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ITALIEN/132: Mailänder Messegesellschaft Nolostand von Mafia unterwandert (Gerhard Feldbauer)


Mailänder Messegesellschaft Nolostand von Mafia unterwandert

Anti-Mafia-Kommission warnt: Mafia legalisiert sich in Unternehmen, Behörden, Glückspiel und selbst Fußball

Von Gerhard Feldbauer, 8. Juli 2016


Berichte in den vergangenen Tagen über Erfolge im Kampf gegen die Mafia wecken in Italien gleichzeitig Besorgnisse, warum es trotzdem nicht gelingt, der Verbrecherorganisation das Handwerk zu legen. Im Gegenteil hat sich, wie La Repubblica berichtete. die Cosa nostra, wie die Mafia Siziliens heißt, auch in der Industriemetropole Mailand installiert und dort die für die Ausrichtung der Messen zuständige Gesellschaft Nolostand unterwandert. Wie durch eine Razzia der Finanzpolizei am Dienstag bekannt wurde, ereigneten sich Korruptionsfälle schon im vergangenen Jahr bei der Vergabe von Aufträgen für die Gestaltung der Weltausstellung Expo im Mai 2015. Allein für vier Ausstellungspavillons, darunter für Frankreich und Kuweit, flossen damals 20 Millionen Euro Bestechungsgelder. Die Kosten für nur einen beliefen sich, inclusive die für die Korumpierung, auf 50 Millionen Euro. Bei der Operation wurden elf Personen verhaftet, gegen weitere Ermittlungen eingeleitet, darunter gegen die bekannte Familie der Mafiosi von Pietrapersa. Sie werden zahlreicher Delikte beschuldigt, darunter der Geldwäsche und Steuerhinterziehung.

Bei einer am gleichen Tag im südlichen Catania durchgeführten Razzia wurden 35 Personen verhaftet. Sie gehören einem Clan von Santapaola an, der mit einer von Andrea Nizza geführten bekannten Mafia-Familie liiert ist. Während der Operation, an der 300 Carabinieri beteiligt waren, wurde der Ortsteil Librino am Stadtrand von Catania, der als ein "Supermarket" des Drogenhandels bekannt ist, systematisch durchkämmt. Die Verhafteten werden, wie die Nachrichtenagentur ANSA berichtete, der Bildung einer mafiosen Organisation für den Handel mit Waffen und Drogen seit mindesten 2014 angeklagt.

Obwohl fast täglich Erfolge im Kampf gegen die Mafia bekannt werden, ist die Verbrecherorganisation also noch lange nicht besiegt. La Repubblica gibt am Donnerstag eine Einschätzung der Vorsitzenden der Anti-Mafia-Kommission des Parlaments, Rosy Bindi, wieder, dass die verschiedenen Mafia-Organisationen seit langem dabei sind, sich "legal, halblegal und illegal" als Unternehmer zu installierten, in Behörden eindringen, Politiker für ihre Clans kaufen, als Sponsoren auftreten, in den Fußballclubs und den Glücksspielen Fuß fassen. Ein Beispiel dafür ist der in Rom derzeit vor Gericht stehende frühere Bürgermeister (von 2001-08) und mehrmalige Landwirtschaftsminister der Regierung von Berlusconi, Giovanni Alemanno von der faschistischen Alleanza Nazionale (heute Fratelli Italia), der der Mitgliedschaft im Clan "Mafia capitale" beschuldigt wird. Dieser Hauptstadtmafia gehörten neben zahlreichen Unternehmern Dutzende Politiker an, die für die Vergabe öffentlicher Aufträge Millionen Euro kassierten. Auch bei der Unterbringung von Flüchtlingen verdiente die Mafia mit. Die Polizei beschlagnahmte Güter im Wert von mehr als 200 Millionen Euro.

Im April dieses Jahres wurde in Syrakus der Mafia-Boss Carmelo Misseri verhaftet. Er hatte sich als Bauunternehmer legalisiert und trat obendrein als Kämpfer gegen die organisierte Kriminalität auf. Beamte deckten sein Vorgehen, er erhielt gegen Bestechungsgelder Aufträge der Straßenverwaltungsbehörden. In Palermo ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den "Antikorruptionsbeauftragten" des Unternehmerverbandes Confindustria, Antonello Montante, wegen Mafia-Mitgliedschaft. Innenminister Angelino Alfano, früherer Vize der faschistoiden Forza Italia (FI) von Ex-Premier Berlusconi, heute Chef der aus dieser hervorgegangenen neuen Partei Rechtes Zentrum (NCD), hatte ihn als Leiter einer Agentur nominiert, die konfiszierte Mafiavermögen verwalten sollte. Laut Repubblica vom Donnerstag wird die Familie des Innenministers inzwischen selbst beschuldigt, in Korruptionsaffären bei der Vergabe öffentlicher Ämter verwickelt zu sein. Seine früheren FI-Freunde fordern seinen Rücktritt, um eine Regierungskrise auszulösen und Premier Renzi zu stürzen.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juli 2016

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