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INTERNATIONAL/051: China - Ausländische TV-Shows sollen aus Hauptabendprogramm verschwinden (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. Februar 2012

China: Regierung 'not amused' - Ausländische TV-Shows sollen aus Hauptabendprogramm verschwinden

von Clarissa Sebag-Montefiore


Peking, 29. Februar (IPS) - Das chinesische Fernsehpublikum hat bald nicht mehr viel zu lachen. Aus dem Ausland und vor allem aus Asien importierte TV-Shows, die von Millionen Menschen gesehen werden, sollen nach dem Willen der Regierung bald ganz aus dem Hauptabendprogramm verschwinden. Bereits im Januar wurden zwei Drittel der beliebten Sendungen aus dem Prime-Time-Programm gestrichen.

Erst kürzlich ließ die Fernsehregulierungsbehörde wissen, dass "vulgäre" ausländische Shows, die zumeist aus anderen asiatischen Ländern eingeführt werden, künftig nicht mehr zwischen 19 und 22 Uhr gesendet werden.

Mit der neuen Regelung will die Regierung offenbar die chinesische Fernsehindustrie stärken. Beobachter sind der Ansicht, dass sie vor allem das staatliche chinesische Fernsehen CCTV schützen soll, das für seine steifen Abendnachrichten und faden Fernsehfilme bekannt ist.


"Reines Gift"

Erste Knebelregelungen wurden bereits im vergangenen Oktober eingeführt, als die Behörde für Radio, Film und Fernsehen (SARFT) eine zahlenmäßige Obergrenze für die von der breiten Masse gesehenen Unterhaltungssendungen anordnete, die ein Beamter zu "reinem Gift" erklärte.

Bis Ende vergangenen Jahres mussten die 34 chinesischen Satellitenkanäle zu den besten Sendezeiten die Zahl der missliebigen Unterhaltungsshows, die sich oft an westlichen Vorbildern wie 'American Idol' und 'Top Gear' orientieren, radikal von 126 auf 38 reduzieren. Das entspricht einer Kürzung von 69 Prozent.

Statt der Talentshows nach dem Muster der Superstar-Wettbewerbe und der Dating-Spektakel, die Chinas Provinz-Kanäle reichlich auf den Markt brachten, verlangt SARFT nun, dass jeder Sender wöchentliche Programme zur "moralischen Erbauung" präsentieren muss. Talentwettbewerbe dürfen nur noch zehn Mal pro Jahr über den Bildschirm flimmern.

"SARFT will vermeiden, dass die Kanäle auf Provinzebene den landesweiten Einfluss von CCTV gefährden", meinte Grace Leung, die an der Tsinghua-Universität in Peking zum Thema Fernsehregulierung forscht.

Am 20. Februar verkündeten die Behörden, dass alle ausländischen Shows, die zumeist aus der Sonderverwaltungszone Hongkong sowie aus Taiwan, Thailand und Südkorea stammen, vor der Ausstrahlung offiziell genehmigt werden müssen.

"TV-Serien mit vulgären und brutalen Inhalten sollten nicht eingeführt werden", hieß es in der Zeitung 'China Daily'. Kanäle, die sich nicht an die Auflagen hielten, hätten mit strengen Sanktionen zu rechnen. Laut der staatlichen Zeitung werden die Regelungen dazu beitragen, eine "günstige Umgebung für Unterhaltungssendungen von Firmen des chinesischen Festlands schaffen".

Die Behörde SARFT, die als verlängerter Propaganda-Arm der Kommunistischen Partei agiert, stellt die Anliegen der Partei über die Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Fernsehbranche. Da etwa 66 bis 97 Prozent der rund 1,4 Milliarden Einwohner der Volksrepublik Fernsehen schauten, sei das Medium nach wie vor das einflussreichste Vehikel für Propaganda, meinte Leung. "Zu den größten Aufgaben von SARFT gehört die ideologische Kontrolle." Der Regierung zufolge sollten die zahlreichen Satellitensender ihr Publikum erziehen und nicht bloß Unterhaltung liefern.


'Zeitreisen' in frühere Dynastien verboten

Ein Genre, das durch die staatlichen Einschränkungen besonders hart getroffen wurde, sind Sendungen, deren Protagonisten 'Zeitreisen' in die Vergangenheit unternehmen. 2011 wurden alle diese Programme verboten. Im September wurde die Show 'Super Girl' aus dem Programm gekippt. Der Zensurschere fiel außerdem die Dating-Sendung 'Wenn du derjenige oder diejenige bist' zum Opfer. Sie wurde zwar nicht abgesetzt, muss aber fortan moralische Botschaften verbreiten.

"Der Kreislauf der Kontrollverschärfungen und der Lockerungen ist in China nichts Neues", meinte Ying Zhu, der Autor des Buches 'Two Billion Eyes: The Story of China Central Television'. "Der eigentliche Konflikt besteht zwischen einer chinesischen Kulturtradition, die von Moral diktiert wird, und den Anforderungen eines marktwirtschaftlichen und profitorientierten Systems."

Ob sich die Zuschauer die Zensurbestimmungen gefallen lassen, ist fraglich. Denn in dem asiatischen Land gibt es mittlerweile rund 500 Millionen Internet-Nutzer, die statt Fernsehern lieber ihre Smartphones und Laptops einschalten und somit der Kontrolle des Staates oft ein Schnippchen schlagen. (Ende/IPS/ck/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. März 2012