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ITALIEN/261: Neue "supergeheime Freimaurerloge" auf Sizilien aufgedeckt (Gerhard Feldbauer)


Neue "supergeheime Freimaurerloge" auf Sizilien aufgedeckt

An der Spitze stehen Leute aus Berlusconis Forza Italia

von Gerhard Feldbauer, 22. März 2019


In der Kleinstadt Castelvetrano auf Sizilien hat die Staatsanwaltschaft in einer Operation "Arte Misia" zusammen mit einer Spezialeinheit der Carabinieri vergangenen Mittwoch eine "neue geheime Superfreimaurerloge" aufgedeckt, berichtete die römische La Repubblica. An der Spitze stehen, wie auch das führende Wirtschaftsblatt Il Sole 24 Ore und andere Medien schrieben, Leute aus der faschistischen Forza Italia (FI) des mehrmaligen Ex-Premiers Silvio Berlusconi. Der war, wie Beobachter sich erinnern, in den 90er Jahren neben dem Chef der Putschloge Propaganda Due (P2), dem alten Mussolini-Faschisten Licio Gelli, mit Mitgliedsbuch 1816 Vize dieser Freimaurerloge, aus der seine FI hervorging, mit der er 1994 die erste Governo nero (schwarze Regierung), wie das linke Manifesto damals (am 15. Mai 1994) meldete, bildete. In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Fälle bekannt, die 1981 aufgedeckte P2 wiederzubeleben. Letzter Vorfall waren im Herbst 2016 Ermittlungen der römischen Staatsanwaltschaft gegen den engen Vertrauten Berlusconis, Senator Denis Verdini, der beschuldigt wurde, eine Propaganda Tre (P3) zu formieren.

Unter den jetzt verhafteten 27 Personen befinden sich zwei frühere Abgeordnete des Regionalparlaments, der Logenchef Giovanni Lo Sciuto und Francesco Cascio sowie der frühere Bürgermeister von Castelvetrano Felice Errante, alle von der FI. Der führende Logenmann, der aus Castelvetrano stammende, als Chef der Cosa Nostra, der sizilianischen Mafia, bekannte Matteo Messina Denaro, entkam der Verhaftung. Gegen weitere zehn verdächtige Politiker und Wirtschaftsmanager wird ermittelt. Die neue P2 war laut 24 Ore in die öffentlichen Verwaltungen, in Justiz und Bildung eingedrungen, nahm Einfluss auf die regionale Politik wie die der Gemeinden, korrumpierte Mitarbeiter, beeinflusste Wähler.

Zuletzt waren im November 2017 bei den Regionalwahlen auf Sizilien, bei denen der Kandidat Berlusconis, Nello Musemeci, gewann und Regierungschef wurde, Verdächtigungen vom Stimmenkauf durch die Mafia laut geworden. In frappierender Weise wird damit jetzt, wenn auch vorerst auf Sizilien, aber mit Signalwirkung, darunter auf Basilicata, wo diesen Sonntag Regionalwahlen stattfinden, das Strickmuster der alten P2 nachgeahmt. Diese hatte in ihren Reihen Großindustrielle, Bankiers und Leute der Hochfinanz, Universitätsprofessoren, Militärs, Journalisten und - wie auch jetzt am Beispiel Denaros deutlich wird - zahlreiche Chefs der Mafia versammelt, um jeden linken (damals vor allem kommunistischen) Einfluss auszuschalten.

Im Mittelpunkt der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft steht, dass die Beschuldigten mit der neuen Freimaurerloge eine kriminelle Vereinigung formierten und damit gegen das Legge (Gesetz) Anselmi verstießen. Es ist nach der Vorsitzenden der Parlamentskommission zur Untersuchung der P2, Tina Anselmi, benannt, die 1982 deren Auflösung durchsetzte, was in der Aktualisierung des Artikels 18 der Verfassung verankert wurde. Der besagt, dass Versuche einer Wieder- bzw. Neugründung verfassungswidrig sind. Dabei ist der Kontext der historischen und aktuellen Aspekte zu sehen. Ging es damals um die Zurückdrängung des Einflusses der Kommunisten, soll heute schon ein mögliches Wiedererstarken der reformistischen Demokratischen Partei (PD) unter ihrem neuen Sekretär Nicola Zingaretti gestoppt werden. Denn damit, wie La Repubblica vermerkte, kehre die italienische Politik zum Bipolarismus von links und rechts zurück. In der PD wird unter Zingaretti nicht ausgeschlossen, dass die rechte Fünf-Sterne-Partei (M5S) mit der Lega bricht und sich eine Mehrheit zu einer Regierung mit ihr bereit findet. Das will Berlusconi verhindern, der einen sofortigen Bruch der Lega Salvinis mit M5S fordert, um eine faschistische Regierung aus seiner FI, der Lega und der Fratelli (Brüder) Italiens Giorgia Melonis zu bilden. Und er hat auch noch nicht aufgegeben, Salvini von der Führung zu verdrängen und mit Hilfe der Meloni selbst noch einmal Premier zu werden.

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Quelle:
© 2019 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2019

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