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INTERNATIONAL/157: Pakistan - Medien im Belagerungszustand, Journalisten schweben in Lebensgefahr (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. Februar 2015

Pakistan: Medien im Belagerungszustand - Journalisten schweben ständig in Lebensgefahr

von Ashfaq Yusufzai


Bild: © Rahat Dar/IPS

Journalisten in Pakistan protestieren gegen die Ermordung ihrer Kollegen
Bild: © Rahat Dar/IPS

Peshawar, 24. Februar (IPS) - In Pakistan arbeitet die Mehrheit der Journalisten unter immensem Stress. In den großen Städten sind sie mit Gangstern, in ländlichen Gebieten mit Extremisten und überall im Land mit rivalisierenden politischen Parteien konfrontiert. Zensur, Einschüchterungsversuche und Todesdrohungen gehören zu ihrem Alltag.

Viele Reporter haben sich mittlerweile daran gewöhnt, in ständiger Angst und Ungewissheit zu arbeiten. Doch niemand war wohl auf die Tragödien vorbereitet, die im vergangenen Jahr über Pakistan hereinbrachen. 2014 war das bisher schlimmste Jahr für die Medien im Land. 14 Journalisten und Blogger wurden getötet, Dutzende verletzt, entführt oder eingeschüchtert.

Pakistanische Menschenrechtsgruppen kritisieren die weit verbreitete Straffreiheit, die jeder freien Presse im Wege steht. Dabei ist die Meinungsfreiheit unverzichtbar für die Entwicklung und Befriedung des Landes, das von Armut und Konflikten gezeichnet ist.

Ein im Januar veröffentlichter Bericht der Organisation 'Freedom Network' (FN) dokumentiert zahlreiche Morde und Angriffe, darunter den tödlichen Anschlag auf den Reporter Shan Dahar, der für den Fernsehsender 'Abb Takk' in der Stadt Larkana in der südlichen Provinz Sindh gearbeitet hatte.


Missliebige Recherchen

In den lokalen Medien hieß es zunächst, Dahar sei in der Neujahrsnacht von verirrten Kugeln getroffen worden. Die weiteren Ermittlungen ergaben jedoch, dass sein Tod geplant war. Vor seiner Ermordung hatte der Journalist an einem Artikel über den immer weiter wachsenden Schwarzmarkt für gefälschte Medikamente gearbeitet. Beobachter vermuten, dass diejenigen, die Profit aus den Geschäften ziehen, hinter dem Mord stehen.

Weitere Opfer sind Waqas Aziz Khan, Ashraf Arain und Muhammad Khalid, die am 17. Januar durch Schüsse auf einen Übertragungswagen des Senders 'Express TV' getötet wurden. Bei den Opfern handelt es sich um einen Bodyguard, einen Fahrer und einen Techniker. Aktivisten sehen durch die Gewalttat bestätigt, dass jeder, der in irgendeiner Weise mit den Medien zu tun hat, in Pakistan in Lebensgefahr schwebt.

Der FN-Bericht warnt außerdem davor, dass Medienhäuser durch die Androhung von Klagen wegen Blasphemie und Verrat weiter eingeschüchtert werden sollen. Viele Zeitungen und Rundfunksender praktizieren bereits Selbstzensur, um hohen Geldstrafen und einem pauschalen Berichterstattungsverbot zu entgehen.


Wegen Blasphemie verurteilt

Die 'Pakistan Press Foundation' (PPF) führt als Beispiel für die verheerende Wirkung solcher Gesetze das Urteil eines Anti-Terrorismusgerichts vom November an, das vier Pakistaner zu jeweils 26 Jahren Haft und 12.800 US-Dollar Bußgeld verurteilte. Anlass für den Prozess war die Ausstrahlung einer "anstößigen" Fernsehsendung, die angeblich gegen die Blasphemiegesetze verstoßen hat.

Im April 2014 war zudem der Reporter Hamid Mir von 'Geo TV' unter Beschuss genommen und schwer verletzt worden. Bewaffnete Männer auf Motorrädern hatten das Feuer auf ihn eröffnet, als er vom Flughafen zu seinem Büro in Karachi unterwegs war. Die Täter sind bis heute nicht gefasst, und die Gefahr für Mir, der zwar am Leben blieb, ist somit nicht gebannt.

Laut Mazhar Abbas, dem ehemaligen Vorsitzenden des pakistanischen Journalistenverbandes, ist es das Unvermögen der Regierung, für Meinungsfreiheit zu sorgen, das die Medienvertreter in Gefahr bringe. "Das Problem ist, dass niemand weiß, wer hinter den Journalistenmorden steckt", sagt er.

Die Behörden veröffentlichten keinerlei Informationen über die Täter, und die Ermittlungen würden nicht gründlich genug geführt, kritisieren Experten. Viel zu viele Journalisten seien daher auch weiterhin gezwungen, in einem Klima der Ungewissheit und Straffreiheit zu arbeiten.


Journalisten im Norden durch Taliban bedroht

In den im Norden Pakistans gelegenen Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA) werden Medienvertreter fortwährend von den Taliban und anderen Gruppen bedroht und angegriffen. Die Extremisten sind vor allem in den Gebieten an der Grenze zu Afghanistan aktiv, wohin sie nach der US-geführten Invasion 2001 im Nachbarland geflohen waren.

Seit Beginn des so genannten 'Krieg gegen den Terrorismus' sind zwölf Journalisten in den FATA getötet worden. Viele Kollegen flohen nach Peshawar, der Hauptstadt der Nachbarprovinz Khyber Pakhtunkhwa. Viele sind auch dann nicht sicher, wenn sie sich aus der unmittelbaren Schusslinie der Terroristen bringen. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation 'Amnesty International' erleben hunderte Journalisten in Pakistan Drohungen, Schikanen und Gewalt, die manchmal sogar von den Geheimdiensten des Landes ausgehen.

In dem kürzlich von Amnesty International veröffentlichten Bericht 'A bullet has been chosen for you' werden 34 Morde an Journalisten in Pakistan seit 2008 beschrieben. Lediglich ein Täter wurde bisher gefasst. Den Behörden wird vorgeworfen, nicht in der Lage zu sein, die Welle der Gewalt gegen Journalisten und die Verletzung ihrer Menschenrechte zu stoppen.

Das Komitee zum Schutz von Journalisten (CJP) schätzt, dass seit 1992 in Pakistan 56 Journalisten umgebracht worden sind. In dieser Statistik sind allerdings nur die Fälle enthalten, bei denen ein eindeutiges Tatmotiv ersichtlich war. Menschenrechtsaktivisten gehen davon aus, dass die Dunkelziffer weit höher ist. Diejenigen, die noch am Leben sind, müssen ständig Ermittlungen befürchten.

"Pakistans Medien befinden sich im Belagerungszustand", sagt David Griffiths, der stellvertretende Direktor von Amnesty International für die Asien-Pazifik-Region. "Vor allem Journalisten, die über nationale Sicherheitsfragen und die Menschenrechte berichten, geraten von allen Seiten unter Beschuss, um zum Schweigen gebracht zu werden."

Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) von 'Transparency International' nimmt Pakistan Rang 126 ein. Dicht dahinter folgen Staaten wie Myanmar, Afghanistan und Nordkorea. Eine freie Presse wäre unverzichtbar, um die Öffentlichkeit für Korruption, Bestechung und andere Übergriffe im Lande zu sensibilisieren, (Ende/IPS/ck/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/02/threats-deaths-impunity-no-hope-for-free-press-in-pakistan/

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IPS-Tagesdienst vom 24. Februar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2015

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