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GRASWURZELREVOLUTION/1566: Tonga Frauen auf dem Weg zur eigenen Medienproduktion


graswurzelrevolution 409, Mai 2016
für eine gewaltfreie, herrschaftslose gesellschaft

Tonga Frauen auf dem Weg zur eigene Medienproduktion

Von Claudia Wegener / Radio Continental Drift


Ich schreibe diese Zeilen im langen Transit von Hamm in Westfalen über Harare und Bulawayo nach Binga, im Nord-Westen Simbabwes. In Binga werde ich mich in das Team der Frauenorganisation Zubo Trust einreihen, um ein Podcast- und Radioprojekt der Frauen zu begleiten und zu unterstützen. Heute, nur ein kurzer Überblick über Land, Leute und Projekt: im Laufe der nächsten Monate werden wir mehr berichten.

Noch unter den britischen Kolonialherren des damaligen Nord- und Südrhodesiens wurden die BaTonga von ihrem fruchtbaren Land am Sambezi vertrieben, mussten sich in den trockenen Hochlagen des Tales zu beiden Seiten des Flusses ansiedeln. Ihr Land und die Gräber der Ahnen liegen seit 1958 auf dem Grund des Kariba-Stausees.

Wasser und Elektrizität von Kariba brachten dem heutigen Simbabwe und Sambia industriellen Aufschwung. Welche Opfer und Verluste der Fortschritt den BaTonga abverlangte, daran erinnert sich kaum jemand. (1)

"The water will follow you" war den Tonga bei der Zwangsumsiedlung versprochen worden. Aber auch nach der Unabhängigkeit fließen Wasser und Elektrizität am Großteil der indigenen Bevölkerung des Sambesitales vorbei. Die Flussauen hatten den Tonga zwei Ernten im Jahr ermöglicht. Der karge Boden in den Hochlagen kann die Bevölkerung nicht ernähren. Die Tonga sind nun von Lebensmittellieferungen und sogar Spenden abhängig, da zudem die Dürreperioden unter dem Einfluss des Klimawandels häufiger und länger werden.

Der Kariba-Stausee hat das Volk der Tonga, Familien, Kultur, Tradition und Geschichte geteilt und gewachsene gesellschaftliche Strukturen zerrüttet; die einen sind nun Staatsbürger Sambias, die anderen Simbabwes. In Simbabwe sind die BaTonga eine marginalisierte Minderheit. Junge Leute, die aus dem Flusstal in die Städte gehen, ziehen es vor, ihre Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tonga zu verschweigen, werden vielleicht sogar einen anderen Namen annehmen.

Seit fünf Jahren unterstützt die Frauenorganisation "Zubo" (2) mehr als 20 Frauengruppen in den Dörfern rund um die Kleinstadt Binga. Viele Frauen haben mit Hilfe von Zubo begonnen, sich eine Existenz aufzubauen. Sie flechten z.B. Körbe oder arbeiten im Fischfang, trocknen und verkaufen den Fisch. Zubo hilft bei der Selbstorganisation der Gruppen, in der Weiterbildung der Frauen, der Produkt- und Produktionsentwicklung und vor allem auch bei der Vermarktung. So gibt es seit kurzem auch eine Frauengruppe für die Produktion von Baobabsaft und eine andere, die Seife aus Jatropha-Öl herstellt und verkauft. (3)

Zubo hat Erfolg mit seiner Arbeit und erntet Anerkennung. Aber fehlende Kompetenz in zeitgenössischen Medien macht sich nun als Lücke bemerkbar, wo es gilt, all die gute Arbeit vor Ort auch wirkungsvoll an die Öffentlichkeit zu tragen. Die mediale Selbstdarstellung der Gruppen soll nun auch kollektiv unter den Frauen selbst entwickelt werden. Dies ist Zubo wichtig, dient der Weiterbildung und dem Selbstbewusstsein der Frauen. Zudem ist es sinnvoll, um die Fortschritte der Selbsthilfegruppen vor Ort authentisch zu dokumentieren und so potentiellen GeberInnen und KundInnen nahe zu bringen.

Als Gast der älteren "Schwesterorganisation" Basilwizi Trust kam ich 2012 nach Binga, machte über zwei Wochen viele Tonaufnahmen, vor allem mit Frauen. Die Aufnahmen stehen im Internet zum freien Download zur Verfügung. (4)

"If you want to go fast, go alone, if you want to go far, walk together", geht ein weit verbreitetes Sprichwort im Südlichen Afrika.

Seit drei Jahren ist das Thema "Medientraining" für die Zubo-Frauen ein Teil meiner Korrespondenz mit der Leiterin der Organisation, Rosemary Cumanzala. Das Podcast-Projekt ist seit einem Jahr in intensiver Vorbereitung. Kürzlich erlaubte uns eine Unterstützung der Solidaritätsfonds der Böckler-Stiftung den Ankauf einiger Aufnahmegeräte, nebst Zubehör und einem Laptop. "Tools of audio empowerment" (Werkzeuge unabhängiger, eigener Medienproduktion) machten gut die Hälfte meines Reisegepäcks aus. In dem geplanten Podcastprojekt geht es darum, dass die Frauen lernen, ihre Arbeit, Leben und Kultur in Binga zu dokumentieren, und letztlich dann auch in der Lage sein werden, ihre lokalen Erzeugnisse wie Körbe, Kunsthandwerk, getrockneten Fisch, Seife oder Baobabsaft erfolgreich zu vermarkten.

Die Reise einiger hundert Zubo-Frauen zur eigenen Dokumentationsarbeit wird ohne Zweifel länger als zwei Wochen dauern und uns alle weiter bringen, als wenn nur ich das Mikrophon in der Hand hielte. Ich werde diese Reise als "Multimedia-Voluntärin" bis zum Ende des Jahres begleiten. Für den unmittelbaren Projektbeginn konnten wir, dank vieler freundlicher Geber, schon etwa 1000 Euro sammeln. Die finanziellen Mittel ermöglichen es uns, am Projekt teilnehmende Frauen für ihren Beitrag, ihre Leitung einer dörflichen Dokumentationsgruppe oder auch eine Übersetzungsarbeit zumindest etwas zu entlohnen. Für den langen Weg bis zu eigenen audio-visuellen Beiträgen werden wir wohl dreimal so viel benötigen.

Wenn Sie die Zubo-Frauen auf ihrem Weg zu eigener Medienproduktion unterstützen möchten, so finden Sie unten mehrere Möglichkeiten, dies zu um. Ein herzliches Danke-Schön - Twalumba! (in ChiTonga) - rufen wir von hieraus allen GeberInnen zu.

Und hier noch ein Hinweis auf "klingende Zuwendungen" kreativer Art:

In Solidarität mit den Frauen in Binga sind 19 internationale KünstlerInnen meiner Einladung gefolgt, die Tonaufnahmen aus Binga von 2012 musikalisch zu bearbeiten und zum freien Download zur Verfügung zu stellen. (5)

Crystal DJ Kwe Favel, die zur indigenen Bevölkerung in British Columbia, Canada gehört, hat gleich eine ganze Serie von Musikstücken geschaffen. Ihr Album mit 16 Musikstücken ist den "Stimmen aus Binga" gewidmet und der Erfahrung der Einheit und Zusammengehörigkeit indigener Völker. Der Erlös aus dem Verkauf wird je zur Hälfe an Zubo Trust und das Podcast-Projekt mit den Frauen in Binga fließen. (6)


Kontakt: long_walk_abridged@yahoo.co.uk
http://radiocontinentaldrift.wordpress.com/
Wenn Sie für Zubos Frauen spenden möchten, dann können Sie dies auf folgendem Wege tun:
Empfänger: Claudia Wegener; IBAN: DE41 1001 0010 0832 5121 11; BIC: PBNKDEFF; Postbank; Stichwort: Radio Zubo (Projektbericht; ohne Spendenbescheinigung); oder: Empfänger: Welthaus Bielefeld e.V.; lBAN DE91 4805 0161 0000 0908 94; BIC: SPBIDE-3BXXX; Sparkasse Bielefeld; Stichwort: Radio Zubo (mit Spendenbescheinigung)


Anmerkungen:

(1) Die Webseiten der angesprochenen Organisationen und ihrer Partner enthalten lesenswerte Informationen und Dokumente; u.a. auch eine Sammlung von Interviews über die Folgen und Nachwirkungen der Zwangsumsiedlung, "Our Gods never helped us again...", erschienen bei Panos Southern Africa 2005. PDF zum download:
www.kunzwana.net/content/focus-tonga-ngoma-buntibe-music
Siehe auch, zubo.org; basilwizi.org; mulonga.net; servus.at/argezim

(2) "Zubo" bedeutet "Fischkorb" in ChiTonga. Mehr zu dem Thema erzählt ein Podcast der Yes Afrika Vereinsfrauen aus Hamm, in dem auch Zubos Leiterin Rosamary Cumanzala und ihre Kollegin Abbigal Muleya selbst über das Projekt zu Wort kommen.
https://soundcloud.com/yes-afrika-radio/yes-afrika-womens-forum-podcast-5

(3) Das Welthaus Bielefeld unterstützt Zubo Trust seit einigen Jahren. Im letzten Jahr wurde ein Schuppen für die Seifenproduktion mit den Spenden gebaut.
www.welthaus.de/auslandsprojekte/zimbabwe/unsere-projekte/

(4) Suche "Voices of Binga" im Internet Archive, archive.org; oder über den Blog, "The Women Sing at Both Sides of the Zambezi"
http://both-sides-of-the-zambezi.tumblr.com/

(5) Remixes für "Die Frauen des Großen Flusses"
https://archive.org/details/The_Women_of_ the_Great_River_Remixes201cc. 2015 Radio Continental Drift und die KünstlerInnen.

(6) Das Album von DJ Kwe ist Anfang April 2016 auf ihrem Label "Urban lndian Productions" erschienen und im Internet erhältlich, u.a. via: www.urbanindianproductions.com

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Quelle:
graswurzelrevolution, 45. Jahrgang, Nr. 409, Mai 2016, S. 19
Herausgeber: Verlag Graswurzelrevolution e.V.
Koordinationsredaktion Graswurzelrevolution:
Breul 43, D-48143 Münster
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Internet: www.graswurzel.net
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juni 2016

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