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ITALIEN/165: Italiens Sozialdemokraten am Rande der Spaltung (Gerhard Feldbauer)


Italiens Sozialdemokraten am Rande der Spaltung

Linke gründeten Sinistra Italiana (SI)

von Gerhard Feldbauer, 22. Februar 2017


Auf einer Delegiertenkonferenz der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) am Wochenende in Rom ist die Krise der Regierungspartei offen zu Tage getreten und droht, wie La Repubblica, das Sprachrohr der PD warnt, zur Spaltung der bisher hinter Matteo Renzi stehenden Mehrheit der Führung und der Opposition aus linker und moderater Minderheit zu führen. Gleichzeitig wurde in Rimini eine neue Linkspartei Sinistra Italiana - SI (Italienische Linke) gegründet.

In der PD ging es um die Rolle Renzis, der beim Referendum zur Abschaffung des Senats als zweiter Parlamentskammer im Dezember eine Niederlage erlitt und als Premier zurücktrat. Es war eine Abfuhr für seine rechte und arbeiterfeindliche Politik. Nun ist er den Forderungen seiner Widersacher nachgekommen und auch als Partei-Chef zurückgetreten. Der Überraschungs-Coup wird, so in der linken Unitá, als ein Manöver gewertet, mit dem er seine Wiederwahl als Parteichef vorbereiten will, um anschließend als Spitzenkandidat zu Parlamentswahlen anzutreten. Er plädiert, diese vor Ende der Legislaturperiode im Februar 2018 auf Juni dieses Jahres, spätestens auf Herbst vorzuziehen.

Obwohl die Wahl eines Nationalsekretärs auf einem sofort einzuberufenden Parteitag erfolgen sollte, hat Renzi durchgesetzt, darüber in Primarie - Vorwahlen - am 7. Mai zu entscheiden. An ihnen können alle wahlberechtigten Italiener teilnehmen. 2013 hatten sich 67,8 Prozent der 2,5 Millionen Wähler für Renzi entschieden. Der setzt in Primarie auf Wähler der Mitte und von rechts. Das linke Fatto quotidiano schrieb am Dienstag das entspreche der von ihm verfolgten Umwandlung der PD in eine "Partei der Nation", auch "Partei für alle" genannt. Das Datum der Einberufung eines Parteitages ist noch offen. Auch ob es zu vorgezogenen Wahlen kommt.

Unter gleich drei Kandidaten, die gegen Renzi antreten sollen, wird lautLa Repubblica vom Dienstag, der derzeitige Justizminister, bisher eigentlich ein Parteigänger Renzis, Andrea Orlando, favorisiert. Er hat seine Karriere noch in der 1991 von den Revisionisten liquidierten IKP begonnen und schloss sich später den Linksdemokraten an, die sich 2007 mehrheitlich mit der katholischen Zentrumspartei Margherita zur heutigen PD zusammenschlossen. Er soll wohl die PD-Minderheit, vor allem die Linke, bei der Stange halten und eine Spaltung verhindern.

Auf der Konferenz forderten der frühere PD-Chef Luigi Bersani und der Führer des linken Flügels Gianni Cuperlo von der Nationalen Leitung, ebenfalls ein Ex-Kommunist, eine Rückkehr zur traditionellen Bündnispolitik der Linken Mitte. Während Bersani sich zurückhielt, kündigte Cuperlo an, anderenfalls die Partei zu verlassen, was zu stärkeren Mitgliederverlusten führen könnte. Dann sei, so La Repubblica, "Die Spaltung nicht mehr auszuschließen".

Den Grundstock der in Rimini gegründeten neuen SI bildet die bisherige Partei Linke und Umwelt (SEL), die sich vorher auflöste. Sie ging 2009 aus einer Abspaltung von der Rifondazione Comunista (PRC), Nachfolgepartei der IKP, hervor. 2013 erreichte sie auf einer Liste mit der PD 3,2 Prozent Stimmen und bringt damit 25 Abgeordnete und sieben Senatoren in die SI ein. Ferner beteiligten sich eine Gruppe der PRC und einige weitere Linke an der neuen SI. Der erwartete Beitritt von PD-Linken blieb aus, was ihr politisches Gewicht mindert. Bei möglichen vorgezogenen Parlamentsneuwahlen wird ihr in Umfragen dennoch mit 3,2 Prozent der Sprung über die Sperrklausel von drei Prozent und damit der Wiedereinzug ins Parlament zugetraut.

Fabio Mussi, bisher SEL, als Linksdemokrat Minister in der Mitte Links-Regierung von Romano Prodi 2006-2008, die noch die Kommunisten einschloss, verurteilte den Regierungskurs Renzis als "abenteuerlich und Hasardspiel" und forderte, die SI müsse sich wieder den vernachlässigten sozialen Fragen und der Verteidigung bzw. Wiedererringung beseitigter Arbeiterrechte zuwenden. Der gewählte SI-Sekretär, Nicola Fratoianni, aus der PRC kommend 2009 mit Vendola Gründer der SEL, betonte, die neue Linkspartei müsse "ein breites politisches Projekt" darstellen und linke Traditionen wieder herstellen. Sollte sich eine linke Linie in der PD durchsetzen, was eine Wiederwahl Renzis ausschließt, will die SI mit der PD zusammenarbeiten, was auch als Beteiligung an einer Mitte Links-Regierung interpretiert werden kann. Andernfalls soll es entschiedene Opposition geben.

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Februar 2017

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