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STANDPUNKT/497: Oh, arme Ukraine (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin

Oh, arme UKRAINE

von Günter Buhlke, 12. September 2022


Überraschend besuchte Außenminister Blinken in der vergangenen Woche Kiew und versprach 2,2 Milliarden USD, ausdrücklich zur langfristigen militärischen Stärkung der Ukraine, wie die Berliner Zeitung vom 09.09.2022 berichtet.

Das Versprechen von Blinken passt sich in die bereits zugesagten 15 Milliarden USD ein, die sein Kollege aus dem militärischen Bereich der US-Regierung, Lloyd Austin, bei einem kürzlichen NATO-Treffen der Ukraine-Kontrollgruppe im rheinland-pfälzischen Ramstein zugesagt hatte. Der Verteidigungsminister Austin veranlasste seine anderen Kollegen aus weiteren NATO-Staaten einen Beitrag zur Waffenlieferung beizusteuern. NATO-Generalsekretär Stoltenberg und die deutsche Verteidigungsministerin Lambrecht (SPD) assistierten die finanziellen Zusagen.

Kreditgelder werden in der westlichen Welt überwiegend mit Zinseszins belastet. Alle Rechnungen der Rüstungsindustrie und übriger Lieferanten laufen den üblichen Weg im Rahmen der Kredite.

Mit der Lieferung der Waffen kommen den betroffenen entsendenden Staaten auch Vorteile zu. Die alten und nicht gebrauchten Waffen werden verwertet und die Lager können für andere Zwecke geräumt werden. Das eine oder andere Neue kann in der Praxis erprobt werden.

Die Gelder des Außenministers Blinken sind nicht für den zivilen Bereich der Ukraine, etwa zur Wiederherstellung von Schulen Krankenhäusern, Wohnungen, Brücken bestimmt. Für diesen Teil des Kreditbedarfs stellen Frau von der Leyen und Präsident Biden weitere Gelder zur Verfügung. Beide Kreditarten gehen jedoch in die Staatsverschuldung ein. Die funktioniert seit Kolonialzeiten als bewährte Methode Abhängigkeiten herzustellen.

Die Summe der Auslandsschulden, zuzüglich der staatlichen Inlandsschulden bremsen den Fortschritt der geschundenen Ukraine. Es leiden die Förderung der Wirtschaft und der Ausbau des sozialen Netzes. Die wissenschaftlich-technische Forschung stagniert. Die Töpfe zur Entwicklung der Bildung und Kultur können nicht ausreichend gefüllt werden.

In den vergangenen 7 Monaten seit Kriegsbeginn, drängten die Kernländer der NATO auf schnelle Waffenlieferungen. Nach dem Besuch von Blinken scheint eine längere militärische Konfrontation ins Kalkül gezogen worden zu sein. Das kommt den Waffenproduzenten entgegen.

Die Kampftechnik der US-Armee steht ohnehin nach Ende der Afghanistan-Operation im Standby Modus und Bundeskanzler Scholz besuchte unlängst eine Waffenschmiede Deutschlands und begutachtete einen modernen Panzer. Ein Fahrzeug zum Töten und zur Abwehr.

Die Kämpfe in der Ukraine verursachen vor allem menschliche Tragödien, die nicht heilbar sind. Selbst nach den beiden Weltkriegen wurden die gewaltigen materiellen Schäden wieder ausgeglichen. Geblieben ist das Trauma der Angehörigen.

Eine Frage bleibt offen: In der kapitalistischen Welt gilt ein altes ehernes Gesetz: Kredite gibt es nur gegen Sicherheiten für die Rückzahlung, unbenommen in welcher geldwerten Form. Ein ausgefeiltes Ratingsystem wacht darüber und es bestimmt die Höhe der Zinsen. In Deutschland kümmert sich die Schufa um die Rückzahlungsfähigkeit bei der Beantragung privater Kredite. Der afghanischen Regierung wurden gleichfalls für Waffenlieferungen umfangreiche Kredite zugesagt. Das Land musste seinen staatlichen Goldschatz nach Fort Knox, der Schatzkammer USA, transferieren. Was hat Präsident Selenskyj als Sicherheit angeboten und was in seiner "Letter of intent" geschrieben? Welche Rückzahlungsform verlangen die G7 Staaten für ihre Lieferungen auf Kredit?

Deutschland zahlte seine letzte Kreditrate aus dem 1. Weltkrieg im Juni 1990.

Die Kreditkonstruktion für die Ukraine, aber auch die Sanktionspolitik gegen Russland, bestätigen eine unheilvolle Gleichung: Weltgeschichte ist Geldgeschichte. Kreditgeschäfte der Banken zielen auf Gewinn.

Ein humaner Imperativ fordert: Waffen müssen in der Ukraine und anderswo bei bilateralen militärischen Kämpfen zum Schweigen gebracht und nicht noch geliefert werden. Kompromisse sind, wie Erfahrungen bezeugen, immer möglich. Sieger-Mentalitäten gehen dagegen überwiegend mit neuen Problemen einher. Auslandskredite für zivile Zwecke sind eine andere Hausnummer. Auch das besagen lange Erfahrungen in der Welt.


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http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Reto Thumiger
E-Mail: redaktion.berlin@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 1. Oktober 2022

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