinden sich "Kleinwaffen" (das sind die eigentlichen Massenvernichtungswaffen moderner Bürgerkriege), Kampfpanzer zur Aufstandsbekämpfung, Kriegsschiffe und atomwaffenfähige U-Boote u.v.a.m. Zu den "strategischen Partnern" zählen aus Sicht der Bundesregierung religiös-fundamentalistische Diktaturen wie Saudi-Arabien, ölreiche autokratische Regime wie die Vereinigten Arabischen Emirate oder Katar oder "Stabilitätsanker" wie Indonesien.

Deutschland ist auch Rüstungsstandort. In den Rüstungsunternehmen arbeiten hier zu Lande ca. 80.000 Beschäftigte. Volkswirtschaftlich spielt die Waffenproduktion keine besondere Rolle (0,64 % des BIP und 0,25 % aller Beschäftigten). Die Rüstungslobby übt aber großen Einfluss auf Regierung und Abgeordnete aus.

Wir fordern Waffenexporte zu ächten und den Rüstungsexport gesetzlich zu verbieten. Zwischenziel auf dem Weg dahin könnten sein: ein Exportverbot für Kleinwaffen und Waffenfabriken, keine Lieferungen in Länder außerhalb von NATO und EU bei strikter Endverbleibskontrolle, keine Hermesbürgschaften und die Abschaffung der Militärattachées an deutschen Botschaften.

Abzurüsten ist auch die Herstellung und Weitergabe von Waffen und schwerem Kriegsmaterial. Die Umstellung von Rüstungsproduktion auf zivile Produkte ("Konversion") muss programmatisch und finanziell gefördert werden - insbesondere mit Blick auf Regionen, in denen Rüstungsaktivitäten stark konzentriert sind (z.B. Küste, Kassel, Bodenseeraum). Ein Konversionsamt könnte dabei hilfreich sein. Die berechtigten Interessen der Beschäftigten an sicheren Arbeitsplätzen und guten Arbeitsbedingungen jenseits der Rüstung müssen dabei im Mittelpunkt stehen.


(9) Gegen die Militarisierung von Bildungswesen und Gesellschaft

Seit Aufhebung der Wehrpflicht sind wir mit einer beispiellosen ideologischen Offensive der Bundeswehr konfrontiert. Propagandisten und Werbespezialisten der Bundeswehr machen sich heute in Kommunen, Schulen, Messen ("Karrieretreffs"), Volksfesten oder bei Gelöbnissen und Zapfenstreichen im öffentlichen Raum breit. Zugleich verstärken Rüstungsunternehmen, das Verteidigungsministerium sowie das Pentagon mit der Vergabe von lukrativen Forschungsaufträgen ihren Einfluss auf staatliche Hochschulen und private Forschungseinrichtungen.

Wir fordern: Kooperationsverträge Bundeswehr-Schule auf Länderebene sind aufzuheben, Zivilklauseln an Hochschulen sind flächendeckend einzufordern und dort, wo sie bereits existieren, durchzusetzen. Kooperationen mit Rüstungsunternehmen (z.B. über Stiftungsprofessuren) sind zu beenden. Dagegen sind Friedenserziehung - und -forschung zu fördern. Jeglicher öffentlichen Werbung für Bundeswehr und Kriegsdienst ist entgegen zu treten.


(10) Gegen das Kriegsbündnis NATO - für UNO-Charta und Völkerrecht

Der anachronistische Fortbestand der NATO dient der militärischen Absicherung imperialer Interessen und bestehender weltweiter Ungleichgewichte. Nach der Ausdehnung ihres Bündnis- und Einsatzgebiets maßt sich der größte Militärpakt zunehmend weltweite Befugnisse an. Raketenabwehrsysteme, sei es unter der Regie der NATO oder in Asien unter ihrer Führungsmacht, den USA, teilen die Welt in Freund und Feind. Die sich bedroht fühlenden Staaten wie Iran, China, Nordkorea und Russland vergrößern deshalb ihre militärischen Anstrengungen, um einer Erpressung zu entgehen. Auch das von den USA und der NATO geförderte Raketenabwehrsystem fördert das Wettrüsten und damit die Kriegsgefahr.

Wir fordern: Die unheilvolle Rolle der NATO in der Welt muss stärker in der Öffentlichkeit thematisiert werden und neue Waffenprogramme wie z.B. das Raketenabwehrsystem in Osteuropa sind zu stoppen, auch als Basis für atomare und konventionelle Abrüstungsverhandlungen mit Russland. Es gilt, die NATO als Kriegsbündnis zu delegitimieren. Demgegenüber müssen die demokratischen und zivilen Strukturen der Vereinten Nationen gestärkt werden. Bei drohenden oder schon existierenden Gewaltkonflikten muss nach den Regeln des Völkerrechts und der UNO-Charta mit ihrem strikten Gewaltverbot verfahren werden.


(11) Keine Militärunion EU - für eine humane Flüchtlingspolitik

Die neue Bundesregierung hat sich vorgenommen, die Militarisierung der EU zu beschleunigen. Sie will sowohl ihre zivil-militärische Zusammenarbeit innerhalb der EU als auch ihre militärische Zusammenarbeit der EU mit den USA verstärken. Das Ganze stellt sie unter die Überschrift: "Ein starkes Europa in der Welt" (Koalitionsvertrag). Bereits heute stellen die Mitgliedstaaten der EU Kontingente für eine Schnelle Eingreiftruppe von 60.000 Heeres- und 20.000 Luftwaffen- und Marinesoldaten zur Verfügung. Deutschland stellt darin das größte nationale Kontingent. Hinzu kommen die binnen einer Woche für Militärinterventionen einsetzbaren EU-Battle-Groups. Da nicht nur für die Bundeswehr sondern auch für andere EU-Staaten neue fliegende Transportkapazitäten zur Verfügung stehen werden, ist mit verstärkten Militärinterventionen der EU und mit Stellvertreterkriegen mit EU-Unterstützung vornehmlich in Afrika zu rechnen.

Zugleich werden die EU-Außengrenzen gegenüber Afrika weiter verstärkt (Frontex, EuroSur). Mit anderen Worten: Die EU führt Kriege in Afrika und schottet sich vor den Folgen ihrer Kriege ab. Kriegs-, Hunger- und Armutsflüchtlinge werden brutal an den EU-Außengrenzen abgewiesen; die Habenichtse aus dem Süden haben in der "Festung Europa" nichts zu suchen.

Wir fordern: Die Militarisierung der EU ist auf Null zurückzufahren, die schnellen Eingreiftruppen sind aufzulösen. Europäische Rüstungsprojekte sind einzustellen und die "Europäische Verteidigungsagentur" ist aufzulösen. Stattdessen ist die EU auf eine strikt zivile Außenpolitik zu verpflichten.

Das Grenzregime der EU muss entmilitarisiert und humanisiert werden. Nicht Flüchtlinge sind zu bekämpfen, sondern Fluchtursachen. Eine völlig andere Wirtschafts-, Handels- und Entwicklungspolitik muss die Grundlagen dafür schaffen, dass die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen in der Dritten Welt verbessert werden.


(12) Atomwaffen abschaffen - Uranwaffen verbieten

Entgegen gelegentlichen Bekundungen zur atomaren Abrüstung durch US-Präsident Obama legt seine eigene Regierung Programme zur Modernisierung alter und der Entwicklung neuartiger Atomwaffen auf. Sie können auch in Deutschland stationiert werden (etwa im Atomwaffenlager Büchel). Damit würden Optionen für deren gezielte Einsatzfähigkeit geschaffen, die zu neuen Kriegsgefahren und katastrophalen humanitären Konsequenzen führen können.

Der Einsatz von panzer- und bunkerbrechenden Waffen mit abgereichertem Uran (DU-Munition) hat im Irak, in Bosnien, Kosovo und in Afghanistan zu einem teilweisen dramatischen Anstieg von Krebsraten und Missbildungen durch Genmutationen geführt, was mit Langzeitwirkungen für künftige Generationen verbunden ist.

Wir fordern eine vollständige atomare Abrüstung mittels eines weltweiten vertraglichen Verbots von Atomwaffen, die auch die zivile Nutzung der Nuklearenergie beendet. Die Bundesregierung muss den Abzug der in Büchel stationierten Atomwaffen durchsetzen.

Darüber hinaus fordern wir: Das systematische Verschweigen der gesundheitsschädigenden Folgen von Uranmunition muss beendet werden. Uranmunition muss - wie es eine internationale Kampagne fordert - weltweit geächtet werden. Hilfsprogramme für die Opfer von DU-Munition sind erforderlich.


(13) Für internationale Solidarität statt Ressourcen-Ausbeutung

Letztlich hängen alle weltweiten Konflikte direkt oder indirekt mit dem Zugriff auf Rohstoffe, Wasser und Nahrungsmittel sowie deren Verteilung zusammen. Durch die deutsche und die EU-Rohstoffstrategie wird der Zugriff auf Ressourcen anderer Länder mit wirtschaftlicher Erpressung und militärischen Mitteln forciert. Landraub, wirtschaftliche Ausbeutung, Unterentwicklung und Unterernährung, aber auch Konkurrenz unter den führenden Staaten der Welt werden dadurch verschärft.

Wir fordern: Die weltweit verfügbaren Ressourcen müssen menschengerecht, ökologisch, sozialverträglich und nachhaltig genutzt werden. Dabei ist vor allem dem Klimaschutz und den Bedürfnissen der Erzeugerländer Rechnung zu tragen. Nur so können Konflikte und Kriegsursachen sowohl regional als auch global beseitigt werden.


(14) Gegen Demokratieabbau und Rassismus

Die Neonazis von heute stehen in der unheilvollen Tradition von Faschismus, Rassismus und Krieg. Jahrelang konnte eine Neonazi-Gruppe ausländische Mitbürgerinnen terrorisieren und ermorden - vermutlich mit Wissen des Verfassungsschutzes. Viele Morde und Terroranschläge - wie z.B. das Oktoberfest-Attentat 1980 in München - wurden bis heute nicht aufgeklärt.

Wir fordern: Neonazi-Aktivitäten sind zu unterbinden und die Rolle des Verfassungsschutzes - auch bei früheren Terroranschlägen - muss lückenlos aufgeklärt, die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Der Inlandsgeheimdienst Verfassungsschutz ist ersatzlos aufzulösen. Die Friedensbewegung beteiligt sich weiter aktiv am Kampf gegen Nazipropaganda, Fremdenfeindlichkeit und jede Form von Rassismus.


Die Friedenspolitischen Schwerpunkte 2014 können als PDF-Datei heruntergeladen werden unter:
http://www.ag-friedensforschung.de/bewegung1/schwerpunkte2014.pdf

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Quelle:
Pressemitteilung vom 18. Februar 2014
AG Friedensforschung und Bundesausschuss Friedensratschlag
Germaniastr. 14, 34119 Kassel
Telefon: (0561) 93717974
E-Mail: Bundesausschuss.Friedensratschlag@gmx.net
Internet: www.ag-friedensforschung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2014