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MELDUNG/239: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 19.11.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Neu entdeckter Signalweg reguliert Überleben von Neuronen
→  Von Epilepsie bis Schlaganfall - Ionenkanal reguliert die Erregung von Nervenzellen
→  Zellfunktionen mit Lichtsensoren steuern

Raute

Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 18.11.2010

Neu entdeckter Signalweg reguliert Überleben von Neuronen

Neuberberg, 18.11.2010. Der Transkriptionsfaktor Pax6* ist nicht nur an der frühen Entwicklung des Gehirns beteiligt, sondern sichert auch das Überleben bestimmter Neuronen des Riechkolbens* im erwachsenen Säugetiergehirn - das fanden Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München und der Ludwig-Maximilians-Universität München heraus. Das Ergebnis schafft wichtiges Grundlagenwissen für zukünftige regenerative Therapieansätze, etwa für Parkinsonpatienten, und ist in der aktuellen Ausgabe von Neuron publiziert.

Die meisten Neuronen im Säugetiergehirn bleiben ein Leben lang intakt. Bisher war nicht klar, welche Faktoren diese Zellen vor dem Zelltod bewahren. Zumindest für Neuronen des Riechkolbens* haben Prof. Dr Magdalena Götz, Dr. Jovica Ninkovic und Dr. Jack Favor vom Helmholtz Zentrum München und der Ludwig-Maximilian-Universität München einen Mechanismus entschlüsselt: Der Transkriptionsfaktor Pax6 reguliert dort die Produktion eines Proteins, das bisher überwiegend in der Linse des Auges untersucht wurde. Dieses Protein verhindert aktiv den Zelltod und erlaubt so das Überleben dieser Neurone. Besonders wichtig ist der Befund, dass diese Regulationsmechanismen so spezifisch nur für einen Typ von Nervenzellen gelten.

"Unser nächstes Ziel ist es, herauszufinden, ob dieser Pax6 induzierte Signalweg auch in anderen Gehirnstrukturen, etwa dem Mittelhirn, den Neuronenzelltod verhindern kann", sagt Erstautor Dr. Jovica Ninkovic. "Wir untersuchen außerdem, ob andere für die Entwicklungsbiologie essentielle Faktoren wie Pax6 im erwachsenen Gehirn dafür sorgen, dass die Neuronen überleben." Die Forscher hoffen, mit diesen Ergebnissen langfristig zu regenerativen Therapien beitragen zu können und etwa bei Parkinsonpatienten das Überleben der Neuronen besser gewährleisten zu können.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.cell.com/neuron/abstract/S0896-6273%2810%2900772-5?switch=standard

Original-Publikation:
Ninkovic, J. et al (2010):
The transcription factor Pax6 regulates survival of dopaminergic olfactory bulb neurons via crystallin aA.
Neuron. 2010; Nov 18; 68(4).
Link zur Fachpublikation:
http://www.cell.com/neuron/abstract/S0896-6273%2810%2900772-5?switch=standard

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image129458
Rot: Dopaminerge Neuronen des Bulbus olfactorius; Gelb und Grün: Zellen, in denen PAX6 aktiv ist.

* Hintergrund
Pax6: Pax, oder auch Paired-box-Gene codieren für gewebespezifische Transkriptionsfaktoren. Speziell Pax6 gilt als eines der wichtigsten Regulatorgene bei der Entwicklung der Sinnesorgane.
Riechkolben: Struktur an der vorderen Basis des Gehirns in der die Riechnerven enden

Das Helmholtz Zentrum München
ist das deutsche Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt. Als führendes Zentrum mit der Ausrichtung auf Environmental Health erforscht es chronische und komplexe Krankheiten, die aus dem Zusammenwirken von Umweltfaktoren und individueller genetischer Disposition entstehen. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 1.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens auf einem 50 Hektar großen Forschungscampus. Das Helmholtz Zentrum München gehört der größten deutschen Wissenschaftsorganisation, der Helmholtz-Gemeinschaft an, in der sich 16 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit etwa 30.000 Beschäftigten zusammengeschlossen haben.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution44

Quelle: Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Michael van den Heuvel, 18.11.2010

Raute

Ruhr-Universität Bochum - 18.11.2010

Von Epilepsie bis Schlaganfall
Ionenkanal reguliert die Erregung von Nervenzellen

- RUB-Forscherin ergründet die Funktion von Pannexin-1 Heinemann-Förderpreis
- 15.000 Euro für einen neuen Messplatz

Der Pannexin-1-Kanal ist ein vergleichsweise riesiger Einlass für positiv geladene Ionen ins Innere von Zellen, unter anderem im Gehirn. Seine Rolle wird in der Forschung viel diskutiert - so scheint der Kanal am Untergang von Zellen nach Sauerstoffmangel beteiligt zu sein, aber auch eine wichtige Funktion bei der Vermeidung von epileptischen Zuständen zu haben. Was es mit Pannexin-1 genau auf sich hat, ergründet Dr. Nora Prochnow in der Abteilung für Neuroanatomie und Molekulare Hirnforschung der Ruhr-Universität (Prof. Dr. Rolf Dermietzel).

Für ihre Forschungsarbeiten erhielt sie den diesjährigen Förderpreis der von der Commerzbank AG betreuten Bochumer Sophia und Fritz Heinemann Stiftung. Der Preis ist mit 15.000 Euro dotiert.

Balance von Erregung und Hemmung

Der Pannexin-1-Kanal kommt überall dort im Körper vor, wo die es auf die Leitung elektrischer Erregung ankommt, z.B. im Gehirn, aber auch im Auge und im Herzen. Aufgrund seiner Größe lässt der Kanal, wenn er geöffnet ist, sehr schnell sehr viele positive Ionen ins Zellinnere, so dass die Erregung der Zelle rapide steigt. Sie kann dann zur Öffnung anderer Kanäle beitragen oder die Freisetzung von Botenstoffen erleichten und so eine Rolle in verschiedenen Signalwegen spielen. Bisherige Untersuchungen haben ergeben, dass Pannexin-1 bei Sauerstoffmangel im Gewebe, etwa durch einen Schlaganfall, außer Kontrolle gerät und zur Übererregung und somit elektrischen Überlastung der Zelle beiträgt. Andererseits deuten Ergebnisse darauf hin, dass der Kanal eine bedeutende Rolle bei der Vermeidung von epileptischen Zuständen spielt. "Wir vermuten, dass Pannexin-1 zur Aktivierung von Zellen beiträgt, die im Gehirn eine hemmende Funktion haben", erklärt Nora Prochnow. "Diese hemmenden Zellen balancieren normalerweise die Erregung im Gehirn insgesamt aus und sorgen dafür, dass es keine epileptischen Erregungsmuster geben kann."

Effekt von Wirkstoffen, Rolle beim synaptischen Lernen

Um die Rolle von Pannexin-1 näher zu untersuchen, will die Biologin mit ihrem Team weitere Messungen an Gehirnnervenzellen machen und dabei auch die Effekte verschiedener Wirkstoffe testen. Was passiert zum Beispiel unter dem Einfluss von Antiepileptika? Wie reagiert der Kanal bei Zellen von Individuen, die von Epilepsie betroffen sind? Außerdem interessiert die Forscherin, welchen Einfluss der Kanal auf das sog. synaptische Lernen hat, also die Anpassung der Verschaltungen zwischen Gehirnnervenzellen an veränderliche Herausforderungen.

Neuer Messplatz mit mehr Elektroden

Mit dem Preisgeld wird Nora Prochnow für ihre Arbeitsgruppe einen zweiten Messplatz einrichten. "Unser bisher einziger Platz ist so gut wie rund um die Uhr in Betrieb", sagt sie, "und man kann nur mit je einer Erregungs-und Messelektrode arbeiten." Der neue Platz wird dank mehr Messelektroden die Messung mehrerer synaptischer Ebenen erlauben und somit Experimente, die nähere Rückschlüsse auf den Zustand der Zellen im lebenden Organismus zulassen.

Weitere Informationen
Dr. Nora Prochnow
Abteilung für Neuroanatomie und Molekulare Hirnforschung
Ruhr-Universität Bochum
44780 Bochum
E-Mail: nora.prochnow@rub.de

Redaktion: Meike Drießen

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution2

Quelle: Ruhr-Universität Bochum, Dr. Josef König, 18.11.2010

Raute

Universität Regensburg - 18.11.2010

Zellfunktionen mit Lichtsensoren steuern

Regensburger Forschern gelingt Durchbruch beim Verständnis der Funktionsweise lichtregulierbarer Schalter in Pflanzen - Veröffentlichung in "Nature Communications"

Zellen sind Grundbausteine aller Organismen. Sie können durch äußere Reize - beispielsweise durch Licht - beeinflusst werden. Bei Pflanzen wird dabei die Reizvermittlung durch reizempfindliche Proteinverbünde übernommen, die gleichzeitig als Signalempfänger und Signalgeber fungieren. Diese Proteinverbünde bestehen aus einer lichtempfindlichen Komponente, dem Lichtsensor, und einem biologischen Katalysator, dem Enzym. Der Lichtsensor ermöglicht es dem Protein, Lichtreize zu erfassen und das Antwortverhalten der Zelle durch eine Veränderung seiner Struktur zu steuern. Das große Potenzial dieser molekularen Schalter zur Kontrolle von menschlichen Zellen wurde erst kürzlich durch die Verknüpfung des sogenannten AsLOV2-J-alpha-Lichtsensors vom Saat-Hafer Avena sativa mit dem GTPase-Enzym Rac1 gezeigt. Mit Hilfe dieses künstlichen Proteinverbunds konnte die Struktur und Beweglichkeit von Krebszellen gesteuert werden. Jedoch ist die Entwicklung solcher Proteinverbünde eine sehr große Herausforderung, die ein detailliertes Verständnis der Funktionsweise auf molekularer Ebene erfordert.

Einer Gruppe von Regensburger Wissenschaftlern um Prof. Dr. Bernhard Dick, PD Dr. Stephan A. Baeurle und Emanuel Peter vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemie gelang in diesem Zusammenhang ein wichtiger Durchbruch. Sie konnten mit Hilfe von Computer-Simulationen die strukturelle Veränderung des lichtsensitiven Schalters vom Saat-Haafer Avena sativa (AsLOV2-J-alpha-Lichtsensor) bei der Signalübertragung auf molekularer Ebene aufklären. Auf der Grundlage dieser Forschungen können neue lichtregulierbare Enzyme künstlich entwickelt werden, die das Zellverhalten und den Zellstoffwechsel bei Pflanzen und Tieren steuern. Dies eröffnet interessante Anwendungsmöglichkeiten in der Medizin oder in der Biotechnologie, beispielsweise bei der Eindämmung des Zellwachstums von Tumorzellen oder auch bei der Behandlung von Stoffwechselerkrankungen.

Die Ergebnisse der Regensburger Wissenschaftler wurden vor kurzem in der renommierten Fachzeitschrift "Nature Communications" veröffentlicht (DOI: 10.1038/ncomms1121).

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image129523
Der Photozyklus des AsLOV2-J-alpha-Lichtsensors vom Saat-Hafer. Die strukturelle Veränderung durch Licht wird hier modellhaft dargestellt.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution87

Quelle: Universität Regensburg, Alexander Schlaak, 18.11.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. November 2010