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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/1303: Zukunftsmodell für den Standort Deutschland?


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 7/8 - Juli/August 2009
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Zukunftsmodell für den Standort Deutschland?

Eine Replik von Peter Nowak


Bei der Debatte über das Existenzgeld darf die aktuelle Mainstream-Debatte nicht ignoriert werden.


Ein Modebegriff hat in diesen Wochen in allen politischen Lagern Konjunktur: das bedingungslose Grundeinkommen oder auch Existenzgeld. Auf einmal scheinen sich alle einig. Der Ministerpräsident von Thüringen, Dieter Althaus, hat das solidarische Bürgergeld für alle als eine der Antworten auf die sog. Krise der Arbeitsgesellschaft in die Diskussion gebracht.

Der Drogerist Götz Werner, der von betrieblicher Interessenvertretung in seiner Firma wenig hält, wird plötzlich vom Außenseiter, den man gerne mal in eine Talkshow einlud, um ihr einen Hauch von Exotik zu geben, zum vielgefragten Gesprächspartner. Intellektuelle Kritiker der Arbeitsgesellschaft, wie der Buchautor Wolfgang Engler, sehen sich ebenso bestätigt, wie grüne Arbeitsmarktpolitiker, die natürlich darauf hinweisen, dass sie Pioniere dieser Idee waren. Da verschmerzen sie es schon, dass sie in der aktuellen Diskussion höchstens in Fußnoten erwähnt werden.

Merkwürdigerweise wird dieser Mainstream-Diskurs von Jan Ole Arps in seinem Lob auf das Existenzgeld gar nicht erwähnt. Natürlich hat seine Vorstellung von einem Existenzgeld mit all diesen Modellen zur Rettung des Standorts Deutschlands nichts zu tun. Betont er doch, dass er auch für eine radikale Arbeitszeitverkürzung und einen Mindestlohn eintrete, um zu verhindern, dass durch das Existenzgeld das Anwachsen eines Niedriglohnsenkens vorangetrieben werden könnte. Doch die Ignoranz der Mainstream-Debatte kann sich gerade für Anhänger eines emanzipatorischen Existenzgelds rächen. Es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass Forderungen aus der Linken vom herrschenden Block aufgegriffen und in ihrem Sinne umgestaltet wurde.

Ein Beispiel ist die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung, die noch in den 80er Jahren in Westdeutschland die Forderung eines breiten politischen Bündnisses war, das weit über die Gewerkschaften hinausreichte. Seit die Arbeitszeitverkürzung ein Synonym für die Verdichtung der Arbeitszeit geworden ist, wurde die Mobilisierung dafür äußerst schwierig. Droht nicht beim gegenwärtigen gesellschaftlichen Kräfteverhältnis das Existenzgeld zum Synonym für einen staatlich subventionierten Niedriglohnsektor und das Schleifen der Sozialsysteme zu werden, wenn die Linke diese Debatte einfach ignoriert?


Leichter durchsetzbar?

In der Argumentation von Jan Ole befindet sich auch ein Widerspruch. Einerseits betont er, dass das Existenzgeld in seinen Augen keine Durchsetzungschancen hat. Andererseits erklärt er, dass es ihm seine gegenwärtigen Lebens- und Arbeitsbedingungen als "Teil des 'akademischen Prekariats'" hier und heute erleichtern würde, weil er beispielsweise nicht gezwungen wäre, jeden Job anzunehmen. Nur muss ich mich dann fragen, warum er die Durchsetzung eines für ihn akzeptablen Existenzgelds beim gegenwärtigen Kräfteverhältnis für aussichtsreicher hält, als den genau so mühsamen Kampf um bessere Arbeitsbedingungen?

Sicherlich sind gewerkschaftliche Alltagskämpfe gerade unter Freiberuflern, wozu ich mich als Journalist auch zähle, sehr zäh. Eigene Organisierungsversuche haben mir gezeigt, dass es selbst unter linken Kollegen schwierig bis unmöglich war, ein gemeinsames Vorgehen zu vereinbaren, mit dem konkrete Verbesserungen, bspw. tarifliche Honorare, Bezahlung des vereinbarten und nicht des abgedruckten Textes usw. hätten durchgesetzt werden können.

Trotzdem sehe ich für mich keine einzige Lösung im Existenzgeld. Das würde konkret bedeuten, den Kampf um eine gemeinsame Organisierung aufzugeben. Es bestünde die Gefahr, dass noch viel mehr Kolleginnen und Kollegen für wenig oder gar kein Honorar arbeiten würden, weil sie ja das Existenzgeld zur Absicherung haben und der Kampf für gemeinsame Interessen noch schwieriger würde.

Dabei rede ich keinesfalls einem Arbeitsethos das Wort, der die gesicherte Existenz an eine Leistung koppelt. Ich bin mit Jan Ole einig darin, dass alle Zwangsmechanismen abgeschafft werden müssen, die Menschen heute zur Lohnarbeit verpflichtet, ohne dass ich dabei den Kampf um bessere Arbeitsbedingungen aufgeben würde. Dafür ist noch immer die Organisierung von Lohnabhängigen und Erwerbslosen die Grundlage. Dabei könnte eine schon in Erwerbslosenbewegung verwendete Parole die gemeinsame Grundlage sein: "Von der Arbeit muss man leben können - ohne Arbeit auch."


Der Autor Peter Nowak ist freier Journalist und in der außerparlamentarischen Linken aktiv.


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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 7/8, 24.Jg., Juli/Aug. 2009, Seite 22
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juli 2009