Schattenblick → INFOPOOL → EUROPOOL → POLITIK


ITALIEN/228: Niederlage für Fünf Sterne-Partei bei Kommunalwahlen in Italien (Gerhard Feldbauer)


Niederlage für Fünf Sterne-Partei bei Kommunalwahlen in Italien

Aufschwung für Mitte Links, gleichzeitig wachsende Zustimmung für rassistische Lega

Lega-Innenminister Salvini verbot Flüchtlingsschiff Anlandung in italienischen Häfen

von Gerhard Feldbauer, 12. Juni 2018


Bei den Wahlen der Kommunalparlamente und der Bürgermeister am Sonntag in Italien erlitt die Fünf Sterne Bewegung (M5S) eine eklatante Niederlage. Besonders schwer wiegen die Schlappen in Rom, das von der M5S-Bürgermeisterin Virginia Raggi regiert wird. Dort brachte der aus der Linkspartei SEL kommende Leiter sozialer Zentren Amadeo Ciaccheri als Kandidat eines breiten Mitte Links-Bündnisses in der Gemeinde Garbatella im Südosten bereits im ersten Wahlgang mit 53,92 Prozent die Sterne zum Erlöschen. In der Gemeinde Bufalotta im Nordosten geht Mitte Links mit 34 Prozent ins Ballottaggio (Stichwahl) am 24. Juni. Auch auf Sizilien, wo M5S bei den Parlamentswahlen am 4. März in den meisten Wahlbezirken an erster Stelle lag, kam sie meist noch nicht einmal in die Stichwahl. Mitte Links-Koalitionen mit der PD schlugen M5S und faschistisch-rassistische Bündnisse der Lega, von Berlusconis Forza Italia und den Fratelli (Brüdern) Italiens, die nach den Zerwürfnissen bei der Bildung der M5S-Lega-Regierung wieder entstanden waren, u. a. im Lazium. Auch in der knapp 200.000 Einwohner zählenden Provinzhauptstadt Brescia wurde der gegen den Bewerber der FI antretende Mitte Links-Kandidat von der PD mit 53 Prozent bereits im ersten Wahlgang zum Bürgermeister gewählt. Es gelang von der Lega angeführten faschistisch-rassistischen Koalitionen jedoch andernorts ihre Positionen zu behaupten und auszubauen, so in Vitterbo, Terni, Brindisi und weiteren Städten.

Die Kommunalwahlen fanden in 760 Städten bzw. Gemeinden von 20 Provinzen statt. Zu dem Urnengang waren 6,7 Millionen Wähler, etwa 15 Prozent der Wahlberechtigten des Landes, aufgerufen, darunter in 109 Städten mit mehr als 15.000 Einwohnern. In der 4000 Einwohner zählenden Gemeinde von San Luca am Rande Reggio Calabrias ist die Wahl des Bürgermeisters wegen Mafia-Infiltration der Verwaltung ausgesetzt. Dort, wie in weiteren acht Gemeinden, wo keine Listen zustande kamen, wird ein Kommissar die Amtsgeschäfte übernehmen. Nachdem eine Woche vorher die Sieger bei den Parlamentswahlen am 4. März, die rechte M5S und die rassistische Lega, die Regierung gebildet haben, galten die Wahlen als Test-Reaktion der Wähler. Die Niederlage der Fünf Sterne, die einst als Protestpartei gegen den Rechtsextremismus unter dem faschistischen Ex-Premier Berlusconi antrat, nach den Wahlen am 4. März zum Regierungspartner der Rassistenlega mutierte, wird auf die Abkehr eines Teils ihrer enttäuschten Wähler gesehen. Fortschritte für Mitte Links mit der PD führte der Gewinner in Rom, Amadeo Ciaccheri, darauf zurück, dass es gelang, gegen M5S und die Rechte "eine breite, für einen Wechsel offene plurale und progressive Koalition zu bilden". Diesem politischen Projekt hätten die Bürger von Gabaletta ihr Vertrauen gegeben. Den Hintergrund der Abstimmung in Rom bildete auch eine gay-pride Demonstration mit über 10.000 Teilnehmern, die gegen die Ankündigung von Familienminister Lorenzo Fontana protestierten, von der Förderung von Familien bei Neugeburten würden gleichgeschlechtliche Familien ausgeschlossen. Ein entsprechendes Gleichstellungsgesetz war unter der Regierung Matteo Renzi (PD) 2016 beschlossenen worden. Fontana hatte dagegen erklärt, "eine natürliche Familie" sei nur, wo "ein Kind eine Mutter und einen Vater hat". Die Wahlen fanden vor einer offenen Demonstration der Durchsetzung des rassistischen Kurses des Innenministers der Conti-Regierung, Lega-Chef Salvini statt, der angekündigt hatte, eine halbe Million angeblich illegal in Italien lebende Migranten abzuschieben und keine Flüchtlinge mehr ins Land zu lassen. Am Abend vor den Wahlen machte er ernst und verbot einem Schiff mit 629 Flüchtlingen die Landung in Italien. Es handelte sich um das seit 2016 im Einsatz befindliche Rettungsschiff "Aquarius", das an den EU-Außengrenzen in internationalen Gewässern zwischen Libyen und Italien Flüchtlinge in Lebensgefahr aufnimmt. Es hat in diesen mehr als 2 Jahren rund 30.000 Menschen im Mittelmeer das Leben gerettet. Bei der jetzigen Rettungsaktion waren zwei Schlauchboote kurz davor, auseinanderzubrechen. Unter den Flüchtlingen befanden sich laut Pressemitteilungen 123 unbegleitete Minderjährige, elf kleine Kinder sowie sieben schwangere Frauen. Die Mehrzahl der Geretteten kam aus Sudan, Nigeria und Eritrea. Bisher wurden die Einsätze der Aquarius von der Seenotrettungsleitstelle in Rom, dem Maritime Rescue Coordination Centre, koordiniert und dem Schiff ein Hafen zugewiesen, was Innenminister Salvini jetzt verbot. Zu den zahlreichen Proteststimmen gehörte auch die des Bürgermeisters von Palermo, Leoluca Orlando.

Inzwischen hat die spanische Regierung der Aquarius erlaubt, den Hafen von Valencia anzulaufen, um die Flüchtlinge aufzunehmen.

*

Quelle:
© 2018 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang