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MELDUNG/117: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 07.05.10 (idw)


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Raute

Justus-Liebig-Universität Gießen - 06.05.2010

Wie man Tumore aushungert

- Wissenschaftler aus Gießen und Frankfurt entschlüsseln neue Zielstrukturen für die Tumortherapie
- Veröffentlichung der Ergebnisse in "Nature"

Solide Tumore sind auf ein Blutgefäßsystem angewiesen, das sie mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Insbesondere bösartige Tumore zeichnen sich durch ein starkes Blutgefäßwachstum aus. Ein wichtiger Ansatz in der modernen Krebstherapie besteht daher darin, den Tumor auszuhungern, indem man das Wachstum der Blutgefäße (die sogenannte Angiogenese) hemmt. Damit soll nicht nur das Tumorwachstum, sondern auch die Metastasierung gestoppt werden. Erfolgreich in der Klinik eingesetzte Medikamente blockieren den Gefäßwachstumsfaktor VEGF (vascular endothelial growth factor). Allerdings zeigen verschiedene Studien, dass Tumore Resistenzen gegen diese Therapie entwickeln können - wie, das ist allerdings noch unbekannt.

Einen wichtigen Beitrag zur Entschlüsselung dieses Mechanismus haben Wissenschaftler aus Gießen und Frankfurt geleistet: Die Arbeitsgruppen des Neuropathologen Prof. Dr. Till Acker (Institut für Neuropathologie der Justus-Liebig-Universität Gießen) und seiner Ehefrau, der diesjährigen Preisträgerin des Paul-Ehrlich-Nachwuchspreises Prof. Dr. Amparo Acker-Palmer (Exzellenzcluster Makromolekulare Komplexe der Goethe-Universität Frankfurt), haben einen neuen molekularen Mechanismus des Blutgefäßwachstums in Tumoren entschlüsselt. Diese Ergebnisse, die Bedeutung für die Entwicklung neuer anti-angiogene Tumortherapien haben können, sind in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature" veröffentlicht worden.

Die Forscher identifizierten ein Molekül (EphrinB2), das das Aussprossen von Blutgefäßen während der Entwicklungs- als auch Tumorangiogenese steuert. Dieses Molekül kann Signale nicht nur vorwärts zu benachbarten Zellen weiterleiten, sondern auch rückwärts in das Zellinnere. Diesen bislang unbekannten Signalweg innerhalb der Zelle haben die Arbeitsgruppen von Prof. Acker und Prof. Acker-Palmer jetzt entschlüsselt. In ihrer Studie decken sie erstmals die Bedeutung des intrazellulären VEGF R(ezeptor)2-Transports durch EphrinB2 für die Angiogenese auf. Hierzu blockierten sie bei Mäusen das intrazelluläre Ende von EphrinB2, das die Signale in das Zellinnere weiterleitet. Diese Mäuse zeigten eine verminderte Blutgefäßsprossung, während eine Aktivierung des Rezeptors das Wachstum der Gefäße verstärkte.

Die Wirkung von EphrinB2 beschränkt sich nicht nur auf den durch Medikamente blockierbaren Gefäßwachstumsfaktor VEGFR2, sondern auch den verwandten Wachstumsfaktor VEGFR3, wie Prof. Dr. Ralf Adams und seine Mitarbeiter vom Max-Planck-Institut für Molekulare Biomedizin in Münster in derselben Ausgabe von "Nature" berichten. "Ephrin-B2 ist daher eine entscheidende Zielstruktur für Wirkstoffe, die das unerwünschte Gefäßwachstum unterbinden sollen", sagt Prof. Acker.

Prof. Till Acker ist Direktor des Instituts für Neuropathologie in Gießen. Seine Forschung konzentriert sich auf die Rolle des Tumormikromilieus in der Regulation des Tumorwachstum über die Beeinflussung wichtiger Parameter wie Tumor-Metabolismus, Invasion, Angiogenese und Tumorstammzell-Homöostase. Die Forschungsarbeiten von Prof. Acker und Prof. Acker-Palmer werden unter anderem durch den von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsverbund SPP1190 und das Excellenzcluster Kardio-Pulmonales System (ECCPS) unterstützt.

Kontakt:
Prof. Dr. Till Acker
Institut für Neuropathologie
Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH
Arndtstraße 16, 35392 Gießen

Titel der Publikation:
Suphansa Sawamiphak, Sascha Seidel, Clara L. Essmann, George A. Wilkinson, Mara E. Pitulescu, Till Acker & Amparo Acker-Palmer:
Ephrin-B2 regulates VEGFR2 function in developmental and tumour angiogenesis.
"Nature", online veröffentlicht am 5. Mai 2010.
DOI: 10.1038/nature08995

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution217

Quelle: Justus-Liebig-Universität Gießen, Caroline Link, 06.05.2010

Raute

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften,
Medizin / Kommunikation - 06.05.2010

Europäisches Projekt - Hormon-Experten erforschen seltene bösartige Tumore der Nebenniere

Regenstauf - Bösartige Tumore, die ihren Ursprung in der Nebenniere haben, sind selten und - früh erkannt - gut heilbar. Dazu gehören das Nebennierenrindenkarzinom und das maligne Phäochromozytom. Beide Erkrankungen werden jedoch häufig erst in einem Stadium erkannt, in dem sie nicht mehr komplett operativ entfernt werden können. Um die Heilungschancen für die betroffenen Patienten zukünftig zu verbessern, erhält das europäische Netzwerk ENS@T (European Network for the Study of Adrenal Tumours) nun von der Europäischen Union eine Fördersumme von sechs Millionen Euro über die nächsten fünf Jahre.

Mit der Fördersumme werden notwendige Forschungen unterstützt: Jeweils eine klinische Studie zu beiden Tumorarten soll Diagnose- und Therapie-Verfahren verbessern. "Die Erkrankungen sind aufgrund ihres seltenen Auftretens bisher nicht ausreichend erforscht", betont Professor Dr. med. Felix Beuschlein, Sprecher der Sektion Nebenniere, Hypertonie und Steroide der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Die Folge ist eine nach wie vor schlechte Überlebensprognose für die Patienten, auch wenn alle therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden.

Die Tumore verursachen in den meisten Fällen einen Überschuss von verschiedenen Hormonen, die die Nebenniere bildet. Patienten mit einem Phäochromozytom, einer Geschwulst des Nebennierenmarkes, leiden als Folge an Bluthochdruck in Kombination mit Kopfschmerz, Schwitzen und Herzrasen. Von 100 000 Einwohnern erkranken jeweils ein bis zwei Menschen im Laufe ihres Lebens daran. Das Phäochromozytom ist meistens gutartig. Die bösartige Variante bildet Metastasen in Skelettsystem, Leber, Zentralen Nervensystem oder Niere.

Mit ein bis zwei Fällen pro einer Million Einwohner ist das Karzinom der Nebennierenrinde ebenfalls eine seltene Erkrankung. Die hormonelle Störung, die dieses Karzinom häufig verursacht, ist das sogenannte Cushing-Syndrom. Zu den möglichen Symptomen gehören gerötetes Vollmondgesicht, Osteoporose, Diabetes mellitus oder Bluthochdruck. Beide Tumorarten können in jedem Lebensalter auftreten, wobei mehr ältere Menschen daran erkranken.

Die Forscher planen, laborchemische, histologische und bildgebende Verfahren zu verbessern, das Risiko für Betroffene zukünftig durch die Erforschung geeigneter Biomarker abschätzen zu können und neue Therapieformen zu entwickeln. Außerdem ist der Aufbau einer gemeinsamen Datenbank geplant: 15 Partner aus sechs europäischen Ländern werden unter der Koordination von Professor Beuschlein, Leiter des Schwerpunktes Endokrinologische Forschung des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München, in den geplanten Projekten arbeiten. Bereits 2002 gründeten der Endokrinologe und weitere Wissenschaftler das Europäische Netzwerk ENS@T. Ihr Ziel ist, Tumorerkrankungen der Nebenniere über Ländergrenzen hinweg zu erforschen.

Weitere Informationen finden Sie unter
- http://www.ensat.org
   Weitere Informationen zu ENS@T im Internet
- http://www.endokrinologie.net
   Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution76

Quelle: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, Medizin - Kommunikation, 06.05.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2010