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STANDPUNKT/434: Wie sollte man Trumps Tweets verstehen? (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin

Wie sollte man Trumps Tweets verstehen?

Von Günter Buhlke, 18. März 2020


Alle Welt wartet gespannt, was der Präsident am nächsten Tag mitteilen wird! Die Themen und Inhalte seiner Botschaften sind vorher kaum zu erahnen, obwohl die westliche Welt daran glaubt, mit den USA gemeinsam in einer Wertegemeinschaft verbunden zu sein und so gedanklich in den großen und anstehenden Fragen übereinstimmt.

Das Problem sind nicht seine Aktivitäten, sondern seine Konstante "MAKE AMEERICA GREAT AGAIN", aus der purer Egoismus herausquillt.

Es ist falsch von dem "Amerikaner" zu denken, wie es überhaupt nicht richtig ist, von "Russen" oder "Engländern" zu sprechen. Das baut Vorurteile auf, die nicht weiterhelfen. In der Geschichte ist es immer so gewesen, das charismatische Einzelpersönlichkeiten Entwicklungen in eine bestimmte Richtung lenken, wenn bestimmte Voraussetzungen und Interessenslagen im Lande vorhanden sind.

Die Erfolgsmuster und möglicherseits Gene der Nordamerikaner entwickelten sich - laut Freud und Darwin - in den 244 Jahren nach Gründung der USA im Jahr 1776. In dieser Zeit ist viel geschehen. Mindestens zwei Erfahrungen konnten in den langen Jahren reifen. Handlungsmacht und überlegende Waffen entschieden meist, wer Sieger wird. Präsident Trump möchte immer ein Gewinner sein.

Der revolutionäre Kampf der Siedler aus den 13 englischen Kolonien Nordamerikas gegen das englische Königshaus wurde mit der Gründung eines republikanischen Staates erfolgreich beendet.

Die geschichtlichen Erfahrungen der weißen Männer Nordamerikas belegen, dass sie mit den beiden Erfahrungen schnelle Erfolge im Kampf gegen die Ureinwohner erzielten. Die Macht verführte sie dazu, den Indigenas erst 1924 die Staatsbürgerschaft im eigenen Land zu gewähren. Eine weitere Erkenntnis, was Macht und Waffen einbringen würden: Die Nordamerikaner konnten ihren Traum von Freiheit und materieller Eigenständigkeit relativ leicht erfüllen.

Auch bei der territorialen Vergrößerung ihres Landes spielten die beiden Faktoren Macht und Waffen die entscheidende Rolle. Ein von den USA selbst ausgelöster Krieg gegen Mexiko vergrößerte ihr Land durch die heutigen Bundesstaaten Kalifornien, New Mexiko, Nevada, Arizona, Utah und Teilgebiete von Texas, Colorado und Oregon.

Die Nordamerikaner verfügen über weitere prägende Erfahrungen, die ihre Handlungen bis zur Gegenwart beeinflussen.

Von Anbeginn an waren sie zielstrebig und erfolgsorientiert. In der Frühzeit der Entwicklung großer Agrarbetriebe und der Industrialisierung des Landes raubten sie den Besitz der Indigenas (Viehweiden, Bodenschätze mit Gold, Kohle, Erdöl, u.v.m.). Nach der physischen Erschöpfung der Ureinwohner holten sie für den Arbeitsmarkt Sklaven ins Land. Hohe Geldrenditen wurden so zum Triebmittel der Entwicklung der USA. Aufstände der Indigenas und Afrikaner wurden mit Waffengewalt beendet. Ein verbreiteter Rassismus wurde für die weißen Männer bis zur Gegenwart zum Problem der Nordamerikaner. Erst landesweite Protestmärsche in den 1960er Jahren unter Pastor Martin Luther King haben eine Entspannung gebracht.

Gewohnte Machtgefühle ließen 1943 den Finanzminister der Administration Morgenthau den Vorschlag an die Alliierten unterbreiten, Deutschland nach dem 2. Weltkrieg in drei Territorien zu zerstückeln. Ein Mitstreiter um die Weltmacht sollte auf diese Weise ausgeschaltet werden. Stalin wollte dagegen ein militärisch neutrales Gesamtdeutschland mit der Oder/Neiße als Grenzflüsse im Osten. Die Zusagen an Polen sollten eingehalten werden. Präsident Truman schätzte die Lage anders ein. Der gefährlichere politische Konkurrent war das sozialistische Lager, das flächenmäßig bereits ein Drittel der Welt in seinem System vereinte. Die Truman-Doktrin hatte die Eindämmung (Containment) und Rückdränung des sozialistischen Systems zum Ziel. Militärische Optionen und Unterstützungen waren nicht ausgeschlossen (China, Vietnam, Korea, Afghanistan).

Kapital ist bekanntlich ein starkes Instrument, um die Macht zu erhalten. Der von Präsident Truman eingeführte Marshall-Plan über 13,4 Milliarden US-Dollar stoppte den Niedergang Westeuropas nach dem Krieg und baute einen künftigen Absatzmarkt für amerikanische Produkte auf. Dauerhafte Darlehensempfänger mit Zinszahlungspflichten entstanden. Die Kreditverhältnisse zu amerikanischen Banken haben bis zur Gegenwart Bestand, auch zur Umschuldung fälliger Kredite der Bundesrepublik. Einfach machen ist die Handlungsdevise der Nordamerikaner. Die Diplomatie ist gelegentlich zu umständlich.

Amerikanische Führungspersonen haben in der internationalen Welt der Wirtschaft und Politik viele Erfahrungen gesammelt und sie melden, vertrauend auf Macht, Militär- und Sicherheitsapparat ihre Ansprüche an. Endziel ist ihre Hegemonie in einer unipolaren Welt.

Eine zweite weltweite Entwicklungslinie meldet ihr Recht auf Selbstbestimmung an. Sie zieht sich über China, Russland u.a. bis zum sogenannten Hinterhof Lateinamerikas.

Ein drittes Weltproblem harrt der Lösung. Die Pflicht aller Regierungen und der Wirtschaft, die Natur nicht zu Katastrophen kommen zu lassen.

Die Politik der USA könnte aus ihrem Erfahrungsschatz mehr als nur Macht und Militär zur Anwendung bringen, um Erfolge herbeizuführen. Geheimdienste und Sanktionen sind nicht gemeint, wohl aber Erfahrungen, die zu Eleanor Roosevelts Aktivitäten führten, 1947 die Charta der Menschenrechte zu formulieren und zur weltweiten Unterzeichnung zu bringen.

Spannungen sind vorauszusehen und die Neugier auf die Twitter-Meldungen wird verständlich. Vernunft und humane Entscheidungen stehen auf den Tagesordnungen der Mächtigen aller Länder.


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Reto Thumiger
E-Mail: redaktion.berlin@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2020

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