Schattenblick →INFOPOOL →EUROPOOL → POLITIK

ITALIEN/030: Parteitag der Rifondazione Comunista Italiens (Gerhard Feldbauer)


Eine Linke für eine demokratische Revolution und den Sozialismus des XXI. Jahrhunderts

Parteitag der Rifondazione Comunista Italiens

von Gerhard Feldbauer, 6. Dezember 2013



In Perrugia, der Landeshauptstadt der Region Umbrien, eröffnete die italienische Partito della Rifondazion Comunuista (PRC) am Freitag einen außerordentlichen Parteitag. Es ist der achte seit die PRC im Dezember 1991 von etwa einem Viertel der Delegierten, die die Umwandlung der IKP in eine sozialdemokratische Linkspartei abgelehnt hatten, gegründet wurde. Die schätzungsweise noch etwa 30.000 Mitglieder (von 130.000 bei der Gründung) werden von rund 260 Delegierten vertreten, die aus fünf Strömungen gewählt wurden. Dem Kongress liegt ein Grundsatzdokument des Nationalen Politischen Komitees "für den Wiederaufbau einer Linken für eine demokratische Revolution und den Sozialismus des XXI. Jahrhundert" zur Beratung und Beschlussfassung vor. Über das Dokument werden harte innerparteiliche Auseinandersetzungen erwartet. Die Wiederwahl Paolo Ferreros (seit 2008 im Amt) ist umstritten. An dem Kongress nimmt eine Gastdelegation der zweiten KP, der 1998 von der PRC abgespaltenen Partei der Kommunisten Italiens (PdCI), mit ihrem Vorsitzenden Cesare Procaccini, teil, der auf deren Parteitag im Juli 2013 vorschlug, beide Parteien wieder zu vereinigen, um eine wichtige Grundlage für den weiteren Prozess der Einheit der Kommunisten zu schaffen. Das Dokument ist darauf mit keinem Wort eingegangen, was als eine stillschweigende Ablehnung gilt.


Kongress soll verantwortliche Führungsgruppe wählen

Das Dokument betont einleitend, von den schweren Niederlagen, die die Partei und die Linken insgesamt in der tiefgehenden Krise des Kapitalismus erlitten haben, auszugehen und die Ursachen zu untersuchen, um die Wiederbelebung eines kommunistischen Projekts zu erörtern. Angesichts der barbarischen Ergebnisse des Neoliberalismus gehe es unverändert um das Bekenntnis zum Kommunismus. Das erfordere die grundlegende Erneuerung der Partei und ihrer führenden Strukturen. Zehntausende Genossinnen und Genossen seien in den Bewegungen des Widerstandes, in den Kämpfen gegen das kapitalistische System aktiv. Aus dem außerordentlichen Kongress solle über innerparteiliche Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten hinweg für die anstehenden Aufgaben eine verantwortliche Führungsgruppe hervorgehen.


Antikapitalistisches Kampfprogramm

Es wird ein umfangreiches Programm des antikapitalistischen Kampfes für demokratische Veränderungen formuliert: Gegen Arbeitslosigkeit, Rentenarmut, soziales Elend, für Reformen in Schule und Gesundheitswesen, Wahrung und Erweiterung der Arbeiterrechte, bis zur Wiederherstellung demokratischer Errungenschaften, Verteidigung der antifaschistischen Werte und ihrer Verankerung in der Verfassung gegen die verstärkten neofaschistischen Angriffe. Die PRC bekennt sich zum Internationalismus und zur Solidarität vor allem mit den progressiven Regierungen in Lateinamerika. Verlangt wird die "Überwindung" der NATO, ihrer Militär-Basen, das Ende der weltweiten Militäreinsätze der USA und der NATO sowie der italienischen Beteiligung daran, die Reduzierung der eigenen Militärausgaben (Verzicht auf den Milliarden verschlingenden Senkrechtstarter F35) und zur Durchsetzung dieser Forderungen eine Aktivierung der einst kampfstarken Friedensbewegung des Landes. Scharf werden die von dem Führer der AN-Faschisten Gianfranco Fini und der rassistischen Lega Nord unter den faschistoiden Regierungen Berlusconis forcierte Ausländerfeindlichkeit angeprangert und die Aufhebung der rassistischen Gesetze, die Immigranten in die illegale Arbeit zwingen, gefordert. Eine tiefergehende Analyse der unter den Regierungen Berlusconis angewachsenen faschistischen Gefahr ist nicht auszumachen. Bei grundsätzlicher Ablehnung der EU bleibt es bei der Mitgliedschaft der PRC in der Europäischen Linkspartei (EL).


Ursachen der Niederlagen nicht benannt

Auch die vielbeschworene Analyse der Niederlage der Linken geht an den entscheidenden Ursachen vorbei. Hatte der 7. Parteitag 2008 noch die Regierungsbeteiligung der Kommunisten (PRC-Vorsitzender Paolo Ferrero stimmte als Minister für den italienischen Kriegseinsatz in Afghanistan) als entscheidende Ursache der Wahlniederlage 2008 (Absinken der kommunistischen Stimmen von 12 auf 3,1 Prozent in einer als "Regenborgen" bezeichneten Linkskoalition) genannt, wird jetzt der frühere IKP-Generalsekretär Enrico Berlinguer, der entscheidende Protagonist der Beteiligung an einer Regierung der Großbourgeoisie, der dafür dem Marxismus-Leninismus absagte und in der NATO einen möglichen Schutzschild eines italienischen Weges zum Sozialismus sah, als Integrationsfigur einer kommunistischen Erneuerung genannt. Dass der langjährige PRC-Vorsitzende Fausto Bertinotti die Liquidierung der Partei (Aufgehen in einer Linkspartei) betrieb, bleibt ebenfalls unerwähnt. Vorschläge von führenden Kommunisten wie Domenico Losurdo und Luciano Canfora zur Herstellung der Einheit der Kommunisten werden ignoriert.


Projekt des Sozialismus des 21. Jahrhundert verschwommen

Das Projekt eines "Sozialismus des XXI. Jahrhundert" bleibt, auch wenn dazu einmal Marx erwähnt, auf Gramsci Bezug genommen und der Klassenkampf betont wird, verschwommen und ohne ein Bekenntnis zur kommunistischen Identität. Die "sozialistischen Ideale" sollen "Freiheit und Gleichheit für alle Menschen" bringen. Da sollen also Ausbeuter und Ausgebeutete friedlich zusammenleben. Das Dokument ist auf heftige Kritik gestoßen. Sollte es so angenommen werden, droht die Strömung "Essere Comunisti", mit etwa 40 Prozent der Delegierten auf dem Kongress vertreten, mit ihrem Austritt aus der PRC. Das wäre eine weitere Spaltung der Kommunisten.

*

Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2013