Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → FACHMEDIZIN


HNO/316: Schlafapnoe - Therapie reduziert nächtliche Aussetzer (SHÄB)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 2, Februar 2022

Therapie reduziert nächtliche Aussetzer

von PM/RED


SCHLAFAPNOE. Kombiniertes Verfahren zur Neurostimulation der Atemwege und der Atmung. Weltweit erstmalig am UKSH in Lübeck angewandt. Patienten profitieren von Zusammenarbeit von HNO-Medizinern und Kardiologen.


Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, hat nach eigenen Angaben als erstes Klinikum weltweit zur Behandlung von Schlafapnoe ein kombiniertes Verfahren zur Neurostimulation der Atemwege und der Atmung angewandt. Zwei Patienten, die an Atemaussetzern im Schlaf litten, erhielten sowohl einen Zungen- als auch einen Zwerchfellschrittmacher, um wieder erholsam schlafen zu können. Durchgeführt wurden die Eingriffe in der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Phoniatrie und Pädaudiologie und in der Medizinischen Klinik II - Kardiologie, Angiologie, Intensivmedizin.

Beide Patienten litten sowohl an der obstruktiven als auch der zentralen Schlafapnoe. Bei der obstruktiven Schlafapnoe blockiert erschlafftes Muskelgewebe - häufig die Zunge - die oberen Atemwege. Die Patienten schnarchen, es kommt zu Atemaussetzern. Die deutlich seltenere zentrale Schlafapnoe entsteht durch eine Schädigung des zentralen Nervensystems, die den nächtlichen Atemantrieb an sich stört. Die Patienten atmen nicht mehr ein. Die kombinierte Neurostimulation eröffnet nun neue Wege in der Patientenversorgung: Durch zwei unterschiedliche Schrittmachersysteme werden der Bewegungsnerv der Zunge und der Zwerchfellnerv im Schlaf aktiviert. Auf diese Weise können die Betroffenen wieder weitgehend störungsfrei atmen. Dank des gleichmäßigen Atemzyklus bleiben ihre Sauerstoffwerte im Blut stabil, sie schlafen ruhiger und wachen morgens erholt auf.

Seit 10 Jahren werden Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe, die mittels Atemmaske nicht ausreichend therapiert werden können, in der HNO-Klinik am Campus Lübeck per Zungenschrittmacher behandelt. Bei der zentralen Schlafapnoe gab es zur Maskentherapie bis vor kurzem noch keine Alternativen, um die Sauerstoffwerte nachts stabil zu halten. Laut UKSH konnte in Studien mit hoher wissenschaftlicher Evidenz im Jahr 2020 die Wirksamkeit des Zwerchfellschrittmachers, der transvenösen Phrenikus-Stimulation, nachgewiesen werden.

"Bei unbehandelter Schlafapnoe ist die Lebenserwartung wegen des stark erhöhten Schlaganfall- und Herzinfarktrisikos herabgesetzt. Aufgrund verstärkter Tagesmüdigkeit haben diese Patienten oft auch ein Risiko für Sekundenschlaf am Steuer", erklärte der Leiter des Schlaflabors der HNO-Klinik, Prof. Armin Steffen. Die Patienten profitieren von der Stimulationstherapie, die nächtliche Atemaussetzer nachhaltig reduziert und somit ihre Schlaf- und Lebensqualität dauerhaft verbessert. "Viele unserer Patienten sind schwer herzkrank. Durch diese Therapie können gefährliche Sauerstoffabfälle vermieden werden", sagte Prof. Roland Tilz, Sektionsleiter Elektrophysiologie.

Zur Stimulation der oberen Atemwege wird ein Gerät von der Größe einer Streichholzschachtel unter Vollnarkose unterhalb des Schlüsselbeins implantiert. Nachts sendet der Zungenschrittmacher im Atemrhythmus milde Stromimpulse über eine Sonde an den Zungennerv. Mit der Einatmung wird die Zunge nach vorn gebracht, sodass sich der Rachenraum öffnet. Vor dem Schlafengehen aktiviert der Patient den Zungenschrittmacher mithilfe einer Fernbedienung.

Der Zwerchfellschrittmacher hingegen wird nicht von den Betroffenen selbst eingeschaltet, sondern individuell auf die Schlafenszeiten programmiert. Die Stimulationselektroden geben in den Gefäßen des Brustraums automatisch elektrische Impulse ab, die eine Bewegung des Atemmuskels Zwerchfell und damit das Einatmen bewirken. Die Stimulatoren werden regelmäßig kontrolliert und angepasst. Bei beiden Lübecker Patienten zeigten sich bei den Vortestungen, während der Implantationen und bei der Nachkontrolle keine negativen Wechselwirkungen. "Hiermit ergibt sich eine neue Therapieoption für viele Patienten, die sonst aufgrund der unbewusst angehaltenen Atmung keine Chance auf einen guten Nachtschlaf haben. Die Zusammenarbeit der Expertinnen und Experten der HNO und der Kardiologie schafft ganz neue Möglichkeiten der Patientenversorgung", betonten Steffen und Tilz.

*

Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 2, Februar 2022
75. Jahrgang, Seite 37
Herausgeber: Ärztekammer Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-0, Fax: 04551/803-101
E-Mail: info@aeksh.de
Internet: www.aeksh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 12. März 2022

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang