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ITALIEN/282: Schwarzer Samstag in Rom - Salvini trommelt für faschistische Allianz zum Sturz der Regierung (Gerhard Feldbauer)


Schwarzer Samstag in Rom

Lega-Chef Salvini trommelt für faschistische Allianz zum Sturz der Regierung der Fünf Sterne-Partei mit Sozialdemokraten

von Gerhard Feldbauer, 20. Oktober 2019


Rom erlebte einen Schwarzen Samstag. Zehntausende Faschisten rotteten sich auf der Piazza Sant Giovanni in Laterano zusammen, um die Regierung der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) mit den Sozialdemokraten (Demokratische Partei - PD) unter dem parteilosen Premier Giuseppe Conte zu stürzen. Aufgerufen hatte der Chef der faschistischen Lega Matteo Salvini, Teilnehmer waren die Forza Italia (FI) von Ex-Premier Berlusconi und die Brüder Italiens (FdI) von Georgia Meloni, mit denen der Lega-Führer in einer Allianz zu Neuwahlen antreten will. Als erste trafen um 13 Uhr auf dem Platz unter der päpstlichen Basilika die als Sturmtrupps der Lega bekannten Faschisten der Casa Pound ein.

Als Salvini noch Innenminister war, verjagten sie mit Drohungen wie "wir werden euch verbrennen und töten" Sinti und Roma aus ihren Unterkünften. Jetzt grölten sie, "wir werden die Regierung davonjagen". Plakate verkündeten "Niemals Sozialdemokraten", "niemals Fünf Sterne". Sprechchöre forderten "Wahlen, Wahlen" und beschimpften Premier Conte als "Hanswurst". Zur Verhinderung von Zusammenstößen mit Protestierenden hatten Polizei und Sicherheitskräfte den Platz mit einem großen Aufgebot abgesichert. Während Salvini behauptete, es seien aus ganz Italien 200.000 Menschen gekommen, waren es laut ANSA nach Polizei-Angaben etwa 50.000.

Seit den Parlamentswahlen im März 2018, nach denen eine Regierung aus Lega, FI und FdI nicht zustande gekommen war und Salvini stattdessen eine Regierung mit M5S gebildet hatte, war die faschistische Drei-Parteien-Allianz uneins und zerstritten, nicht zuletzt, weil Salvini an Stelle Berlusconis ihre Führung beansprucht und faktisch auch innehat. Im Stile Mussolinis sprach er die Versammelten mit "tapfere Italiener" an und fügte hinzu, "wir sind stolz, Italiener zu sein", "wir werden an die Regierung zurückkehren". Was Italiener schaffen, solle auch Italienern gehören. Er bestand weiter auf Neuwahlen, bei denen seine Lega laut Umfragen mit 34 Prozent stärkste Partei werden könnte, aber dennoch Verbündete bräuchte. "Um zu siegen, müssen wie alle zusammenstehen", betonte er denn. FdI-Chefin Meloni erinnerte daran, dass die Piazza St. Giovanni einst Versammlungsort der "Roten" war. Damit sei Schluss, er gehört jetzt "uns".

Die faschistischen Attacken richteten sich gegen eine Regierung, die nach eineinhalb Monaten Amtszeit bereits selbst zerstritten ist. M5S-Führer Luigi Di Maio ist gegen die von PD-Chef Zingaretti verfolgte linke Ausrichtung der Regierung und liebäugelt mit dem früheren PD- und Regierungschef Matteo Renzi, der die Partei verlassen hat und mit seinen Anhängern dabei ist, eine neue Partei "Viva Italia (Lebendiges Italien) zu gründen, die er nach rechts offen halten will. Wenn man sich erinnert, dass Renzi als Premier und PD-Chef schon einmal eng mit Berlusconi kollaborierte und mit ihm sogar eine Regierung bilden wollte, fällt auf, dass in der FI die frühere Ministerin Berlusconis, Maria Carfagna, die den sogenannten "gemäßigten" Flügel der Partei anführt, den Ball offensichtlich auffängt. Sie wandte sich gegen die Teilnahme der Casa Pound an der Kundgebung. Das widerspreche "liberalen, moderaten und reformistischen" Grundsätzen, an denen die FI anknüpfen solle, zitiert sie der Mailänder Corriere della Sera. Berlusconi verteidigte deren Teilnahme, hatte aber wohl durchgesetzt, dass diese nicht - wie sonst üblich - unter Mussolini-Bildern mit "Führergruß" und keltischen Kreuzen aufmarschierte.

Fatto Quotidiano schreibt am Sonntag, Premier Conte appelliere, "in der Mannschaft müssen alle zusammenspielen". Die der PD nahestehende römische La Repubblica warnt, M5S stehe "am Scheideweg". In der Regierung mit der Lega habe sie sich untergeordnet, während sie jetzt "rebelliere". Der Corriere deutete an, Parteigründer Giuseppe Grillo stelle sich wohl auch auf Neuwahlen ein, und wolle dafür Punkte sammeln.

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Quelle:
© 2019 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2019

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