Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → FAKTEN

MELDUNG/085: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 23.03.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Gefährliche Ordnungshüter - Immunzellen als mögliche Nervenzellkiller bei Alzheimer
→  Untersuchung zum Schlafmangel junger Eltern

Raute

Ludwig-Maximilians-Universität München - 22.03.2010

Gefährliche Ordnungshüter - Immunzellen als mögliche Nervenzellkiller bei Alzheimer

Die Mikroglia sind die Immunzellen des Gehirns und fungieren dort als eine Art Ordnungshüter. Wie ein internationales Team unter der Leitung des LMU-Forschers Professor Jochen Herms nun am Tiermodell zeigen konnte, tragen sie auch maßgeblich zum Niedergang der Neuronen bei einer Alzheimerschen Erkrankung bei. In Deutschland leiden etwa 1,2 Millionen Menschen an der fortschreitenden Demenz, wobei die Zahl der Betroffenen in den nächsten Jahren aufgrund der demografischen Entwicklung auf mehr als das Doppelte ansteigen könnte.

Die Forscher vermuten, dass die Nervenzellen unter dem Stress der Alzheimerschen Erkrankung einen Botenstoff aussenden, der die Mikroglia anlockt - und die Nervenzellen eliminieren lässt. Die Kommunikation von Nervenzellen und Mikroglia spielt demnach eine wichtige Rolle beim Nervenzellverlust im Verlauf der Alzheimerschen Erkrankung. "Dieses Ergebnis kann sich möglicherweise für die Entwicklung neuartiger Medikamente nutzen lassen, die den Untergang der Neuronen aufhalten" so Herms. (Nature Neuroscience online, 21. März 2010)

Weltweit leiden nach Schätzungen bis zu 18 Millionen Menschen an der Alzheimerschen Erkrankung - mit steigender Tendenz. Die Demenz wird durch einen bislang unaufhaltsamen Untergang von Nervenzellen im Gehirn ausgelöst. Zudem bilden sich krankhafte Ablagerungen körpereigener Eiweiße, die sogenannten Amyloid-ß-Plaques und Tangles. Um die Amyloid-ß-Plaques herum finden sich Mikrogliazellen in hoher Dichte, die als eine Art Ordnungshüter im Gehirn mit ihren dünnen Fortsätzen das Gewebe kontinuierlich nach Schäden absuchen. Ihre Rolle bei der Alzheimerschen Erkrankung wurde bisher vor allem im Zusammenhang mit dem Abbau der Amyloid-ß-Plaques untersucht.

Die Zwei-Photonen-Mikroskopie erlaubte den Forschern um Professor Jochen Herms vom Zentrum für Neuropathologie der LMU München einen direkten Blick in das Gehirn von Mäusen, die eine Alzheimer-Pathologie ausbilden. So konnten die Wissenschaftler das Schicksal einzelner Nervenzellen über Wochen und Monate verfolgen. Um Nervenzellen und Mikroglia im lebenden Tier sichtbar zu machen, wurden diese Zellen mit fluoreszierenden Proteinen markiert.

Erstmals konnte dabei der Verlust von Nervenzellen im Gehirn einer lebenden Maus direkt beobachtet werden. Dabei zeigte sich, dass dem Verlust der Nervenzellen eine Aktivierung von Mikrogliazellen vorausgeht. "Wir vermuten, dass die erkrankten Nervenzellen einen chemischen Botenstoff ausschütten, der die Mikrogliazellen anlockt", sagt Herms. "Dabei handelt es sich wahrscheinlich um das Chemokin Fractalkine, das an einen Rezeptor an der Oberfläche der Mikrogliazellen andockt." Fehlte dieser Rezeptor, wurde der Nervenzellverlust gestoppt.

Diese Ergebnisse zeigen, dass die Mikrogliazellen bei der Alzheimerschen Erkrankung nicht nur an Abräumprozessen der typischen Amyloid-Ablagerungen beteiligt sind, sondern auch aktiv zum Nervenzelluntergang beitragen. Der Kommunikation von Nervenzellen und Mikroglia über den Fractalkine-Rezeptor kommt demnach eine wichtige Rolle beim Nervenzellverlust im Verlauf der Alzheimerschen Erkrankung zu. "Dieses Ergebnis kann sich möglicherweise für die Entwicklung neuartiger Medikamente nutzen lassen, die den Untergang der Neuronen aufhalten," so Herms. (KS/suwe)


Publikation:
"Microglial CX3CR1 knockout prevents neuron loss in an Alzheimer's disease mouse model"
Martin Fuhrmann, Tobias Bittner, Christian K.E. Jung, Steffen Burgold, Richard M. Page, Gerda Mitteregger, Christian Haass, Frank M. LaFerla, Hans Kretzschmar, and Jochen Herms
Nature Neuroscience online, 21. März 2010

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Jochen Herms
Zentrum für Neuropathologie der LMU
E-Mail: Jochen.Herms@med.uni-muenchen.de
Web: www.neuropathologie.med.uni-muenchen.de/herms

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution114

Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München, Luise Dirscherl, 22.03.2010

Raute

Technische Universität Dresden - 22. März 2010

Untersuchung zum Schlafmangel junger Eltern

So sehr sich die meisten werdenden Mütter und Väter auf ihren Nachwuchs freuen, ist doch die Zeit von Schwangerschaft, Geburt und erstem Lebensjahr geprägt von zahlreichen Veränderungen und häufig auch von Schlafmangel.

Irgendwann haben viele Eltern nur noch den einen Wunsch, endlich wieder einmal wenigstens eine Nacht lang durchschlafen zu können. Doch welche Auswirkungen haben die zahlreichen durchwachten Nächte wirklich auf die Gesundheit? Dieser Fragestellung gehen Psychologen der TU Dresden im Rahmen einer Studie zum Schlaf junger Eltern nach.

Christiane Berndt, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt, beschreibt das Ziel der gesamten Studie: "Wir wollen diese Veränderungen im Schlaf, des Schlafverhaltens und der Schlafqualität dokumentieren. Ein weiterer Schwerpunkt besteht darin, die Auswirkungen des Schlafs auf das Immunsystem, den Stoffwechsel, das Herz-Kreislaufsystem, geistige Funktionen und psychisches Wohlbefinden zu ergründen."

Das Potenzial dieser Studie liegt auf der Hand. Wenn untersucht und geklärt ist, ob und wie sich die Veränderungen des Schlafes bei jungen Eltern auf ihre Gesundheit auswirken, will der Professor für Biopsychologie, Clemens Kirschbaum, neue Fragestellungen verfolgen: "Zum Beispiel interessiert uns, warum nicht alle Eltern nach der Geburt ihres ersten Kindes automatisch schlechter schlafen. Liegt das nur daran, dass sie besser schlafende Babys haben? Oder schlafen manche Babys besser, weil sie ausgeschlafene Eltern haben? Ebenso werden wir untersuchen, ob der physiologisch so wichtige Nachtschlaf tagsüber kompensiert werden könnte." In jedem Fall wollen die Psychologen der TU Dresden aus den Ergebnissen ihrer Studie Tipps für Hebammen und Ärzte zur besseren Beratung und Betreuung der Eltern und Kinder ableiten.

Eine erste umfassende Untersuchung der Studienteilnehmer findet in der 16. bis 24. Schwangerschaftswoche statt. Kurz nach der Geburt des Kindes werden mehrere Telefoninterviews durchgeführt. Eine zweite Untersuchung, die genau wie die erste abläuft, folgt dann im 9. oder 10. Lebensmonat des Kindes.

Bei den Untersuchungen werden beispielsweise Parameter wie Schlafdauer und -intensität erfasst. Außerdem führen die Studienteilnehmer ein Schlaftagebuch. Darüber hinaus werden Speichel- und Haarproben genommen, da sowohl im Speichel als auch im Haar das Stresshormon Cortisol nachgewiesen werden kann.

Eine Blutuntersuchung gibt dann noch Aufschluss über Art und Anzahl der verschiedenen Blutzellen. So können Aussagen über die Aktivität des Immunsystems gewonnen werden. Um die Untersuchungen, die übrigens komplett zu Hause bei den Studienteilnehmern stattfinden können, abzurunden, wird auch noch die nächtliche Herztätigkeit mit einem kleinen handlichen EKG-Gerät aufgezeichnet.

Anschließend werden die Studienteilnehmer ins Labor an die TU Dresden eingeladen, um hier noch Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnisleistungen testen zu lassen.

Neben all diesen harten Daten interessiert die Psychologen aber auch das subjektive Erleben der Eltern. Christiane Berndt betont, dass viele Angaben, die für die Studie benötigt werden, weder im Blut noch im Speichel oder Haar gemessen werden können. "Deshalb setzen wir Fragebögen ein, mit denen die Eltern zu ihrem psychischen und physischen Wohlbefinden, zum Stresserleben und der Wahrnehmung der momentanen Lebenssituation befragt werden."

Bisher haben sich 150 werdende Eltern gemeldet, um an der Studie mitzuwirken. Die meisten von ihnen haben ihren ersten Untersuchungstermin, der in der Schwangerschaft stattfindet, hinter sich. Die ersten Kinder der Schlafstudie sind inzwischen geboren.

Weitere Informationen:
www.schlafstudie-dresden.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution143

Quelle: Technische Universität Dresden, Kim-Astrid Magister - Dresden, 22. März 2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2010