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INTERNATIONAL/032: Pakistan - Journalisten zwischen den Fronten, Gefahr durch Armee und Taliban (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. September 2011

Pakistan: Journalisten zwischen den Fronten - Gefahr durch Armee und Taliban

Von Ashfaq Yusufzai


Peshawar, 7. September 2011 (IPS) - Journalisten, die über den US-geführten Krieg gegen den Terrorismus in Pakistans unruhigem Nordwesten berichten, wissen nicht, wen sie mehr fürchten sollen: die Taliban oder die staatlichen Streitkräfte.

Hazrat Khan Mohmand vom Fernsehkanal 'AVT Khyber' wurde am 22. August in der Nähe des High Court von Peschawar von vermummten Männern brutal zusammengeschlagen. "Zwei Personen auf Motorrädern passten unserer Auto ab und schlugen mit Ziegelsteinen auf mich ein", so das Opfer, das aufgrund der erlittenen Verletzungen stationär behandelt werden musste.

Unklar ist bis heute, wer für den Übergriff verantwortlich ist. Sowohl die pakistanische Regierung als auch die Taliban verurteilten den Anschlag auf Khan Mohmand aufs Schärfste und kündigten an, für die Bestrafung der Täter zu sorgen. Dass es dazu kommt, ist zweifelhaft, denn in der Regel geht Gewalt gegen Journalisten straffrei aus.


Journalistenmorde ungesühnt

Das trifft auch für Schwerverbrechen zu. So wurde in den vergangenen sechs Jahren keiner der in Pakistan begangenen 16 Journalistenmorde geahndet. Kritiker sprechen deshalb von einer Kultur der Straffreiheit in dem südasiatischen Land.

Die Reporter, die mit ihrer Berichterstattung die Provinzen Khyber Pakhtunkwa und Belutschistan sowie die Stammesgebiete unter Bundesverwaltung (FATA) abdecken, kommen ohnehin nicht auf die Idee, die Polizei um Hilfe zu bitten. Nur zu gut wissen sie, dass die Sicherheitskräfte Teil des Problems sind. Beispiele gibt es zuhauf. So hinderte die Polizei am 19. August die Mitarbeiter des privaten Fernsehsenders 'Samaa' an den Dreharbeiten zu einem Selbstmordattentat auf eine Moschee und misshandelte sie.

Zwei Wochen zuvor, am 8. August, hatten Polizisten das Büro von 'Mashriq', einer lokalen Urdu-sprachigen Tageszeitung, verwüstet. Immerhin wurden in diesem Fall drei Beamte vom Dienst suspendiert und eine Untersuchung eingeleitet. "Wir sind demokratisch denkende Menschen und schätzen Journalisten als die Augen und Ohren der Gesellschaft, versicherte Mian Iftikhar Hussain, der Informationsminister von Khyber Pakhtunkwa gegenüber IPS. "Auf die Fehler der Regierung hinzuweisen, ist Teil ihrer Arbeit."

Für das Attentat auf die Mashriq-Moschee machte Hussain die verbotene 'Tehreek-e-Taliban Pakistan' (TTP) verantwortlich. Für den Fall jedoch, dass sich die Polizisten als Täter herausstellen sollten, kündigte er deren Entlassung an. Etwa zeitgleich zu den Äußerungen des Ministers verurteilte der TTP-Sprecher Ihsanullah Ihsan den Anschlag und kündigte eigene Untersuchungen und die Bestrafung der Täter an.

"Wir sitzen in der Schlusslinie von Armee und Taliban. Es besteht ein dringender Bedarf an Sicherheit für unsere Journalisten", monierte Arshad Aziz Malik vom Jorunalistenverband von Khyber auf einem Treffen zum Übergriff auf Khan Mohmand.


Gewalt als Druckmittel

"Sowohl die Taliban als auch die pakistanische Armee wollen Journalisten zu einer ihnen genehmen Berichterstattung zwingen", sagte Shamsul Islam Naz, ein ehemaliger Vorsitzender des Pakistanischen Bundesjournalistenverbands. Eine Meinung, der sich Zuhra Yusuf, Vorsitzende der unabhängigen Menschenrechtskommission Pakistans (HRCP) mit Sitz in Lahore anschließt: "Hinter den Anschlägen auf Journalisten stecken entweder die Taliban oder die Streitkräfte", ist sie überzeugt.

Wie Yusuf in einem Telefongespräch mit IPS berichtete, hat ihre Organisation gewisse Muster bei der Unterdrückung der Medienfreiheit festgestellt. "In Belutschistan versuchen die regulären Streitkräfte, durch die Ermordung und Entführung von Reportern ihre repressive Vorgehensweise gegen die Menschen zu verschleiern", sagte sie.

"In Swat wiederum waren es die militanten Kämpfer, die Journalisten entführten und ermordeten, um zu verhindern, dass ihre Gräuel in den Medien erscheinen", so die Menschenrechtlerin weiter. Das legten auch die beiden vor Ort durchgeführten HRCP-Untersuchungen nahe. Swat ist ein Bezirk in Khyber Pakhtunkwa, in dem die pakistanische Armee 2009 gewaltsam gegen die Taliban vorging.

Pakistans Innenminister Rehman Malik hat den bedrohten Journalisten kugelsichere Westen versprochen. Auch denkt man darüber nach, den TV-Fernsehsendern gepanzerte Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen. Auch sollen Journalisten in Kursen lernen, wie sie Gefahren am besten aus dem Weg gehen.

Die Organisation 'Reporter ohne Grenzen' (RSF) forderte die Regierung in einer Stellungnahme zu dem Übergriff auf den Journalisten Khan Mohmand zum Handeln auf. "Bleiben Sicherheitsvorkehrungen aus, wird es den lokalen, zwischen die Fronten geratenen Reportern unmöglich sein, weiter über die Provinz Khyber Pakhtunkwa und die anstoßenden FATA zu berichten", betonte sie. Der RSF-Index für Pressefreiheit 2010 listet Pakistan auf dem 151. von insgesamt 178 Plätzen und zählt es [zu] den "zehn Staaten, in denen es nicht gut ist, ein Journalist zu sein". (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://en.rsf.org/pakistan-acts-of-intimidation-against-two-01-08-2011,40724.html
http://en.rsf.org/press-freedom-index-2010,1034.html
http://www.hrcp-web.org/intro.html
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=104996

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 7. September 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. September 2011