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NEUROLOGIE/726: Schuppenflechtemedikament gegen Multiple Sklerose (RUBIN)


RUBIN - Wissenschaftsmagazin, Winter 2012
Ruhr-Universität Bochum

Schuppenflechtemedikament gegen Multiple Skerose
Hochwirksam und dennoch ungefährlich: Fumarsäureester gegen MS

Von Ralf Gold, Gisa Ellrichmann und Ralf Linker



Bochumer Erfolgsweg bei schubförmiger Multipler Sklerose

Die Multiple Sklerose ist bis heute nicht heilbar. Mit neuen Medikamenten lässt sich ihr Verlauf verlangsamen, jedoch sind die Wirkstoffe entweder in ihrer Wirksamkeit eingeschränkt oder mit gravierenden Nebenwirkungen verbunden. Hoffnung kommt aus der Dermatologie. Bochumer Forscher haben entdeckt, dass ein seit langem gegen Schuppenflechte bewährter Wirkstoff auf Basis der Fumarsäure die MS-Symptome stark bessert. Nun gelang ihnen der Nachweis, wie Fumarsäureester Nervenzellen schützen.


Die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose (MS) ist als chronische Erkrankung des zentralen Nervensystems die häufigste neurologische Ursache von Behinderungen bei jungen Erwachsenen. Wir rechnen momentan in Deutschland mit etwa 130.000 Erkrankten, wobei rund 70 Prozent der Betroffenen Frauen sind.

Bei MS greift das körpereigene Immunsystem die "Isolierschicht" der Nervenfaserbahnen (Myelinscheiden) an und zerstört sie. Häufige Frühsymptome der MS, sogenannte Schübe, sind Sehstörungen durch Sehnerventzündung (Optikusneuritis), Lähmungen der Arme und Beine, die ihren Ursprung in Entzündungsherden im Gehirn oder Rückenmark haben, und Gefühlsstörungen (Abb. 1). Schübe dauern mehr als 24 Stunden an und werden üblicherweise mit Hochdosiskortison behandelt, um die Rückbildung des Schubs zu beschleunigen. In spezialisierten Zentren besteht bei sehr schweren Schüben, die sich unter der Kortisonbehandlung nicht bessern, die Möglichkeit der Blutwäsche (Plasmapherese).

Im Krankheitsverlauf werden typischerweise alle Regionen des Zentralnervensystems - Gehirn und Rückenmark - betroffen. Die Entzündungen führen zu Koordinationsstörungen, Störungen der Feinmotorik, aber auch Konzentrationsstörungen, Blasenfunktionsstörungen, Erschöpfungszuständen und depressiven Verstimmungen.

Die Erkrankung verläuft unterschiedlich: Etwa 90 Prozent der Patienten erkranken an der schubförmig-remittierenden Verlaufsform, bei der sich die Schübe zunächst wieder zurückbilden. Bei der Hälfte der Patienten geht die Krankheit nach 10 bis 15 Jahren ohne adäquate Behandlung in die sekundär-chronisch progredient verlaufende Form der MS über, bei der keine Besserung zwischen Schüben mehr vorkommt. Etwa zehn Prozent der Patienten leiden an einer primär progredienten Form, haben also nie Schübe mit Rückbildungen (Abb. 2). Bei dieser Form der MS sind Männer und Frauen gleich häufig betroffen.

Trotz intensiver Forschung und Entwicklung neuer Therapieansätze ist die MS bisher nicht heilbar. Dennoch haben sich bei der Behandlung der schubförmigen MS in den letzten 20 Jahren große therapeutische Fortschritte ergeben. In den 1990er-Jahren kamen injizierbare Medikamente auf den Markt, die das Immunsystem modulieren. Diese β-Interferone und das Glatirameracetat reduzieren die Häufigkeit von Schüben um etwa ein Drittel und führen dazu, dass sich deutlich weniger neue Entzündungsherde in Gehirn und Rückenmark bilden. Mit der Kernspintomografie (Abb. 3 und 4) sind bei so behandelten Patienten etwa 70 Prozent weniger neue Entzündungsherde sichtbar. Diese Medikamente sind zwar ungefährlich, aber auch in ihrer Wirksamkeit limitiert.

Für besonders schwere Verläufe blieb das Chemotherapeutikum Mitoxantron reserviert. Es kommt ursprünglich aus der Krebstherapie und ist mit schweren Nebenwirkungen wie Herzmuskelschwäche, Sekundärleukämie oder Unfruchtbarkeit verbunden. Durch den 2006 eingeführten monoklonalen Antikörper Natalizumab ist es gelungen, die MS-Schübe um bis zu 68 Prozent zu reduzieren. Der durch zell- und molekularbiologische Methoden hergestellte Antikörper bindet an bestimmte Strukturen auf der Oberfläche von weißen Blutkörperchen und hindert sie so an ihrer Wanderung durch die Gefäßwand in entzündetes Gewebe. So unterbindet der Wirkstoff die zerstörerische Wirkung der weißen Blutzellen, die sich bei MS gegen die Isolierschicht der Nervenfaserbahnen richtet. Da die weißen Blutkörperchen eigentlich der Vernichtung schädlicher Fremdkörper wie Viren oder Bakterien dienen, muss man so allerdings auch eine Schwächung der Immunabwehr in Kauf nehmen. Die Folge sind schwere sogenannte opportunistische Virusinfektionen des Gehirns wie die progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML), die tödlich enden kann.

Das unlängst in Kapselform zugelassene Fingolimod, das ebenfalls das Immunsystem unterdrückt, verspricht eine annähernd gleiche Wirkstärke, aber auch hier sind umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen gegen opportunistische Infektionen erforderlich. Vor diesem Hintergrund besteht nach wie vor ein Bedarf an hochwirksamen und ungefährlichen Immuntherapeutika.

Hoffnung für Patienten kommt aus einer ganz unerwarteten Richtung: der Dermatologie. Hier werden schon seit langem erfolgreich Fumarsäureester gegen Schuppenflechte eingesetzt (Info), die ebenfalls eine Autoimmunerkrankung ist. Fumarsäure ist eine in vielen Pflanzen, Pilzen und Flechten enthaltene Fruchtsäure, die auch als Säuerungsmittel in der Lebensmittelindustrie zugelassen ist und im menschlichen Körper vorkommt. Die Reinsubstanz ist allerdings nicht wirksam gegen Schuppenflechte; erst die unter Einsatz von Alkohol entstehenden Ester entfalten eine therapeutische Wirkung bei Autoimmunerkrankungen.


info
Geschichte der Fumarsäureester gegen Autoimmunerkrankungen
Der Entwicklungsweg der Fumarsäureester als Therapeutika bei Autoimmunerkrankungen ist von vielen glücklichen Fügungen gekennzeichnet. Es begann damit, dass der selber an Schuppenflechte (Psoriasis) erkrankte Biochemiker Dr. Walter Schweckendiek und der Allgemeinmediziner Dr. Günther Schäfer in den 1950er- und 1960er-Jahren die Wirksamkeit der Substanz postulierten: Bei Autoimmunerkrankungen brauchten T-Zellen des Immunsystems Energie und durch Fumarsäureester werde der Citratzyklus manipuliert, ein Kreislauf biochemischer Reaktionen in Zellen, der der Energiegewinnung dient. Nach erfolgreichem Einreiben mit einer Fumarsäure-Paste gingen die beiden weiter und begannen, verschiedene Mischungen von Fumarsäureestern zu entwickeln und im Selbstversuch einzunehmen. In den Folgejahren hat Dr. Schäfer in seiner Praxis viele Psoriasis-Patienten erfolgreich behandelt, was zur damaligen Zeit ein grandioser Fortschritt war. In der akademischen Medizin haben Prof. Dr. Peter Altmeyer und Dr. Uli Matthes in Bochum die Fumarsäureester zielstrebig weiter erforscht und entgegen dem damaligen 'dermatologischen Mainstream' weiter etabliert, bis sie zur anerkannten Ersttherapie der schweren Psoriasis wurden.


Die Bochumer Kooperation zwischen Dermatologie und Neurologie im RUB-Klinikum St. Josef Hospital führte zur Anwendung von Fumarsäureestern bei neurologischen Autoimmunerkrankungen. Denn bei Patienten, die sowohl an MS als auch an Schuppenflechte litten und die mit Fumarsäureestern behandelt wurden, besserten sich auch die MS-Symptome. Die Mediziner des RUB-Klinikums gewannen in der Folge überraschende Erkenntnisse zu Nerven schützenden (neuroprotektiven) Wirkmechanismen der Fumarsäureester. Aktuell haben ihre therapeutischen Wirkungen bei Multipler Sklerose großes internationales Aufsehen erregt.

Eine Mischung verschiedener Fumarsäureester ist seit den 1990er-Jahren unter dem Namen Fumaderm® auf dem deutschen Markt. Die Aufnahme des Wirkstoffs im Körper erfolgt über den Dünndarm; geringe Mengen werden über Urin und Stuhl ausgeschieden. Die Halbwertszeit des Doppelesters Dimethylfumarat (DMF) beträgt nur wenige Minuten. Durch spaltende Enzyme, sogenannte Esterasen, wird DMF in der Darmschleimhaut schnell in Monomethylfumarat (MMF) verstoffwechselt, welches eine Halbwertszeit von etwa 60 Minuten im menschlichen Blut besitzt. Das kleine Molekül MMF kann auch die schützende Barriere der Bluthirnschranke überwinden, die das Gehirn von vielen Wirkstoffen abschirmt: Im experimentellen Modell konnten wir lokale Wirkspiegel des Fumarsäureesters im Gehirn von bis zu drei Mikromol messen, die bei MS am Ort der Entzündung therapeutisch aktiv sein können.

Bereits in der Dermatologie wurden verschiedene Immunmechanismen untersucht. Man postulierte, dass Schlüsselzellen des Immunsystems, sogenannte Dendritische Zellen, durch den Wirkstoff die weißen Blutkörperchen (Lymphozyten) von einer aggressiven sogenannten TH1-Form in eine immunregulierende TH2-Form umwandeln, die über verschiedene Botenstoffe autoaggressive Zellen quasi beruhigen. Da die Autoimmunerkrankung Schuppenflechte durch T-Zellen des Immunsystems vermittelt wird, ist es schlüssig, dass sie durch eine Umprogrammierung des Immunsystems abgeschwächt oder sogar völlig unterdrückt wird.

Als wir 2004 noch im Göttinger MS-Institut erstmalig die Wirkung von Fumarsäureestern im experimentellen Modell einer der MS ähnlichen Erkrankung (Experimental Autoimmune Encephalomyelitis, EAE) an Mäusen untersuchten, bemerkten wir, dass die Einwanderung sogenannter Fresszellen des Immunsystems (Makrophagen - Mikroglia) im entzündeten Rückenmark der Tiere deutlich gehemmt war. Gleichzeitig stellten wir fest, dass der Abbau der Myelinscheiden der Nervenzellen (Demyelinisierung, Entmarkung) reduziert war. Es blieben mehr Markscheiden intakt, die die Nervenfasern umhüllten. Letztlich konnten wir auch deutlich höhere Dichten der Nervenfasern (Axone) nachweisen, wodurch erklärt war, dass die Mäuse unter Fumarsäureester-Behandlung geringere Symptome zeigten.

Unklar blieb zu diesem Zeitpunkt noch der Grund für diese Befunde: Wir vermuteten, dass durch Fumarsäureester primär der Schaden im Nervensystem geringer war und dadurch auch weniger Fresszellen als "Aufräumer" eingewandert waren. Das spräche für einen schützenden Effekt des Wirkstoffs auf die Nervenzellen, zusätzlich zu der von der Dermatologie angenommenen Immunmodulation. Für diese Hypothese sprach, dass wir nur eine geringe Reduktion entzündlicher T-Zellen des Immunsystems beobachteten.

In weiterführenden Untersuchungen zeigte sich dann, dass bereits in Zellkulturen durch die Zugabe von Fumarsäureestern schützende, antioxidative Stoffwechselwege angestoßen werden. Der molekulare Vermittler ist der Transkriptionsfaktor Nrf2 (nuclear factor derived-E2-related factor 2, Abb. 5), ein regulierendes Protein in Nervenzellen. Normalerweise ist dieser Faktor in der Zellflüssigkeit durch seinen Gegenspieler Keap blockiert. Die Fumarsäureester führen über eine Sulfidierung von Keap zur Ablösung der Blockade, so dass Nrf2 in den Zellkern wandern kann und verschiedene antioxidative Wege anregt (Abb. 5). Diese neutralisieren verschiedenartige Zellgifte, die durch sogenannte Freie Radikale und andere Formen oxidativen Stresses entstehen.

Im experimentellen Modell kann man das sehr gut zeigen: Man kann das Eindringen von Nrf2 in den Zellkern unter dem Mikroskop sowohl in Nervenzellen, aber auch in markscheidenbildenden Oligodendrozyten sowie in Astrozyten, die die Gehirnnervenzellen umgeben, beobachten. Damit wurde klar, dass die Nervenzellen quasi wie durch eine Firewall vor entzündlichen Botenstoffen, insbesondere Freien Radikalen und Stickoxid, geschützt werden. Ein therapeutisch vermittelter Schutzmechanismus im Nervensystem wäre eine Neuheit bei der Therapie der MS, wobei entsprechende Untersuchungen beim Menschen naturgemäß nur eingeschränkt möglich sind und sich solche Hypothesen nur durch indirekte Ansätze wie Kernspintomografie überprüfen lassen (Abb. 3 und 6).

In weiteren experimentellen Untersuchungen konnte auch an einem Modell der sehr schweren, neurodegenerativen Huntington-Erkrankung ein Schutzeffekt für Nervenzellen durch Fumarsäureester demonstriert werden. Bei der Huntington-Erkrankung führen Gendefekte zu Störungen im Zellstoffwechsel und damit zum Absterben von Nervenzellen. In Deutschland leiden etwa 10.000 Menschen an dieser erblichen Erkrankung, die unaufhaltsam voranschreitet und jahrelang ein Leben mit schwersten Behinderungen bedingt. Huntington-Mäuse mit einem ähnlichen Gendefekt lebten durch die Behandlung mit Fumarsäureester länger und aktiver, auch überlebten bei ihnen mehr Nervenzellen als bei unbehandelten Huntington-Mäusen.

Weitere laufende Untersuchungen an neuroimmunologischen Modellen zeigten bei der MS-ähnlichen Krankheit EAE eine Wirkverstärkung der Fumarsäureester durch Kombination mit Interferonen, bestimmten Botenstoffen des Immunsystems. Auch bei spontan verlaufenden, genetisch bedingten EAE-Erkrankungen waren Fumarsäureester wirksam.

Nachdem die Bochumer Dermatologen MS-Patienten wegen einer gleichzeitigen Schuppenflechte mit Fumarsäureestern behandelten, stellte der damalige Klinikdirektor der Neurologie, Prof. Dr. Horst Przuntek, eine deutliche Besserung der MS fest. Dies führte zu einer kleinen Untersuchung an zehn Patienten mit schubförmiger MS. Über 70 Wochen hinweg beobachteten die Kollegen signifikant seltenere Schübe und bis zu 90 Prozent verringerte MS-typische Veränderungen auf Kernspin-Aufnahmen.

Abb. 6: Kleinhirn bzw. Hirnstamm einer mit dem Fumarsäueester DMF behandelten Maus, die an der Modellerkrankung EAE leidet. Nervenzellen erscheinen grün, in rot ist Nrf2 zu erkennen, das als Folge der Fumarsäureester-Therapie in den Zellkern gewandert ist.

Es folgte eine von der Firma BiogenIdec gesponserte Dosisfindungsstudie der Phase II (klinische Studie mit mehreren Hundert Patienten). Ergebnis: Die Einzelgaben des Medikaments müssen mindestens 240 mg DMF, als 'BG12' bezeichnet, enthalten. In darauf folgenden Phase III-Studien mit über 2400 Patienten wurden Patientengruppen verglichen, die Tagesdosen von 2 x 240 mg oder 3 x 240 mg DMF pro Tag als Tablette einnahmen, beziehungsweise Placebopräparate oder eine etablierte Basistherapie (Glatirameracetat) bekamen. Die Fumarsäureester reduzierten die Schubraten um bis zu 50 Prozent und führten zu bis zu 90 Prozent weniger entzündlich aktiven Herden, die mit der Kernspintomografie sichtbar waren. Die Ergebnisse der zweimal täglichen Einnahme waren vergleichbar zur Dreimaleinnahme.

Zu den Nebenwirkungen der Behandlung mit Fumarsäureestern gehören Magen-Darm-Probleme, die in der Dermatologie bei etwa 20 Prozent der Patienten nach der Einnahme des Medikaments eintreten. Grund dafür ist, dass bei der Aufnahme von Fumarsäureestern durch die Darmschleimhaut lokal irritierende Entzündungsbotenstoffe (Zytokine) freigesetzt werden.

Das Präparat BG12 wurde daher so formuliert, dass die Wirkstoffe verzögert freigesetzt werden. Dadurch kamen Magen-Darm-Unverträglichkeiten in den Phase III-Studien mit drei bis fünf Prozent deutlich seltener vor als beim dermatologischen Präparat. Als häufigste Nebenwirkung in den Studien beobachteten wir neben den Verdauungsstörungen eine nach der Einnahme auftretende Hautrötung, die sogenannte Flush-Symptomatik. Etwa 40 Prozent der Patienten reagierten derart. Diese Reaktion ist sicher unangenehm, aber keinesfalls gefährlich. Nach vier bis sechs Wochen der Behandlung kam sie nicht mehr vor. Auch sonst gab es keine Hinweise für immunsuppressive Wirkungen, opportunistische Infektionen oder gar die Entstehung von Krebs, die aus der Umprogrammierung des Immunsystems resultieren kann, da es unseren Körper auch vor der Krebsentstehung schützt. Regelmäßige Blutbildkontrollen in etwa zweimonatigen Abständen waren unauffällig. Hochwirksam und trotzdem ungefährlich - eine neue Erfahrung in der MS-Therapie!

Mit den Fumarsäureestern erweitert sich das Spektrum von Therapien in der Behandlung der schubförmigen MS. Insbesondere die Kombination aus hoher Wirksamkeit und Sicherheit, die mit der alten Formulierung aus der Dermatologie bereits aus über 150.000 Patientenjahren bekannt ist, machen das Medikament zu einer interessanten Behandlungsoption. Auch bietet die orale Einnahme einen Vorteil für viele MS-Patienten, die mittlerweile schon 'spritzenmüde' sind. Mit der für Frühjahr 2013 erwarteten Zulassung steht die Substanz dann auch den Patienten 'offiziell' zur Verfügung, momentan sind nur sogenannte off-label-Verschreibungen möglich.

Es könnte sein, dass Fumarsäureester aufgrund der beschriebenen experimentellen Beweise für den schützenden Effekt auf Nervenzellen auch bei anderen, bisher als unbehandelbar geltenden neurodegenerativen Erkrankungen wirksam sind. In Kürze wird eine Studie zu Fumarsäureestern bei Motoneuronerkrankungen beginnen, einer Gruppe von Erkrankungen, die Nervenzellen betreffen, welche für willkürliche Bewegungen notwendig sind. Zu den Motoneuronerkrankungen gehört unter anderem die amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Auf alle Fälle sollten Studien für die einzelnen Erkrankungen durchgeführt werden.

Schon jetzt kann man jedoch guten Gewissens sagen: Die Fumarsäureester haben von Bochum aus ihren Weg in die Welt der MS-Therapie genommen!


Prof. Dr. Ralf Gold, Dr. Gisa Ellrichmann und PD Dr. Ralf Linker (derzeit Neurologische Universitätsklinik, Universität Erlangen), Neurologische Klinik, St. Josef Hospital, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. 1, S. 6-7:
Prof. Dr. Ralf Gold bei der Untersuchung eines Patienten im St. Josef Hospital. Während eines Schubs kann die Kraft zum Beispiel in den Beinen eingeschränkt sein.

Abb. 2, S. 9:
Bei etwa 90 Prozent der MS-Patienten treten zunächst Schübe auf, die sich vollständig oder teilweise wieder zurückbilden (A, B). Etwa zehn Prozent der Patienten erleben nie Schübe, die Krankheit schreitet von Beginn an immer weiter fort (C, D). Nach mehreren Jahren geht bei etwa der Hälfte der Patienten mit Schüben die MS ohne angemessene Behandlung in die sogenannte sekundär-chronisch progrediente Form über (E, F).

Abb. 3, S. 10:
Kernspintomografische Aufnahmen des Gehirns eines MS-Patienten in verschiedenen Ebenen. In weiß sind die typischen Entzündungsherde zu erkennen, die durch ein Kontrastmittel sichtbar werden. Oben: Gesamte Herde. Unten: Neue Herde.

Abb. 4, S. 11:
Prof. Gold und Barbara Zurawski betrachten kernspintomografische Aufnahmen einer Patientin, in deren Rückenmark die charakteristischen weißen Entzündungsherde der MS zu erkennen sind.

Abb. 5, S. 12:
Schematische Darstellung von Fumarsäureester-induzierten Nrf2-Signalwegen: Der Fumarsäureester löst Keap 1, Gegenspieler von Nrf2, und hebt so dessen Blockade auf. Dadurch kann Nrf2 in den Zellkern wandern und dort verschiedene Signalketten anstoßen, die die Zelle schützen.

Abb. 6, S. 13:
Kleinhirn bzw. Hirnstamm einer mit dem Fumarsäueester DMF behandelten Maus, die an der Modellerkrankung EAE leidet. Nervenzellen erscheinen grün, in rot ist Nrf2 zu erkennen, das als Folge der Fumarsäureester-Therapie in den Zellkern gewandert ist.


Den Artikel mit Bildern finden Sie im Internet im PDF-Format unter:
http://www.ruhr-uni-bochum.de/rubin/rubin-herbst-2012/pdf/beitrag1.pdf

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Quelle:
RUBIN - Wissenschaftsmagazin, Winter 2012, S. 6-13
Herausgeber: Rektorat der Ruhr-Universität Bochum
in Verbindung mit der Stabsstelle Strategische PR
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. März 2013