Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → FAKTEN


ETHIK/1199: Kein Recht auf einen assistierten Suizid (ALfA LebensForum)


ALfA LebensForum Nr. 115 - 3. Quartal 2015
Zeitschrift der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA)

Bioethik-Splitter
EGMR: Es gibt kein Recht auf einen assistierten Suizid

Von Sebastian Sander


Straßburg (ALfA). Es gibt kein Grundrecht auf assistierten Suizid. Das hat Mitte Juli der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg bekräftigt (Az.: 2478/15). Die Richter wiesen die Klage einer Britin als unbegründet ab. Mit der Klage wollte die Frau die vermeintlichen Rechte ihres inzwischen verstorbenen Mannes geltend machen. Nach einem Schlaganfall litt dieser unter dem Locked-in-Syndrom: Er war bei vollem Bewusstsein, sein Körper aber fast völlig gelähmt. Laut den britischen Gerichten habe er sterben wollen, sei aber aufgrund seiner Lähmungen nicht in der Lage gewesen, sich ohne fremde Hilfe das Leben zu nehmen.

Beihilfe zum Suizid ist in Großbritannien strafbar und kann mit bis zu 14 Jahren Haft geahndet werden. Mit der Klage wollte der Mann erreichen, dass die britischen Gerichte seinen Sterbewunsch akzeptieren. Dies war jedoch bis hinauf zum Obersten Gerichtshof erfolglos geblieben. Daraufhin verweigerte der Mann die weitere Aufnahme von Nahrung, Flüssigkeit und Medikamenten und starb im August 2012. Seine Ehefrau rief später den EGMR an. Das Verbot des assistierten Suizids, die Strafandrohung bei entsprechender Hilfe sowie das Urteil des Obersten Gerichtshofs in Großbritannien hätten das Grundrecht ihres Mannes auf Privat- und Familienleben verletzt.

Der EGMR wies die Beschwerde ab. In ihrer Begründung beriefen sich die Richter auf ein Urteil vom 29. April 2002 (Az.: 2346/02). Damals hatten die Straßburger Richter eine Britin mit einer unheilbaren, zuletzt ebenfalls zu völliger Lähmung führenden Muskelschwäche abgewiesen. Ein Recht auf assistierten Suizid lasse sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht unmittelbar ableiten. Unter den Zeichnerstaaten gebe es auch keinerlei Konsens in dieser Frage. Daher hätten die Staaten bei deren Regelung einen weiten Spielraum.

In dem von den Richtern nun zu entscheidenden Fall hatte die Ehefrau einen gesellschaftlichen Wandel geltend zu machen versucht. Die Bereitschaft, einen assistierten Suizid zu akzeptieren, sei deutlich gewachsen. Dem hat der EGMR nun widersprochen. Ein Konsens in dieser Frage sei nicht in Sicht. In dieser Situation biete die Menschenrechtskonvention den britischen Gerichten keinerlei Handhabe, sich über die Gesetzesentscheidungen des Parlaments hinwegzusetzen. Die Beschwerde sei offensichtlich unbegründet und daher unzulässig, befanden die Straßburger Richter.

*

Quelle:
LEBENSFORUM Ausgabe Nr. 115, 3. Quartal 2015, S. 12
Zeitschrift der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA)
Herausgeber: Aktion Lebensrecht für Alle e.V.
Bundesvorsitzende Dr. med. Claudia Kaminsky (V.i.S.d.P.)
Verlag: Ottmarsgäßchen 8, 86152 Augsburg
Tel: 0821/51 20 31, Fax: 0821/15 64 07
E-Mail: info@alfa-ev.de
Internet: www.alfa-ev.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Dezember 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang