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GRASWURZELREVOLUTION/1248: Welchen Weg will die Online-Zeitschrift "Gai Dào" anders gehen?


graswurzelrevolution 367, März 2012
für eine gewaltfreie, herrschaftslose gesellschaft

Welchen Weg will Gai Dào anders gehen?

Im Februar 2012 erschien die 14. Ausgabe der Online-Zeitschrift Gai Dào. Ein Interview


Seit Januar 2011 gibt es die Internet-Zeitung Gai Dào. Mit deren Redakteur Rudolf Mühland sprach KP Flügel.


GRASWURZELREVOLUTION: Rudolf, Du bist Mitarbeiter in der Gai Dào-Redaktion. Warum habt ihr euch für diesen chinesischen Namen entschieden? Wer nicht weiß, dass es sich um die Zeitung der anarchistischen Föderation handelt, könnte denken, es ginge um Tai Chi oder Qigong?

RUDOLF MÜHLAND: Der Name ist eine Reminiszenz an die Science-Fiction Western US-Fernsehserie "Firefly". Sie spielt im 26. Jahrhundert und chinesisch ist eine der beiden "offiziellen Menschensprachen". Wir wollten einen Namen haben, der uns aus dem deutschsprachigen anarchistischen Blätterwald heraushebt.

GRASWURZELREVOLUTION: Diesen Ansatz finde ich sympathisch. Der Anspruch klingt ambitioniert. Die Aufmachung ist erfrischend anders als übliche "konservativ"-anarchistische Layouts. Aber wie wollt ihr euch inhaltlich von der Graswurzelrevolution und der Direkten Aktion (DA) abgrenzen? Was ist deine Kritik, an den genannten Zeitungen?

RUDOLF MÜHLAND: Es geht weniger um eine "Kritik an", als mehr darum, dass das Forum deutschsprachiger AnarchistInnen ein eigenes Organ haben will. Inhaltlich wollen wir uns nicht abgrenzen, sondern eher ergänzen. In der Gai Dào finden sich Texte, die sich so aus verschiedenen Gründen sicher nicht in der GWR oder der DA finden Würden. So gab es in beiden Zeitungen z.B. noch nichts, das sich mit unserer "Faschismus-Reihe" oder dem Theorieartikel "Urteile und Vorurteile über den (aktuellen) Anarcho-Syndikalismus" vergleichen ließe. Außerdem haben wir den Anspruch, allen anarchistischen Gruppen Raum zur Selbstvorstellung zu geben und die anarchistischen Bewegungen, die in anderen Staaten aktiv sind, hier vorzustellen. Uns geht es darum, die Vielfalt und Aktualität der Bewegung darzustellen.

In einem Punkt sind uns beide Zeitungen auch Vorbild: Ähnlich wie diese beiden versuchen wir über das, was man "Szene-Ghetto" nennt, hinaus auch noch andere Menschen zu erreichen. Ob uns das bisher gelungen ist, können wir kaum abschätzen.

GRASWURZELREVOLUTION: Da würde ich gerne nachhaken. Gerade die Veröffentlichung von Selbstdarstellungen führt doch dazu, dass engagierte, informierte LeserInnen das zu lesen bekommen, was schon bekannt ist. Außerdem wäre es doch spannender, sich mal mit Theorie und Praxis der Organisationen und Zusammenhänge kritisch auseinander zu setzen, oder?

RUDOLF MÜHLAND: Nun, es ist erstaunlich, wie viel auch die engagiert-informierte Leserschaft oft nicht weiß. Das schließt eine kritische Auseinandersetzung am Ende nicht aus. Ausbaufähige Ansätze dazu haben wir ja auch schon. Ich erwähne hier nur mal die "solidarische anarchokommunistische Kritik am Anarcho-Syndikalismus" (9/2011) und die Antwort von Torsten Bewernitz.

GRASWURZELREVOLUTION: Das würde ich mir wünschen, dass mehr Debatten geführt werden und nicht nur im eigenen Saft geschmort wird. Im Editorial der Februar-Ausgabe habe ich gelesen, dass ihr einiges vorhabt. Bisher erschien Gai Dào als herunterladbares PDF. Das wollt ihr ändern. Magst Du uns verraten, was eure Pläne sind?

RUDOLF MÜHLAND: Mehr Debatten wünschen wir uns auch. Konkret geht es um zwei "Projekte" - zum einen wollen wir versuchen, das Magazin zu drucken und zu vertreiben.

Das zweite Projekt ist eine Broschürenreihe. So wollen wir die Faschismusserie in drei Broschüren veröffentlichen, eine "Syndikalismus-Broschüre" und ggf. noch weitere Broschüren, die auf unseren Artikelserien basieren werden. Die Faschismus-Broschüren sollen ab März zu beziehen sein.

GRASWURZELREVOLUTION: Ihr versteht euch als Organ der anarchistischen Föderation. Welches waren eure Vorstellungen, wie hat sich Gai Dào im ersten Jahr entwickelt?

RUDOLF MÜHLAND: Angefangen hat alles damit, dass ein Mitglied in der internen Kommunikation das Projekt vorgeschlagen hat. Da es keinen Einspruch gab, hat es dann die erste Nummer angefangen. Auch die zweite ist noch von ihm alleine gestemmt worden. Ab der dritten sind dann auch andere Mitglieder eingesteigen. Und engagierte AnarchistInnen, die nicht Mitglied in der Föderation sind, haben ebenfalls angefangen Arbeiten zu übernehmen.

GRASWURZELREVOLUTION: Du stellst das jetzt positiv dar, aber letztendlich ist es doch eher ernüchternd, oder?

RUDOLF MÜHLAND: Das Projekt war von Anfang an darauf angelegt, ein regelmäßig erscheinendes Monatsmagazin zu produzieren. Die Entscheidung erst mal nur als PDF zu erscheinen, war den ökonomischen und verwaltungstechnischen Umständen geschuldet. Dabei bestand die Hoffnung, dass die Menschen das Magazin vor Ort ausdrucken und verteilen. Auf meinen Vortragsreisen durch die Republik habe ich diese Hoffnung auch bestätigt gesehen.

Dass es uns nach einem Jahr immer noch gibt, spricht meiner Meinung nach für eine positive Entwicklung.


Interview: KP Flügel


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Quelle:
graswurzelrevolution, 41. Jahrgang, Nr. 367, März 2012, S. 18
Herausgeber: Verlag Graswurzelrevolution e.V.
Koordinationsredaktion Graswurzelrevolution:
Breul 43, D-48143 Münster
Tel.: 0251/482 90-57, Fax: 0251/482 90-32
E-Mail: redaktion@graswurzel.net
Internet: www.graswurzel.net

Die "graswurzelrevolution" erscheint monatlich mit
einer Sommerpause im Juli/August.
Der Preis für eine GWR-Einzelausgabe beträgt 3 Euro.
Ein GWR-Jahresabo kostet 30 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. März 2012