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ITALIEN/021: Senat entscheidet über Ausschluss von Ex-Premier Berlusconi (Gerhard Feldbauer)


Kampf gegen das "perverse politische Modell Berlusconi"

Senat entscheidet über Ausschluss des Ex-Premier

von Gerhard Feldbauer, 13. September 2013



Der vor einigen Jahren von Nanni Moretti gedrehte Film "Der Kaiman", verkörperte Berlusconi. Seine Filmfigur, der Alligator mit dem spitzen Maul und einem Gebiss, das alle Knochen durchbricht, zielte auf die übelsten Charakterzüge Berlusconis, der öffentlich bekundete "jeden Gegner in der Luft zu zerreißen". Wenn am Ende Anhänger des Despoten nach dessen Verurteilung den Justizpalast in Brand steckten, erinnern die jetzigen Reaktionen des Medientycoons und seiner Gefolgschaft daran, dass der Streifen die Realität verkörperte. Nach seiner Verurteilung in drei Instanzen wegen millionenfachen Steuerbetrugs und übelster Korruption forderten der Ex-Premier und seine Partei Volk der Freiheit (PdL) Staatspräsident Giorgio Napolitano ultimativ auf, ihn zu begnadigen, andernfalls ein Bürgerkrieg drohe. Zahlreiche seiner Anhänger mit der "Duce"-Enkelin Alessandra Mussolini, einer fanatischen Faschistin, an der Spitze verliehen diesen Drohungen, die Berlusconi in Führerpose entgegennahm, auf einer Kundgebung in Rom Nachdruck. In der PdL gibt es, so Meinungen in Rom, Zehntausende frühere AN-Faschisten, die nur auf das Signal zur Gewaltanwendung warten.

Das ist die Situation, in der in Rom der Immunitätsausschuss des Senats seit Dienstag - entsprechend dem Richterspruch, der Berlusconi als verurteilten Straftäter untersagt, öffentliche Ämter auszuüben - die Beschlussvorlage für seinen Ausschluss aus dem hohen Haus vorbereitet. Grundlage ist ein Gesetz, das festlegt, dass Straftäter ab zwei Jahren Haft (Berlusconi erhielt vier Jahre) ihr Amt niederlegen müssen. Auch dieses Gesetz erkennt Berlusconi nicht an. Der Fraktionschef der PdL, Renato Schifani erklärte den Ausschuss für befangen und forderte von Senatspräsident Piero Grasso, die Mitglieder neu zu berufen. Dabei gehören dem Ausschuss auch Senatoren der PdL an. Berlusconi hat inzwischen selbst den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angerufen, der das Urteil gegen ihn aufheben soll. Das könne dieser gar nicht, so Juristen in Rom. Auch dieses Manöver bezwecke nur, Zeit zu gewinnen. Parallel droht der Ex-Premier ununterbrochen mit dem Abzug der PdL-Minister die Regierung unter dem Sozialdemokraten Enrico Letta (PD) zu stürzen, eine Regierungskrise auszulösen und Neuwahlen zu erzwingen.


PdL nicht mehr geschlossen hinter Berlusconi

In Berlusconis Partei steht man aber inzwischen nicht mehr so 100prozentig hinter ihm. Sein langjähriger Vertrauter und Präsident seines Mediaset-Konzerns, Fedele Confalionieri, der als die Graue Eminenz seines Imperiums gilt, befürchtet offensichtlich, das ganze Spektakel schade der PdL und werde ihr bei Wahlen Stimmen kosten. Er drängt Berlusconi, das Urteil anzunehmen und dann ein Gnadengesuch zu stellen. Bisher verfehlt die Kampagne ein wichtiges Ziel, die Demokratische Partei (PD) mit der Drohung, die Koalition aufzukündigen, zum Nachgeben zu zwingen. Denn in der Fünf Sterne-Bewegung (M5S) Beppe Grillos ist inzwischen die Ablehnung jeder Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten aufgeweicht worden und bei einem Misstrauensvotum könnten deren Abgeordnete und Senatoren den Platz der PdL einnehmen und Premier Letta eine Mehrheit sichern.


Der Staatschef macht den Medientycoon zum nationalen Stützpfeiler

Staatspräsident Giorgio Napolitano rief wieder einmal zur Einigkeit und zum Stillhalten auf, um "die Pfeiler unseres nationalen Zusammenlebens zu stützen". Damit werde, so Stimmen der Linken, der verurteilte Straftäter Berlusconi also zum Pfeiler nationalen Zusammenlebens gemacht. Der Senator und frühere Staatsanwalt Felice Casson trat dem entschieden entgegen. Der angesehene Strafrechtler, der u. a. Anfang der 1990er Jahre die Prozesse gegen Mitglieder der NATO-Geheimtruppe Gladio führte, forderte, Berlusconi entsprechend dem Urteil aus dem Senat auszuschließen und dem Gesetz Genüge zu tun. Das verlange auch die Verfassung, die festlege, dass, "wer ein öffentliches Amt bekleidet, moralische Würde besitzen muss und nicht strafrechtlich verurteilt sein darf." Berlusconi bewege sich "außerhalb dieser Grenzen". Das "perverse politische Modell Berlusconi", so Casson, müsse "bekämpft werden".

In Rom erwartet die demokratische Öffentlichkeit, dass der Senat diesen Verfassungsgrundsatz durchsetzt und dem Treiben des Mediendiktators, sich in typisch faschistischer Manier über Recht und Gesetz zu stellen, ein Ende bereitet. Eine Entscheidung wird Anfang nächster Woche erwartet.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. September 2013