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BILDUNG/782: Das Mentoring-Programm der Ärztekammer Schleswig-Holstein (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 3/2012

Starkes Tandem
Das Mentoring-Programm der Ärztekammer Schleswig-Holstein

Von Dirk Schnack



Mentor Prof. Jan Rupp betreut Dr. Kristina Rohmann auf ihrem Weg zur Internistin. Die beiden Lübecker Ärzte nehmen am Mentoring-Programm der Ärztekammer Schleswig-Holstein teil. Ihre Erfahrungen könnten weitere Ärzte motivieren.

Ein halbes Jahr lang auf die Forschung konzentrieren, sich nicht um die Weiterbildung kümmern - das ist für viele junge Ärzte heute unvorstellbar. Die Weiterbildung versuchen viele von ihnen in der Mindestdauer zu absolvieren, Ausfallzeiten werden von ihnen als Verlust betrachtet. Kristina Rohmann fiel die Vorstellung, sich zwischendurch auf andere Ziele einzulassen, genauso schwer. Als sie es dennoch tat, kam das Gefühl: "Du bist jetzt draußen, die anderen überholen Dich in der Weiterbildung, sind schneller fertig."

Kein angenehmes Gefühl. Für die junge Frau war klar, dass sie Klinik und Forschung zusammenbringen wollte, aber dies alleine umzusetzen, war schwierig. Dazu brauchte sie die Unterstützung ihres Mentors Prof. Jan Rupp. Heute ist die Nachwuchswissenschaftlerin froh, dass Rupp sie bestärkt hat, ihren Weg zu gehen. Der ist für beide heute ganz klar: Kristina Rohmann will Fachärztin für Innere Medizin werden, aber auch ihren wissenschaftlichen Neigungen nachgehen. Das kann sie nicht gleichzeitig. "Sie kann aber beide Ziele erreichen, wenn sie wechselseitig Schwerpunkte setzt. Wenn sich dadurch die Facharztprüfung verschiebt, ist das nicht dramatisch - als Ärztin kann sie noch lange genug arbeiten", sagt Rupp. Seine 29-jährige Mentee ist inzwischen im dritten Jahr der Weiterbildung und überzeugt, dass die wechselseitige Konzentration auf Forschung und Weiterbildung für sie persönlich der richtige Schritt war.

Rupp und Rohmann kannten sich durch die Arbeit in der Lübecker Mikrobiologie schon vorher, zum strukturierten Mentoring kam es aber erst durch das Programm der Ärztekammer Schleswig-Holstein. Vor einem Jahr fuhr Rohmann zu einer Veranstaltung der Kammer nach Bad Segeberg, um sich Erfahrungen von Mentoren und Mentees anzuhören. Zurück in Lübeck sprach sie Rupp an und fragte ihn, ob er das Mentoring für sie übernehmen würde. Der 39-Jährige erinnerte sich an seine eigene Weiterbildungszeit und kam zu dem Schluss, dass für ihn selbst ein Mentor hilfreich gewesen wäre - er nahm an. Die beiden einigten sich auf ein regelmäßiges Gespräch im Monat, in dem sie über das berufliche Fortkommen und die sich dabei aufbauenden Hürden von Rohmann sprechen.

Die Ärztin sieht in dem Programm Nutzen in dreifacher Hinsicht für sich:

1.‍ ‍Besseres Vertreten der eigenen Position: Das gilt gegenüber ihren Vorgesetzten und gegenüber ihren Kollegen. "Ich hatte vorher immer das Gefühl, mich für meine Auszeit für die Wissenschaft gegenüber Kollegen rechtfertigen zu müssen. Heute kann ich besser argumentieren, dass zum Beispiel die Vorbereitung auf einen Kongress eben keine Freizeit, sondern Arbeit ist", sagt Rohmann. Von ihrem Chef erhält sie in dieser Hinsicht zusätzliche Unterstützung. Das schlechte Gewissen, das sie vorher beschlichen hat, wenn sie die Arbeit auf Station zugunsten der Forschung vernachlässigen musste, ist der Gewissheit gewichen, dass diese Tätigkeit nicht weniger sinnvoll ist.

2.‍ ‍Konzentration auf Schwerpunkte: "Die vielen Möglichkeiten nach der Approbation waren verlockend, aber auch ein Risiko", sagt Rohmann rückblickend. Weil sie am liebsten mehrere Ziele gleichzeitig erreichen wollte, drohte sie sich zu verzetteln. Heute ist sie strukturiert und konzentriert - in der Weiterbildung und in der Forschung.

3.‍ ‍Verbindungen schaffen und pflegen: Ein Netzwerk zu bilden ist für junge Wissenschaftler ohne Unterstützung von erfahrenen Kollegen kaum möglich. Rupp zeigte ihr den Weg, wo sie sich etwa um Stipendien bemühen konnte. "Mein Mentor hatte Ideen, auf die ich selbst nicht unbedingt gekommen wäre", sagt Rohmann.

Die junge Ärztin ist überzeugt, dass längst nicht jeder ein Fall für das Mentoring-Programm ist. Sie hat zum Beispiel beobachtet, dass ihre männlichen Kollegen es meist besser verstehen, ihre eigenen Interessen in den Kliniken durchzusetzen und ihren Vorgesetzten klar zu verstehen geben, wann sie welchen Abschnitt ihrer Weiterbildung wo zu absolvieren gedenken. Dies war auch eine der Überlegungen, die zum Start des Mentoring-Programms - ursprünglich gezielt für Ärztinnen - geführt hatten. Bei vielen anderen Tandems geht es oft auch um die Frage, wie junge Ärztinnen ihre Weiterbildung und ihre weitere Karriere mit dem Familienleben koordinieren können. Nach den bisherigen Erfahrungen sind Rohmann und Rupp überzeugt, dass das Programm besonders dann hilfreich ist, wenn der Mentor eine inhaltliche Nähe zur geplanten Karriere der Mentee hat. Eine vorherige persönliche Bekanntschaft halten beide nicht für unbedingt erforderlich. Fest steht, dass Kristina Rohmann ihre anfängliche Unsicherheit über ihren Weg längst verloren hat. Für sie ist heute klar, dass ihre Weiterbildung ruhig ein wenig länger als fünf Jahre dauern darf. Wenn sie heute nicht forscht, wird sie es auch später nicht mehr tun.

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Informationen zum Mentoring-Programm der Ärztekammer Schleswig-Holstein

Aktiv - Aktiv beteiligen sich 42 Mentorinnen und sechs Mentoren
Start - Beginn im Juli 2008
Ende - individuell
Treffen - Die Häufigkeit der Treffen bestimmen Mentor und Mentee
Mentorinnen - Es gibt Mentorinnen, die zwei oder drei Mentees betreuen
Tandems - Seit Beginn des Programms konnten 52 Tandems gebildet werden
Information - Eine weitere Einführungsveranstaltung ist für den 17./18. August 2012 geplant
Gremium - Das zuständige Gremium ist der Ausschuss Ärztinnen der Ärztekammer Schleswig-Holstein
Interesse - Interessierte Mentee, Mentorinnen und Mentoren können sich gerne melden
Ansprechpartner: Dr. Uta Kunze, MPH (04551/803-165) und Patrizia Segler (04551/803-124), E-Mail mentoring@aeksh.org


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 3/2012 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2012/201203/h12034a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt März 2012
65.‍ ‍Jahrgang, Seite 20 - 23
Herausgeber: Ärztekammer Schleswig-Holstein
V.i.S.d.P.: Dr. Franz Bartmann
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-119, -127, Fax: -188
E-Mail: aerzteblatt@aeksh.org
Internet: www.aerzteblatt-sh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2012