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INTERNATIONAL/159: Angola - Internationale Rückendeckung für investigativen Journalisten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. April 2015

Angola: Internationale Rückendeckung für investigativen Journalisten Rafael Marques de Morais

von Lisa Vives und Karina Böckmann


New York, Berlin, 8. April (IPS) - Vor dem Hintergrund eines inzwischen auf den 23. April verschobenen Gerichtsverfahrens gegen den mehrfach ausgezeichneten angolanischen Journalisten Rafael Marques de Morais haben lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen in einem offenen Brief die Einstellung des Verfahrens gefordert.

Marques wird beschuldigt, mit seinem Buch 'Blutdiamanten: Korruption und Folter in Angola' mehrere Generäle und Diamantenproduzenten diffamiert zu haben. Wie er nach dem Verhandlungstermin am 24. März erklärte, sei er mit neun Verleumdungsklagen gegen seine Person in die Verhandlung und mit weiteren 15 aus dem Gerichtssaal gegangen.

In ihrem Schreiben würdigten die insgesamt 36 Organisationen Marques für seine langjährigen Bemühungen, "mit Hilfe seiner aufschlussreichen, nachdenklichen und geschätzten journalistischen Recherchen die angolanische Regierung für ihre Menschenrechtsverletzungen und Korruption haftbar zu machen".

Im Zuge dieser Arbeit sei er mehrfach in Angola festgenommen und inhaftiert worden. Sollte er verurteilt werden, drohen ihm neun Jahre Gefängnis und eine Schadensersatzforderung in Höhe von 1,2 Millionen US-Dollar, so die Unterzeichnergruppen, darunter 'Amnesty International', 'Human Rights Watch' (HRW), die Reporter ohne Grenzen und das Komitee zum Schutz von Journalisten.


Schwere Menschenrechtsverletzungen dokumentiert

In seinem 2011 zunächst in Portugal erschienenen Buch dokumentiert Marques zahlreiche Menschenrechtsverbrechen wie Morde und Folter sowie Land Grabs und Vertreibungen durch die angolanischen Streitkräfte in den Diamantbergbauprovinzen Lunda Norte und Lunda Sul im Nordosten Angolas. Dort müssen die kleinen lokalen und regionalen Schürfer großen privaten Bergbauunternehmen Platz machen. Im Zuge seiner Recherchen fand Marques heraus, dass 100 Dorfbewohner umgebracht worden waren. Außerdem stieß er auf 500 Folterfälle.

Nachdem er im November 2011 vergeblich versucht hatte, Strafanzeige gegen neun Generäle für Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu erstatten, schlugen diese zurück und reichten eine Diffamierungsklage gegen den Journalisten ein. Der Versuch der Militärs inklusive dreier ehemaliger Generalstabschefs der angolanischen Streitkräfte, Marques in Portugal rechtlich zu belangen, wurde jedoch von dem zuständigen Richter mit der Begründung zurückgewiesen, Marques habe nicht beleidigen, sondern informieren wollen.

Der Journalist gilt als vehementer Kritiker der 35-jährigen Herrschaft des angolanischen Präsidenten José Eduardo de Santos. 1999 war er nach der Veröffentlichung eines anderen kontroversen und ausgezeichneten Berichts, 'Der Lippenstift der Diktatur', über die Präsidententochter und reichste Frau Afrikas, die Milliardärin Isabel dos Santos, zu 43 Tagen Gefängnis einschließlich Isolationshaft verurteilt worden.

"Herr Marques ist für seine Arbeit mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet worden. Er ist ebenso ein Menschenrechtler, der unabhängig von Beschuldigern oder Beschuldigten um die Aufdeckung von Verstößen bemüht ist", schrieben die Menschenrechtsorganisationen in ihrem offenen Brief.

Angola ist der viertgrößte Diamantenproduzent der Welt. Nach Angaben des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft hat das Land im südlichen Afrika in den ersten neun Monaten des Jahres 2014 Diamanten im Wert von 960 Millionen Dollar verkauft. Gegenüber dem Vorjahr habe es den Verkaufserlös um 100 Millionen Dollar steigern können. Im gesamten Jahr 2013 hatten die Verkäufe einen Wert von 1,17 Milliarden Dollar erzielt. Zu Zeiten des Bürgerkriegs hatten sich die Konfliktparteien mit den Edelsteinen - deshalb auch 'Blut- oder Konfliktdiamanten' genannt - finanziert.


Regierung will Exempel statuieren

Nachdem Diamantenproduzenten wie das südafrikanische Unternehmen 'De Beers' ihre Operationen aufgrund der globalen Finanzkrise zurückgefahren hatten, lockerte die Regierung die Explorations- und Entwicklungsauflagen für Bergbauunternehmen. Die Entscheidung führte zu Protesten von Seiten von Umweltschützern und der Lokalbevölkerung. Verärgert über den Widerstand hofft die Regierung nun auf ein hartes Urteil im Fall Marques, um an dem Reporter ein Exempel zu statuieren.

In seiner Rede anlässlich der Verleihung des Preises für Meinungsfreiheit im Journalismus der internationalen Organisation 'Index on Censorship' Ende März erklärte Ko-Preisträger Marques, dass ihn die Gerichtsverhandlung nur noch stärker machen werde. "Es wird den Angolanern verdeutlichen, dass es nichts zu fürchten gibt und dass sie gefordert sind, die Behörden rechenschaftspflichtig zu machen", meinte er später in einem Interview.

Seit 1992 wurden in Angola jedoch sieben Journalisten ermordet, andere wurden bedroht oder und willkürlich festgenommen. Im März wurden die beiden Aktivisten Marcos Mavungo und Arao Bula Tempo kurz vor Beginn von Protesten in der nordangolanischen Provinz Cabinda festgenommen und wegen Unruhestiftung inhaftiert.

Vorherige Demonstrationen waren nach Aussagen von HRW unter Anwendung exzessiver Gewalt aufgelöst worden. Im letzten Jahr musste sich eine Studentin, die im März an einem Protestmarsch teilgenommen hatte und von der Polizei geschlagen worden war, in einem Krankenhaus behandeln lassen. Am Gerichtstag gegen Marques am 24. März wurden mehrere Personen festgenommen. (Ende/IPS/kb/2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/03/lawyers-rights-groups-rally-around-author-of-blood-diamonds-facing-jail/

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IPS-Tagesdienst vom 8. April 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2015

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