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GRASWURZELREVOLUTION/1568: LAUtonomia geräumt - Sächsische Verhältnisse im Braunkohlerevier


graswurzelrevolution Nr. 410, Sommer 2016
für eine gewaltfreie, herrschaftslose gesellschaft

LAUtonomia geräumt

Sächsische Verhältnisse im Braunkohlerevier


Am 21. Mai 2016 wurde LAUtonomia, die Waldbesetzung im Lausitzer Braunkohlerevier (vgl. GWR 407), von der Polizei geräumt. (GWR-Red.)


Für uns ging es richtig los, als die meisten schon wieder weg waren. Am Pfingstwochenende 2016 hatten tausende Klimaaktivist_innen aus ganz Europa den Tagebau Welzow-Süd und das Kraftwerk Schwarze Pumpe lahmgelegt (siehe Artikel auf Seite 22 f.) Auch das LAUtonomia-Umfeld hatte sich daran tatkräftig beteiligt. Ein großer Erfolg für die Klimabewegung - wenn auch überschattet von einer Ablehnung in Teilen der lokalen Bevölkerung, die sich nicht nur in einem Shitstorm in den sozialen Netzwerken, sondern auch in Nazihorden auf den Straßen Sprembergs zeigte, bunt vermischt mit Kraftwerksarbeiter_innen und bürgerlichen Pro-Kohle-Demonstrant_innen.

Konservative und sozialdemokratische Politiker_innen in Brandenburg und Sachsen hatten die Hetze gegen die Klimabewegung mitbetrieben und Konsequenzen gefordert.

Tausende, gut organisierte Klimaaktivist_innen waren nicht wirklich angreifbar. Insofern war zu erwarten, dass die Revanche der Herrschenden die LAUtonomia-Besetzung treffen würde, da dort nur einige Dutzend Menschen in der Region zurückblieben.

Am Mittwoch, drei Tage nach dem Ende der Aktionen, wurde die Waldbesetzung am Tagebau Nochten geräumt. Praktische Gründe dafür gab es nicht, die Rodungen beginnen erst im Herbst, und Eskalationen mit dem Sicherheitspersonal hatte es seit Beginn der Besetzung nicht gegeben.

Die Räumung war kurz und gefährlich

Die Polizei holte die Leute mit Radladerschaufeln und Leitern von den Bäumen. Menschen, die sich an Lock-On-Vorrichtungen geklebt hatten, wurden einfach losgerissen.

Sächsische Verhältnisse:

Repression und Staatsgewalt dort gaben einen Vorgeschmack darauf, was uns auch anderswo erwartet, wenn die momentane gesellschaftliche Entwicklung weitergeht.

Der Hammer kam dann auch erst im Anschluss: 2 Personen wurden nach der Räumung in Untersuchungshaft genommen, aufgrund einer Lock-On-Aktion während der Ende-Gelände-Aktionstage, obwohl sie dort zuerst wieder freigekommen waren. Es war ein Novum: U-Haft aufgrund einer Ankettaktion, obwohl die Personalien feststanden. Bereits während der Ende-Gelände-Aktionstage war Aktivistin Yu bei einer Schienenblockade festgenommen und in U-Haft gesteckt worden.

Da im Vorfeld der Räumung eine Person mit einem offenen Haftbefehl bei einer Polizeikontrolle geschnappt wurde, gab es plötzlich vier Gefangene aus der Klimabewegung.

Immer noch sitzen drei Aktivist_innen im Knast

Für Yu ist ein Hauptverhandlungstermin Anfang Juni angesetzt. Es bleibt zu hoffen, dass sie dann freikommt, doch das steht in den Sternen. Zottel, einer der beiden bei der Räumung Verhafteten, ist mittlerweile wieder frei, da der Staatsanwalt doch seinen Wohnsitz in Österreich anerkannt hat. Die beiden anderen sitzen erst einmal weiterhin unbefristet in Haft.

Die Klimabewegung muss sich an dieser Stelle die Frage stellen, wie mit der Repression weiter umgegangen werden soll. Der Staat greift verstärkt zum Mittel der U-Haft und attackiert direkt und unbegründet unsere Gruppen und Projekte. Durch den gesellschaftlichen Rechtsruck, den wir gerade erleben, ist es unwahrscheinlich, dass sich diese Situation verbessert. Vielmehr drohen die sächsischen Verhältnisse an immer mehr Orten Einzug zu halten, Richter_innen und Staatsanwält_innen werden immer öfter Anhänger von AfD, Pegida & Co. und einer Law-and-Order-Politik sein. Das wird andere Organisierungsformen erfordern, und darüber sollten wir diskutieren.

Wie weiter in der Lausitz?

Problematisch waren dort in den letzten Wochen nicht nur Attacken des Staates, sondern auch direkte Angriffe von Nazis. Die waren in den Aktionsfeldern der Klimabewegung bisher weniger präsent, nun muss man sich damit auseinandersetzen. Es gibt die Notwendigkeit, weiter in der Region aktiv zu sein.

Zum einen, weil es das zweitgrößte Braunkohlerevier der BRD ist und uns die globale Erwärmung wenig Zeit lässt. Zum anderen, weil die Nazi-Dominanz in einer Region nachhaltig am effektivsten durch den Aufbau von dauerhaften, linken Projekten gebrochen werden kann. Deswegen wird das Projekt LAUtonomia in der Lausitz weitergehen. Die Räumung und die verstärkte Repression erfordern einen Neustart, der mit frischer Energie gewagt werden sollte.

Die Lausitz ist ein hartes Pflaster für linke Aktivist_innen, und es wird auch in Zukunft Unterstützung brauchen. In Regionen mit wenig öffentlicher Infrastruktur ist private umso wichtiger.

Kommt nach dem Neustart des Projekts in die Lausitz, besucht uns oder lasst euch dort nieder, seid aktiv. Wenn viele Menschen das Projekt zu ihrem eigenen machen, kann es auf Dauer erfolgreich sein.

LAUtonomia


Checkt bitte regelmäßig den LAUtonomia Blog
http://lautonomia.blogsport.eu oder den Twitter-Account
twitter.com/LAUtonomia

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Quelle:
graswurzelrevolution, 45. Jahrgang, Nr. 410, Sommer 2016, S. 23
Herausgeber: Verlag Graswurzelrevolution e.V.
Koordinationsredaktion Graswurzelrevolution:
Breul 43, D-48143 Münster
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2016

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