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MELDUNG/288: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 09.02.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


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→  Zuckerreste regulieren Wachstum und Überleben von Nervenzellen

Raute

Ludwig-Maximilians-Universität München - 07.02.2011

Verträgliche Boten
Modifizierte mRNA eröffnet neue therapeutische Möglichkeiten

Viele Krankheiten beruhen auf Defekten im Erbmolekül DNA. Gentherapien könnten helfen. Dann werden gesunde Kopien der fehlerhaften Gene in die Zellen geschleust, um diese zu ersetzen. Wissenschaftler des Klinikums der Universität München um Privatdozent Dr. Carsten Rudolph haben nun erstmals gezeigt, dass modifizierte mRNAs - chemisch der DNA nahe verwandte Botenmoleküle - eine bessere und sichere Alternative zu den bisher üblichen DNA-basierten Verfahren sein könnten: Im Gegensatz zu diesen bergen sie nicht das Risiko, Krebs auszulösen, und sie lösen schwächere Immunreaktionen aus als DNA und nicht-modifizierte mRNAs.

Im Mausmodell konnten die Wissenschaftler bereits zeigen, dass die Methode die Überlebenszeit bei einem erblichen Lungendefekt signifikant verlängerte. "Dies beweist das therapeutisches Potenzial unserer mRNAs", betont Rudolph. (Nature Biotechnology, 7. Februar 2011)

Gentherapien eröffnen neue Behandlungsansätze für bislang unheilbare angeborene oder erworbene Erkrankungen. Allerdings können die derzeit üblichen Verfahren schwere Nebenwirkungen nach sich ziehen, wenn etwa künstliche Viren als Vehikel für den Transport der gesunden Gene in die Zellen dienen - so können unter anderem Leukämien und heftige Immunreaktionen ausgelöst werden. Nicht-virale Verfahren dagegen sind oft wenig effizient. Diese Nachteile umgeht die neue mRNA-Technologie.

"Durch die chemische Modifizierung der mRNA ist es uns gelungen, die typische Aktivierung des Immunsystems zu vermeiden, sodass keine Entzündungsreaktionen ausgelöst werden", sagt Rudolph. "Die modifizierte mRNA kann also - im Gegensatz zu konventioneller mRNA - auch mehrfach angewendet werden und ist zudem chemisch stabiler. Bereits geringe Mengen haben damit schon einen Effekt." Die neue als "Transkript-Therapie" bezeichnete Technologie eröffnet Chancen auf neue Behandlungsmethoden: Mithilfe der modifizierten mRNAs könnten genetische Informationen in die Zelle geschleust werden und die Produktion therapeutisch wirksamer Proteine initiieren. Dies ist nicht nur auf Erbkrankheiten beschränkt, sondern auch eine Alternative zu etablierten Proteintherapien. Die Wirksamkeit der Methode zeigten die Forscher im Mausmodell: Eine einzige Injektion einer mRNA, die den Bauplan für das Hormon Erythropoetin enthielt, das die Bildung roter Blutkörperchen anregt, erhöhte den Anteil der roten Blutkörperchen vier Wochen nach der Injektion signifikant.

Das Potenzial der Technologie bewies auch eine Studie an Mäusen mit einem erblich bedingten Lungendefekt, der durch das Fehlen des Surfactantproteins B (SP-B) gekennzeichnet ist und normalerweise tödlich verläuft: Atmeten die Mäuse regelmäßig ein Aerosol mit SP-B codierender mRNA ein, blieb die normale Lungenfunktion bis zum Studienende erhalten. Mögliche Einsatzgebiete der neuen Methode sieht Rudolph vor allem in der regenerativen Medizin und bei der Behandlung von Stoffwechselerkrankungen.

Rudolph hofft, im Laufe der nächsten Jahre die Wirksamkeit der modifizierten mRNA auch in klinischen Studien erproben zu können.
(göd)

Ansprechpartner:
PD Dr. Carsten Rudolph
Forschungszentrum der Kinderklinik und Poliklinik
Dr. von Haunersches Kinderspital
Klinikum der Universität München
E-Mail: Carsten.Rudolph@med.uni-muenchen.de

Publikation:
Expression of therapeutic proteins after delivery of chemically modified mRNA in mice.
Kormann MS, Hasenpusch G, Aneja MK, Nica G, Flemmer AW, Herber-Jonat S, Huppmann M, Mays LE, Illenyi M, Schams A, Griese M, Bittmann I, Handgretinger R, Hartl D, Rosenecker J, Rudolph C.
Nature Biotechnology, 7. Februar 2011
doi: 10.1038/nbt.1733

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution114

Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München, Luise Dirscherl, 07.02.2011

Raute

Ruhr-Universität Bochum - 08.02.2011

Zuckerreste regulieren Wachstum und Überleben von Nervenzellen

Ein Leben in der Matrix RUB-Forscher untersuchen Interaktion von Zellen und extrazellulärer Matrix

Bochumer Forscher haben herausgefunden, dass bestimmte Zuckerreste im Rückenmark das Wachstum und Überleben von Nervenzellen steuern, die die Bewegung von Muskeln kontrollieren. "Wir hoffen, dass diese Erkenntnisse die regenerative Behandlung bei Nervenverletzungen verbessern können", erklärt Prof. Dr. Stefan Wiese aus der Arbeitsgruppe für Molekulare Zellbiologie (Fakultät für Biologie und Biotechnologie). Über diese Zuckerreste in der Umgebung der Zellen, die extrazelluläre Matrix genannt wird, berichten die Forscher im Journal of Neuroscience Research.

Nerven heilen als Vision

Gehirn und Rückenmark bestehen aus mehr als nur aus Nervenzellen. Die extrazelluläre Matrix, ein komplexes Gerüst aus Eiweißen mit Zuckerresten, umgibt die Zellen und beeinflusst deren Wohlergehen. Das Team von Prof. Wiese interessiert sich für die Interaktion der Matrix mit einer bestimmten Art von Nervenzellen, die Signale vom Gehirn an Muskeln weiterleiten (Motoneurone). Verletzte Motoneurone führen zu Lähmungen, so dass Ärzte großes Interesse daran haben, das Wachstum dieser Zellen beeinflussen zu können. "Wenn wir die Möglichkeit hätten, die extrazelluläre Matrix über Medikamente so zu verändern, dass sie das Wachstum und Überleben von Nervenzellen begünstigt, dann wäre das ein großer Schritt bei der Behandlung von Nervenverletzungen nach Unfällen oder auch für die Behandlung von Krankheiten wie etwa Multiple Sklerose", so Prof. Wiese.

Muskelsteuernde Nervenzellen wachsen lassen

In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Andreas Faissner (Lehrstuhl für Zellmorphologie & Molekulare Neurobiologie, Fakultät für Biologie und Biotechnologie) kultivierte Dr. Alice Klausmeyer aus dem Team von Prof. Wiese Motoneurone aus dem Rückenmark von Mäusen auf verschiedenen Arten der extrazellulären Matrix, von denen die Forscher experimentell bestimmte Zuckerreste (Chondroitinsulfate) entfernten. Durch einen Vergleich der Zellkulturen mit und ohne Zuckerreste konnten sie zeigen, dass diese das Wachstum und Überleben der Motoneurone steuern.

Färben, zählen und messen

Um das Wachstum der Zellen in greifbaren Zahlen auszudrücken, zählten die Bochumer Zellbiologen unter dem Mikroskop, wie viele Fortsätze die Motoneurone gebildet hatten, und maßen den längsten Fortsatz. Mit Hilfe der Fortsätze kommunizieren die Zellen und leiten Signale über große Strecken weiter. Einige der untersuchten Chondroitinsulfat-Zuckerreste wirkten sich positiv auf Länge und Anzahl der Fortsätze aus, andere hatten einen hemmenden Einfluss. Ob das Wachstum der Nervenzellen gefördert oder gehemmt wurde, hing außerdem davon ab, mit welcher Art von extrazellulärer Matrix ein bestimmter Zuckerrest kombiniert war. Des Weiteren färbten die Forscher ein Enzym in den Motoneuronen an, das ein Marker für das Absterben von Zellen ist. Aus dieser Analyse ergab sich, dass die untersuchten Chondroitinsulfat-Zuckerreste nicht nur das Wachstum der Motoneurone regulieren, sondern auch deren Leben verlängern. Die Experimente von Dr. Klausmeyer und ihren Kollegen wurden unter anderem vom RUB-Rektoratsprogramm zur Anschubfinanzierung von Forschungsprojekten des wissenschaftlichen Nachwuchses unterstützt.

Weitere Informationen
Prof. Dr. Stefan Wiese
Fakultät für Biologie und Biotechnologie der RUB
Lehrstuhl für Zellmorphologie und Molekulare Neurobiologie
Arbeitsgruppe Molekulare Zellbiologie
stefan.wiese@rub.de

Redaktion: Julia Weiler

Titelaufnahme
Klausmeyer, A., Conrad, R., Faissner, A., Wiese, S.:
Influence of glial-derived matrix molecules, especially chondroitin sulfates, on neurite growth and survival of cultured mouse embryonic motoneurons.
In: J. Neurosci. Res. 89:127-41 (2011).
DOI: 10.1002/jnr.22531

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image134733
Motorische Nervenzellen der Maus. Die Motoneurone aus dem Rückenmark wurden fünf Tage lang auf unterschiedlichen Substraten kultiviert. Nervenzellen auf Substraten mit Chondroitinsulfat-Zuckerresten (B-D) bilden längere Fortsätze als Nervenzellen auf einem Substrat ohne Zuckerreste (A).

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution2

Quelle: Ruhr-Universität Bochum, Dr. Josef König, 08.02.2011

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2011