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MELDUNG/025: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 18.12.09 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Bewegungsmechanismus von Malariaerregern aufgeklärt
→  Invasion ohne großen Aufruhr - Infektionsmechanismus von Salmonellen neu entdeckt
→  Neue genetische Ursache für Herzfehler und Kleinwuchs

Raute

Universitätsklinikum Heidelberg - 17.12.2009

Erst anheften, dann abreißen und weitergleiten
Bewegungsmechanismus von Malariaerregern aufgeklärt

Heidelberger Wissenschaftler veröffentlichen in "Cell Host & Microbe"

Wie gelangen einzellige Parasiten von der Speicheldrüse einer Mücke über die Haut des Menschen bis in dessen Blutzellen? Welche molekularen Mechanismen liegen dieser medizinisch sehr wichtigen Bewegung des Einzellers zugrunde? Eine Forschergruppe um Dr. Friedrich Frischknecht, Arbeitsgruppenleiter im Department für Infektiologie des Universitätsklinikums Heidelberg, hat das anfängliche Entwicklungsstadium des Malariaerregers mit neuartigen Mikroskopietechniken beobachtet und dabei herausgefunden, dass der Erreger ständig zwischen Phasen schnellen Gleitens und Phasen starker Anhaftung an die Umgebung wechselt. Das Zusammenspiel dieser beiden Prozesse erlaubt es dem Parasiten wahrscheinlich, seine Bewegung auf die Umgebung abzustimmen. Die Ergebnisse wurden im Rahmen des Exzellenzclusters CellNetworks erarbeitet und in dem angesehenen Journal "Cell Host & Microbe" veröffentlicht.

Das Exzellenzcluster CellNetworks

An der Studie waren Forscher aus drei verschiedenen Disziplinen im Rahmen des Exzellenzclusters CellNetworks beteiligt. Sie ist eine der ersten Studien überhaupt, bei denen moderne biophysikalische Methoden zur Untersuchung von Parasiten angewendet wurden. Federführend waren neben Dr. Friedrich Frischknecht, Abteilung Parasitologie, Professor Dr. Ulrich Schwarz vom Institut für Theoretische Physik und Professor Dr. Joachim Spatz vom Institut für Biophysikalische Chemie der Universität Heidelberg.

Ziel des Exzellenzclusters CellNetworks ist es, komplexe biologische Netzwerke zu beschreiben und zu verstehen. Es besteht aus zahlreichen wissenschaftlichen Institutionen im Raum Mannheim/Heidelberg und wurde 2006 im Rahmen der Exzellenzinitiative der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der Universität Heidelberg als eine der ersten Exzellenzeinrichtungen in Deutschland gegründet.

Wie funktioniert die Bewegungsmaschinerie der Malariaerreger?

Erreger der Malaria sind Plasmodien, kleine Parasiten, die durch einen Mückenstich vom Speichel der Mücke in den menschlichen Organismus gelangen. Dabei dringen sie mit zielgerichteten Eigenbewegungen von der Haut in die Blutbahn ein, und von dort in Leberzellen und anschließend in Blutkörperchen. Ein Plasmodium besteht aus einer einzigen Zelle, die an ihrer inneren Zellwand kleine Motoren (Myosin) hat, die über bewegliche Elemente (Aktin) mit der äußeren Zellwand verbunden sind. Dort befinden sich bestimmte Eiweißstrukturen (TRAP, thrombospondin-related anonymous protein), mit denen sich der Einzeller am Untergrund anheften kann. Die Bestandteile dieser für den Parasiten essentiellen Fortbewegungsmaschinerie sind also weitgehend bekannt, die räumliche und zeitliche Dynamik der einzelnen Komponenten ist jedoch noch unklar.

"Die "Stick-Slip" (Klebe-Gleit) Methode

Unter speziellen Mikroskopen haben die Forscher beobachtet, wie sich die Sporozoiten über das Eiweiß TRAP an mehreren Stellen an den Untergrund anheften und ihren Körper dann mithilfe der kurzen Aktinfilamente über diese Anheftungspunkte hinweg schieben. "Der Parasit kann sich nach vorne strecken, aber mit seinem hinteren Ende noch festkleben - dadurch wird elastische Energie aufgebaut. In dem Moment, wo sich die hintere Anheftung löst, wird diese Energie freigesetzt, und der Sporozoit schnellt in einer Gleitbewegung nach vorne", erklärt Dr. Friedrich Frischknecht. Die Forscher nennen diesen Mechanismus die "Stick-Slip" Methode. Die Schnelligkeit der Bewegung wird dabei über den Ab- und Wiederaufbau der Anheftungsstellen reguliert, deren Existenz und Dynamik jetzt zum ersten Mal beschrieben wurde.

Literatur:
Plasmodium sporozoite motility is modulated by the turnover of discrete adhesion sites.
Sylvia Münter, Benedikt Sabass, Christine Selhuber-Unkel, Mikhail Kudryashev, Stephan Hegge, Ulrike Engel, Joachim P. Spatz, Kai Matuschewski, Ulrich S. Schwarz, Friedrich Frischknecht.
Cell Host & Microbe, 2009.

Weitere Informationen
über die Parasitologie des Universitätsklinikums Heidelberg:
www.klinikum.uni-heidelberg.de/Parasitologie.1215.0.html?&FS=&L=

Ansprechpartner:
Dr. Friedrich Frischknecht
Parasitologie
Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 324
E-Mail: freddy.frischknecht@med.uni-heidelberg.de

Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang

Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der größten und renommiertesten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international bedeutsamen biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung neuer Therapien und ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 7.000 Mitarbeiter und sind aktiv in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 40 Kliniken und Fachabteilungen mit 1.600 Betten werden jährlich rund 500.000 Patienten ambulant und stationär behandelt. Derzeit studieren ca. 3.100 angehende Ärzte in Heidelberg; das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. (Stand 12/2008)
www.klinikum.uni-heidelberg.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image106548
Bildzeile: Links: Malariaparasit (grün) auf einem elastischen Gel mit Markerkügelchen in zwei Farben. Mitte: Die Markerkügelchen werden während der Bewegung des Parasiten ausgelenkt, hier dargestellt durch rote Pfeile. Rechts: Die gemessenen Zugkräfte werden farbig dargestellt. An der roten Stelle tritt die größte Zugkraft auf.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution665

Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg, Dr. Annette Tuffs, 17.12.2009

Raute

Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung - 17.12.2009

HZI-Forscher entdecken den Infektionsmechanismus von Salmonellen neu

Salmonellen sind die häufigste Ursache von Lebensmittelvergiftungen. Die Bakterien docken an Zellen der Darmwand an und veranlassen die Wirtszelle dazu, sie aufzunehmen. Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass die Salmonellen charakteristische Membranwellen auslösen müssen, um in die Darmzellen eindringen zu können. Forscher des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) haben nun genau diese gängige Lehrmeinung widerlegt.

"Damit muss der Infektionsmechanismus von Salmonellen neu überdacht werden", sagt Klemens Rottner, Leiter der Arbeitsgruppe "Zytoskelett Dynamik" am HZI. Die Arbeiten veröffentlichte jetzt die Fachzeitschrift "Cellular Microbiology".

Salmonellen sind äußerst anpassungsfähige Bakterien. Sie überleben mit und ohne Sauerstoff und können sich auch im Darm vermehren. Die Aufnahme erfolgt über verseuchte Eierspeisen wie Mayonnaise oder Rohmilchprodukte sowie Fleisch und Wurstwaren. Infektionen mit Salmonellen führen besonders bei immungeschwächten Menschen bereits kurz nach dem Verzehr zu heftigem Brechdurchfall und Fieber.

Obwohl Salmonellen als Krankheitserreger schon lange bekannt sind, ist ihr Infektionsmechanismus noch nicht vollständig geklärt. Die Bakterien injizieren mit einer "molekularen Spritze" einen Eiweißcocktail in die Wirtzelle. Dieser löst in ihr einen dramatischen Umbau von Filamenten des Zellskeletts unter der Zellmembran aus. Sie bildet Membranwellen, die die Bakterien umschließen und so ihr Eindringen augenscheinlich ermöglichen. Die auffälligen Wellen bezeichnen die Wissenschaftler auch als "Membranaufwerfungen" oder "Ruffles". Forscher hielten diese bisher für die Infektion absolut notwendig.

In einer Kooperation der Arbeitsgruppen "Zytoskelett Dynamik" und "Signaltransduktion und Motilität" am HZI ist es Forschern nun gelungen, die bisherige Infektionsstrategie von Salmonellen völlig neu zu beleuchten. "Wir wollten besser verstehen, wie die Salmonellen in die Wirtszelle eindringen", sagt Jan Hänisch, der dieses Thema in seiner Doktorarbeit bearbeitet. In einem Versuch mit Zellen, die bei der Infektion mit dem Erreger keine typischen "Wellen" ausbilden können, infizierten Bakterien trotzdem erfolgreich die Wirtszelle. "Wir haben damit erstmals gezeigt, dass "Ruffles" nicht essenziell sind für die Bakterien, um die Zellmembran zu durchqueren." Die Membranaufwerfungen waren oft ein charakteristisches Merkmal, um eindringende Salmonellen in die Wirtzelle nachzuweisen. Die Anwendung solcher Methoden zum Beispiel in der Diagnostik müsse nun neu überdacht werden.

In weiteren Experimenten entdeckte das Forscherteam außerdem einen neuen Baustein des Infektionsprozesses, genannt WASH. Er unterstützt die Bildung der Zellskelettfilamente und spielt damit eine entscheidende Rolle bei der Infektion. "Unsere Forschungsergebnisse haben einen weitreichenden Einfluss auf unser molekulares und mechanistisches Verständnis der Infektionsstrategie von Salmonellen", sagt Rottner, "und damit auf die Entwicklung zukünftiger Testverfahren der Invasion, so wie sie beispielsweise zur Entdeckung neuer Hemmstoffe eingesetzt werden können".

Originalartikel:
Molecular dissection of Salmonella-induced membrane ruffling versus invasion.
Hänisch J, Ehinger J, Ladwein M, Rohde M, Derivery E, Bosse T, Steffen A, Bumann D, Misselwitz B, Hardt WD, Gautreau A, Stradal TE, Rottner K.
Cell Microbiol. (2010) 12(1), 84-98.
doi:10.1111/j.1462-5822.2009.01380.x

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
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Die Invasion von Wirtszellen mit Salmonellen (rot) kann sowohl mit (Pfeile, oben) als auch ohne "Ruffles" (unten) erfolgen.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
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Quelle: Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Dr. Bastian Dornbach, 17.12.2009

Raute

Klinikum der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg - 17.12.2009

Neue genetische Ursache für Herzfehler und Kleinwuchs

In einer internationalen Zusammenarbeit unter Leitung des kürzlich berufenen Direktors des Instituts für Humangenetik der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Prof. Dr. med. Martin Zenker, ist es gelungen, eine neue genetische Ursache für die Kombination aus Herzfehlern und Kleinwuchs zu entdecken. Wie in der jüngsten Ausgabe der renommierten Zeitschrift Nature Genetics (doi:10.1038/ng.497) berichtet wird, konnte Prof. Zenker mit seinen Kooperationspartnern nachweisen, dass spezifische Veränderungen in dem Gen NRAS, das bisher nur als Tumor-Gen bekannt war, für das sog. Noonan-Syndrom verantwortlich sein können.

Die betroffenen Patienten fallen vor allem durch bestimmte angeborene Herzfehler, Wachstums- und Entwicklungserzögerungen auf. Für die Erkrankung, die im Übrigen mit einer geschätzten Häufigkeit von 1:2500 gar nicht einmal so selten ist, waren zuvor schon andere Gene bekannt, an deren Entdeckung Prof. Zenker bereits wesentlichen Anteil hatte. Durch den neuerlichen Forschungserfolg wird gleichsam ein weiteres Teil zu einem komplexen Puzzle beigetragen.

Die wissenschaftliche Bedeutung liegt nicht alleine in der Ursachenklärung und den damit verbundenen neuen diagnostischen Möglichkeiten für einen kleinen Kreis Betroffener. Vielmehr liefert diese Entdeckung einen wichtigen Schlüssel zum Verständnis der eigentlichen Funktion von NRAS und seines Zusammenwirkens mit den Produkten anderer Gene. Die beim Noonan-Syndrom vorliegenden Auffälligkeiten sind ein weiterer Beleg dafür, dass "Tumor-Gene" wie NRAS in Wirklichkeit wichtige Funktionen in der Steuerung von Organentwicklung, Wachstum und Hirnreifung haben. Eine begründete Hoffnung sieht Prof. Zenker darin,dass das Verständnis der Mechanismen, die angeborenen Erkrankungen und Entwicklungsstörungen wie dem Noonan-Syndrom zugrunde liegen, in Zukunft auch einmal gezielte Behandlungsmöglichkeiten eröffnen kann.

Originalpublikation:
A restricted spectrum of NRAS mutations causes Noonan syndrome
Nature Genetics (Published online: 6 December 2009 /
doi:10.1038/ng.497)
http://www.nature.com/ng/journal/vaop/ncurrent/abs/ng.497.html

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution117

Quelle: Klinikum der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Kornelia Suske, 17.12.2009

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Dezember 2009