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INTERNATIONAL/168: USA - Land wird immer multikultureller, doch Journalisten meist weiß und männlich (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 31. Juli 2015

USA: Land wird immer multikultureller - Doch Journalisten meist weiß und männlich

von Nora Happel



Bild: © NASA Goddard Space Flight Center/cc by 2.0

Pressekonferenz im 'Newseum' in Washington, wo am 16. Juli 2009 ein restauriertes Video der Apollo-11-Mondlandung vorgestellt wurde
Bild: © NASA Goddard Space Flight Center/cc by 2.0

NEW YORK (IPS) - Die USA werden zwar immer multikultureller, doch sind Angehörige ethnischer Minderheiten in den Nachrichtenredaktionen des Landes nach wie vor unterrepräsentiert. Wie aus einer neuen Untersuchung hervorgeht, wird die US-Berichterstattung von männlichen weißen Journalisten dominiert.

Dem Magazin 'The Atlantic' zufolge stellten die Minderheiten 2014 lediglich 22,4 Prozent der Fernsehreporter, 13 Prozent der Radiojournalisten und 13,3 Prozent der Berichterstatter der Tageszeitungen. Hingegen nimmt ihr Anteil an der US-Bevölkerung stetig zu und liegt derzeit bei 37,4 Prozent.

Dieses Missverhältnis zeigt sich insbesondere bei den Printmedien. Dort gehören seit Jahrzehnten nur elf bis 14 Prozent der Redaktionsmitarbeiter ethnischen Minderheiten an, wie das 'Pew Research Center' und die 'American Society of News Editors' (ASNE) herausfanden.

Diese Realität ist höchst problematisch in einer Branche, die eine vielfältig geschichtete Öffentlichkeit vertreten und informieren soll und Standpunkte und Meinungen eines großen Publikums beeinflusst.


Gesellschaftliche Relevanz ethnischer Minderheiten unterschätzt

"Der Journalismus muss Einblicke aus unterschiedlichen Perspektiven in verschiedene Themenbereiche gewähren und die Meinungsvielfalt der Öffentlichkeit widerspiegeln, der er dient. Dass ethnischen Minderheiten der Zugang zu den Medien verwehrt wird, birgt die Gefahr, dass die Öffentlichkeit die Wirklichkeit und die gesellschaftliche Rolle ethnischer Minderheiten fehlinterpretiert", warnt Pamela Morinière vom Internationalen Journalistenverband IFS.

Die Ausgrenzung ethnischer Minderheiten aus dem Medienbetrieb wirkt sich auch negativ auf die Qualität der Berichterstattung aus. Alfredo Carbajal, Redaktionsleiter von 'Al Dia' ('The Dallas Morning News') und Organisator des 'ASNE Minority Leadership Institute' meint dazu: "Die Folge ist, dass der Nachrichtenberichterstattung die Sichtweisen und Kenntnisse dieser Gruppen fehlen."

Carbajal und der ASNE-Vorsitzende Chris Peck kritisieren ferner, dass Studenten aus Zuwandererfamilien geringere Chancen haben als ihre weißen Kommilitonen. Bei der Rekrutierung ihres Nachwuchses zeichneten sich die traditionellen Medien durch Einseitigkeit aus und bedienten sich vor allem ihrer Verbindungen zur weißen Mittelschicht. "Es ist ein in sich geschlossener Kreis, der sich nur langsam weiterentwickelt", so Peck.

Ähnlich argumentiert der Doktorand Alex T. Williams in einem Beitrag für die Fachzeitschrift 'Columbia Journalism Review', der sich mit der gängigen Behauptung auseinandersetzt, Zeitungen könnten nicht mehr Angehörige ethnischer Minderheiten einstellen, weil es unter ihnen zu wenige qualifizierte Anwärter gebe.

Doch die Auswertung der vom 'Grady College' in Georgia gesammelten Zahlen über die Universitätsabgänger der Fachbereiche Journalismus und Massenkommunikation ergab, dass 21,4 Prozent aller Absolventen zwischen 2004 und 2013 Minderheiten angehörten. Dieser Anteil sei zwar nicht sehr hoch, aber nicht so gering wie der Prozentsatz der Minderheitenjournalisten in den US-Redaktionsräumen, betonte Williams.


Wohlhabendes Elternhaus erleichtert Jobsuche

Als besonders alarmierend befand der Autor, dass lediglich 49 Prozent der Absolventen aus Minderheitengruppen nach dem Studium eine Vollzeitbeschäftigung fanden. Demgegenüber fanden 66 Prozent der weißen Absolventen eine Anstellung. Williams führt dieses Missverhältnis unter anderem darauf zurück, dass die Redaktionen oftmals eigene unbezahlte Praktikanten berücksichtigen. Angehörige von Minderheiten könnten es sich meist nicht leisten, unentgeltlich Berufserfahrung zu sammeln. Zudem besuchten sie eher weniger renommierte Colleges, an denen es weder Campus-Zeitungen noch spezielle Netzwerke gebe.

Auch die finanziellen Probleme der Medienunternehmen spielen offenbar eine Rolle. "Den Medien fällt es schwer, eine vielfältige Belegschaft zu behalten, wenn sie auf wirtschaftlicher Ebene zu kämpfen haben. Dies gilt auch für neue Betriebe, die sich aktiv darum bemühen, fähige Mitarbeiter einzustellen, die den Wandel der US-Gesellschaft repräsentieren."

Doris Truong von der 'Washington Post' macht überdies die gewerkschaftlichen Tarifverträge für die ungleichen Voraussetzungen verantwortlich. Durch diese Verträge seien besonders diejenigen vor Kündigungen geschützt, die eine lange Betriebszugehörigkeit nachweisen könnten, sagt sie. Die zuletzt Eingestellten müssten meist als erste wieder gehen. Das treffe vor allem auf farbige Journalisten zu.

Um diese Situation zu ändern, schlägt Pamela Morinière vor, dass in den Redaktionen mehr über die Repräsentation von Minderheiten diskutiert und Anti-Diskriminierungsrichtlinien umgesetzt werden.


Verbände setzen sich für Minderheiten ein

Zivilgesellschaftliche Dachverbände wie 'UNITY Journalists for Diversity', eine strategische Allianz aus mehreren Journalistenorganisationen, sind bemüht, mehr Angehörigen ethnischer Minderheiten den Zugang zum Journalismus zu ermöglichen und die Berichterstattung über Diversität, Ethnizität und Geschlechterfragen zu fördern. Mitglied in diesem Bündnis ist unter anderem die 'Asian American Journalists Association' (AAJA), die sich seit mehr als 20 Jahren für aus Asien und dem Pazifikraum stammende Journalisten einsetzt.

Auch Frauen sind in Medienunternehmen in den USA und im Rest der Welt nicht angemessen vertreten. So geht aus dem Bericht über den Status der Frau in den Informations- und Kommunikationsmedien der Internationalen Stiftung für Frauen in den Medien hervor, dass nur ein Drittel aller Journalisten in 522 untersuchten Unternehmen in fast 60 Staaten weiblich sind. 73 Prozent aller Führungspositionen werden von Männern bekleidet. "Dabei haben viele Frauen in Politik und Wirtschaft ihren Weg gemacht", sagt Morinière. "Und die Medien sollten dies widerspiegeln." (Ende/IPS/ck/31.07.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/07/workplace-diversity-still-a-pipe-dream-in-most-u-s-newsrooms/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 31. Juli 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. August 2015

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