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ITALIEN/274: Contes Rücktritt beendet Regierung der faschistischen Lega und der Fünf-Sterne-Partei (Gerhard Feldbauer)


Italiens Premier Conte beendete mit Rücktritt Regierung der faschistischen Lega mit Fünf-Sterne-Partei

Staatspräsident Mattarella sondiert Bildung neuer Regierung

von Gerhard Feldbauer, 22. August 2019


Premier Giuseppe Conte hat am Dienstag bei Staatspräsident Sergio Mattarella seinen Rücktritt eingereicht. Damit ist die im Juni 2018 von der faschistischen Lega mit der rechten Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) mit dem parteilosen Wirtschaftsprofessor an der Spitze gebildete Regierung beendet. Die seit Monaten schwelende Krise hatte Lega-Chef, Vizepremier und Innenminister Matteo Salvini vor zwei Wochen mit einem Mißtrauensvotum gegen Conte im Senat offen ausgelöst. Anlass war, dass seine Lega bei den EU-Wahlen im Mai dieses Jahres ihre Stimmen von 17 Prozent bei den Parlamentswahlen im März 2018 auf 34 Prozent steigern konnte, während M5S von damals 34 auf 17,4 absackte. Seitdem suchte er, die Regierung mit der Sterne-Partei zu beenden, um in Neuwahlen die Lega zur ersten Partei zu machen und selbst Regierungschef zu werden. Als ihm im Juli Wählerumfragen gar 37 Prozent voraussagten, sah er die Gelegenheit gekommen. Dabei maßte er sich ständig an, dem Parlament, dem Regierungschef und selbst dem Staatspräsidenten das Vorgehen vorzuschreiben. So forderte er vom Senat, über den Mißtrauensantrag bereits am 14. August abzustimmen, um danach sofort Neuwahlen auszuschreiben, für die er bereits als Termin den 13. Oktober nannte. Im Senat war das mit den Stimmen von M5S, der Demokratischen Partei (PD) und der Linkspartei LeU abgelehnt worden.

Wie die Nachrichtenagentur ANSA berichtete, hatte Conte zuvor im Senat den Lega-Chef für das Scheitern der Regierung verantwortlich gemacht. "Diese Krise greift in einen heiklen Moment des Dialogs mit den EU-Institutionen ein" und setzt das Land in einer schwierigen Wirtschaftsphase "schweren Risiken" aus. Salvinis Handeln sei "verantwortungslos", von "persönlichen und parteipolitischen Interessen" gekennzeichnet. Vordergründig scharf in der Form war Contes Rede jedoch mäßig im Ton, wenn er von "den Freunden der Lega" sprach, Salvini duzte und "lieber Matteo" nannte. Zwar warf er seinem Vize "einen gravierenden Mangel an Verfassungskultur" vor, vermied aber aufzuzeigen, dass Inhalt dieses "Mangels" dessen offen faschistisch-rassistischer und Migrantenfeindlicher Kurs war, mit dem sich der Lega-Chef immer wieder auf das Erbe Mussolinis berief und selbst dessen Verbrechen verherrlichte.

Conte vergaß ebenso einzugestehen, dass er selbst monatelang diesem Treiben nicht nur tatenlos zusah und Dekrete wie das in Teilen verfassungswidrige Sicherheitsdekret selbst mit durchbrachte. Das verschweigen auch die Medien, ausgenommen der römische Messagero, der am Mittwoch schreibt, "Conte habe das sehr spät erkannt" und die Benennung "der fehlenden Verantwortlichkeit aller Beteiligten" einschließlich der "Unfähigkeit" von M5S, einen versprochenen "Wechsel herbeizuführen", anmerkt.

Der Staatschef hat Conte gebeten, die Amtsgeschäfte vorläufig weiterzuführen, bis er zunächst einen neuen Regierungschef beruft. Bereits am Mittwoch wird er mit Ex-Staatschef Giorgio Napolitano, der Senatspräsidentin Maria Elisabetta Casellati und Parlamentspräsident Roberto Fico Gespräche führen. Danach konsultiert er die Chefs der im Parlament vertretenen Parteien. Dafür sind zwei Tage angesetzt.

Wie bekannt, will Mattarella Neuwahlen ausschließen und würde gern eine Regierung von M5S mit der derzeit in Opposition befindlichen PD (mit einer sozialdemokratischen Basis) ins Amt bringen, zu der die Linkspartei LeU stoßen könnte. In dieser Haltung dürfte ihn Salvini bestärkt haben, der mit der Aussage "Ich würde wieder alles tun, was ich getan habe", seinen Kurs auf ein faschistoides Regime bekräftigte.

Die seit den Wahlen im März 2018 verfeindeten PD und M5S haben Bereitschaft signalisiert, wenn ein Regierungsvertrag für eine Koalition zustande kommt, eine Regierung zu bilden, die bis zum Ende der Legislaturperiode 2023 halten sollte. Die PD-nahe La Repubblica schreibt am Mittwoch, die Partei stehe bereit, "in die Regierung zurückzukehren". Um PD und M5S Zeit dafür zu geben, könnte der Staatschef vorerst ein Übergangskabinett einsetzen. Dafür könnte auch Conte in Frage kommen.

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Quelle:
© 2019 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2019

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