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STANDPUNKT/128: "Angriffe auf wehrlose Menschen verdienen unsere Verachtung und verdienen Bestrafung" (Jürgen Heiducoff)


"Angriffe auf wehrlose Menschen verdienen unsere Verachtung und verdienen Bestrafung" [1]

von Jürgen Heiducoff, 26. Dezember 2015

[1] Bundespräsident Gauck in seiner Weihnachtsbotschaft 2015


Das Fest des Frieden ist vorüber.
Friede war leider auch zu Weihnachten 2015 nicht überall auf dieser Welt. Der Papst mahnte das Schweigen der Waffen an. Und er kritisierte den Kapitalismus.
Der deutsche Bundespräsident nimmt Bezug auf die zunehmende Gewalt gegen Flüchtlinge und fordert: "Angriffe auf wehrlose Menschen verdienen unsere Verachtung und verdienen Bestrafung". Da kann man ihm uneingeschränkt zustimmen.

Aber ist denn diese Forderung nur berechtigt in Bezug auf die Gewalt in Deutschland?
Gilt sie nicht ebenso für die militärische Gewalt außerhalb der Grenzen unseres Landes?
Vor allem dann, wenn auch die Bundeswehr daran beteiligt ist wie auch in Syrien.

Komplexe militärische Operationen mit multinationaler Beteiligung kann man bei ihrer Bewertung nicht auseinander dividieren. Luftaufklärung mit deutschen Tornados ist Kampfunterstützung im Rahmen von Luftoperationen. Logistische Unterstützung wie z.B. Luftbetankung von Kampfflugzeugen ist ebenfalls Bestandteil der Luftoperationen. Diese selbst sind gegen Führungsstellen, Waffendepots und schwere Waffen von Aufständischen gerichtet. Zumeist befinden sich die Ziele in besiedeltem Gebiet. Sogenannte Kolateralschäden sind programmiert. Wer also an diesen militärischen Operationen teilnimmt, nimmt auch die Tötung und Verstümmelung von Zivilisten in Kauf. Auch auf die psychischen Traumata der im Kriegsgebiet siedelnden Menschen sei hingewiesen. Die Folgen von "Show of Force", dem angsteinflößenden Überflug über Dörfer und Städte im Tiefflug, die Folgen von Bombardierungen mit Flächen- und Präzisionswaffen sind Panik und Flucht wehrloser Menschen, die zumeist ihr gesamtes Hab und Gut verloren haben. So werden Hass und Frust generiert. Dadurch werden neue Terroristen erzeugt.

Von der Bundesregierung beschlossen und vom Bundestag mit Mehrheit gebilligt nimmt Deutschland an Luftoperationen gegen besiedelte Gebiete in Syrien teil. Luftaufklärung und Luftbetankung sind Teil der Luftkriegsführung! Sie sind Teil eines Angriffskrieges, für den noch nicht einmal ein Mandat der Vereinten Nationen vorliegt.

Artikel 26, Absatz 1 unseres Grundgesetzes legt fest: "Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen".
Paragraph 80 des Strafgesetzbuches: "Wer einen Angriffskrieg, an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft."

Wie sagt Gauck in seiner Weihnachtsansprache? "... Angriffe auf wehrlose Menschen verdienen unsere Verachtung und verdienen Bestrafung."

Der Bundespräsident mahnt aber auch, Deutschland brauche eine offene Debatte, um die Probleme zu lösen, die die Flüchtlingskrise mit sich bringe. Und eben diese offene Debatte wird immer wieder gestört.

Auch der "Spiegel" unterbindet sie, indem er kein Forum zum Artikel über die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten zulässt. Dass dies frustrierte Foristen zum Überschäumen bringt ist normal. Da ist es nicht mehr weit, dass die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung hier und da zum Ausbruch von Gewalt führt.


Der Autor Jürgen Heiducoff, Oberstleutnant a.D., war fast 40 Jahre im Dienst deutscher Streitkräfte, zumeist auf dem Gebiet der Abrüstung, Rüstungskontrolle und Vertrauens- und Sicherheitsbildung tätig.

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Quelle:
© 2015 by Jürgen Heiducoff
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Dezember 2015

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