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INTERNATIONAL/058: Malawi - Social-Media-Aktivismus nimmt zu (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. April 2012

Malawi: Social-Media-Aktivismus nimmt zu

von Katie Lin


Im Juli 2011 kam es zu landesweiten Anti-Regierungsprotesten in Malawi - Bild: © Katie Lin/IPS

Im Juli 2011 kam es zu landesweiten Anti-Regierungsprotesten in Malawi
Bild: © Katie Lin/IPS

Blantyre, Malawi, 13. April (IPS) - Malawier feiern derzeit in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter den Beginn einer neuen Ära. Nach dem Tod des Langzeit-Präsidenten Bingu wa Mutharika Anfang des Monats richten sie ihr Augenmerk nun auf die Politik seiner Nachfolgerin Joyce Banda. Seit den Anti-Regierungsprotesten im vergangenen Jahr sind die Internet-Plattformen als Meinungs- und Kommunikationsvehikel gefragter denn je.

Gerüchte über den Tod Mutharikas waren bereits zwei Tage vor der offiziellen Bestätigung am 7. April durch die Facebook-Newsfeeds gegeistert. Dass die ehemalige Vizepräsidentin und erste Frau an der Spitze Malawis bereits damit begonnen hat, korrupte Staatsbedienstete aus den Behörden zu entfernen und die internationalen Geber zu umwerben, sorgt in den Social-Media-Netzwerken ebenso für Gesprächsstoff wie die nach wie vor schwierige Wirtschaftslage in dem schwarzafrikanischen Land.

Dem aktuellen Stand des Social-Media-Statistikportals 'socialbakers.com' zufolge nutzen derzeit 132.580 Malawier das Facebook. Das ist zwar weniger als ein Prozent der insgesamt 15 Millionen Menschen zählenden Bevölkerung. Bemerkenswert ist jedoch, dass die Zahl zwischen März 2011 und März 2012 um 50 Prozent gestiegen ist. Dieser Zuwachs in einer Zeit des politischen Umbruchs, der durch die Anti-Regierungsproteste im Juli letzten Jahres eingeleitet wurde, zeigt die Dynamik, mit der sich die sozialen Netzwerke ihren Platz in Malawi erobern.


Polizeigewalt dokumentiert

Als die Proteste am 20. Juli ausbrachen, stellten die Menschen Fotos von Verletzten und beschädigten Sachgegenständen auf ihre Facebook-Seiten und machten Demonstranten über Twitter auf Gefahrenherde und Polizeipräsenz aufmerksam. Auch luden sie ihre mit Handys aufgenommenen Videos auf YouTube.

Ausgelöst worden waren die Juli-Unruhen durch den wirtschaftlichen Niedergang und das politische Missmanagement der Mutharika-Regierung. Ein fortgesetzter Mangel an Benzin und Devisen wirkte ebenfalls als Brandbeschleuniger. Nach zwei Tagen und 20 Toten war der Aufstand vorbei.

Als Malawis Kommunikationskontrollbehörde MACRA zeitweilig die privaten Rundfunksender und populären Nachrichten-Websites lahm legte, wandten sich die Menschen den Social-Media-Plattformen zu, um sich über den neusten Stand der Entwicklungen zu informieren.

"Es gibt die Tendenz, dass Behördenvertreter und insbesondere Regierungspolitiker den Nachrichtenfluss kontrollieren", meint dazu Arnold Munthali, der bei 'Blantyre Newspapers Limited' (BNL) für die neuen Medien zuständige Redakteur. "Die sozialen Netzwerke haben eine politisch bewusstere Bevölkerung geschaffen, die sich nicht so leicht von der Regierung kontrollieren lässt."

Einige Netzwerker schlossen sich Pro-Demokratie-Gruppen bei Facebook an, andere wie der 28-jährige Medienexperte Rogers Siula, der an den Juli-Protesten in Blantyre aktiv teilnahm, tauchten in die Welt der Blogger ein. Siula zufolge werden junge Menschen, die über ein ungeheures Potenzial verfügen, um Malawi in ein dynamisches, frisches und energetisches Land zu verwandeln, unterdrückt. "In einer solchen gespannten politischen Atmosphäre sind Plattformen wie Facebook, Blogs und Twitter sicher."

Es ist gerade der Aspekt der Anonymität, der das Social-Media-Angebot für viele Malawier so attraktiv macht - auch wenn die Gefahr besteht, dass sich staatliche Spione in die Netzwerke einklinken, um Personen zu bespitzeln.


Zusammenarbeit erleichtert den Alltag

Natürlich dienen Facebook und Co nicht nur politischen Zielen. So erleichtern sie Malawiern das Leben, die beispielsweise wissen wollen, an welchen Tankstellen das knappe Benzin erhältlich ist. Frederick Bvalani ist Mitbegründer der Facebook-Gruppe 'Malawi Fuel Watch' (MFW), die inzwischen aus mehr als 7.400 Mitgliedern besteht. Diese Gemeinschaft tauscht sich über Benzinbezugmöglichkeiten und -preise aus.

Für Billy Ngoma ist MFW ein Geschenk. "Man kann für 25 Liter Benzin locker sechs bis acht Stunden in einer Schlange stehen", sagt der 27-Jährige. "Dank der Fuel Watch-Initiative sparen wir viel Zeit, die uns die Suche nach den richtigen Tankstellen abverlangen würde."

"Die relativ geringen Kosten der Internet-Kommunikation und die Möglichkeit, in kürzester Zeit eine riesige Fan-Gemeinde zusammenzubringen, macht die sozialen Netzwerke zu idealen Instrumenten für Menschen, die sich ein anderes und besseres Malawi wünschen", betont Bvalani.

Auch für Malawis traditionelle Medien ist es nach Ansicht des BNL-Redakteurs Munthali an der Zeit, die Kommunikation mit ihrem Publikum zu vertiefen. Sie, die mit restriktiven Gesetzen zu kämpfen hätten, könnten sich nun durch ihre Online-Präsenz für Störungen unanfälliger machen.


Ausbau der Infrastruktur

Die Infrastruktur, die notwendig ist, damit mehr Malawier online agieren können, wird verbessert. Seit 2009 richtet MACRA landesweit Informations- und Technologiezentren ein. Mit der Verlegung von Glasfaserkabeln in den Städten durch das Unternehmen 'Malawi Telecommunications Limited' und dem Siegeszug der Mobiltelefone wird die Initiative zweifellos den Anteil der Menschen, die sich über das Internet informieren, weiter erhöhen.

Auch wenn noch nicht klar ist, wie Präsidentin Banda auf die politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen reagieren wird - fest steht, dass die Malawier die Entscheidungen im Internet kommentieren werden. "Das Internet hat etwas an sich, dass den Menschen den Mut verleiht, zu sagen, was sie sich zuvor nicht zu sagen getraut hätten. Menschen, die Leid bisher schweigsam erduldet hatten, meldeten sich nun zu Wort. Die sozialen Medien haben uns Malawiern eine Stimme verliehen." (Ende/IPS/kb/2012)

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http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107422

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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. April 2012