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MELDUNG/336: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 03.05.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Hepatitis C am Scheideweg - Forscher am TWINCORE suchen einen Weg
      zu neuen Forschungsmodellen für HCV
→  Forscher entdecken, wie der Körper Entzündungen im Zaum hält


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TWINCORE - Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung - 02.05.2011

Hepatitis C am Scheideweg

Forscher am TWINCORE suchen einen Weg zu neuen Forschungsmodellen für HCV

Eine Infektion mit dem Hepatitis C Virus (HCV) ist ein - zweifelhaftes - Privileg von Menschen und Schimpansen. Etwa 170 Millionen Menschen sind chronisch mit dem Virus infiziert, das heißt, sie tragen es dauerhaft in ihren Leberzellen. Und das bleibt in vielen Fällen nicht ohne Folgen für die Leber: Ihr Risiko, eine chronische Entzündung und letztlich Leberkrebs zu bilden, steigt. Deshalb arbeiten Wissenschaftler auf der ganzen Welt an neuen Strategien gegen das Virus.

Das Problem: Sie können bislang nur in Zellkulturen aus menschlichen Zellen forschen. Zellkulturen zeigen jedoch nicht, wie das Immunsystem auf das HCV reagiert, wie es eine Infektion kontrolliert oder wie wirksam Impfstoffe sind. Für solche Untersuchungen sind geeignete Tiermodelle von entscheidender Bedeutung. Gesucht: Mäuse, die sich mit HCV infizieren lassen und ein intaktes Immunsystem haben. Damit hätten Immunologen und Impfstoffforscher in Zukunft die Chance, das Virus im lebenden Organismus zu untersuchen - und könnten dann die nächsten Schritte gegen diese Krankheit unternehmen. Am TWINCORE untersuchen Wissenschaftler weshalb sich HCV nicht in Mausleberzellen vermehren kann. Gibt es es in Mäusen Faktoren, die eine Infektion und Vermehrung von HCV verhindern? Oder scheitert das Virus daran, dass es in Mauszellen einfach nicht die geeigneten "Helfer" findet, die in Menschen und Schimpansen die Infektion ermöglichen? "Die zentrale Frage ist, weshalb sich das Virus weder in Mauszellen noch in anderen Spezies vermehren kann", sagt Anne Frentzen, Wissenschaftlerin aus der Abteilung Experimentelle Virologie am TWINCORE. "Können wir diese Frage beantworten, kommen wir der Entwicklung eines Mausmodells einen großen Schritt näher." Immerhin ist inzwischen bekannt, weshalb HCV nicht in Mauszellen eindringen kann. Doch selbst wenn das Virus diese Barriere überwindet, ist spätestens hier Endstation für das HCV. Diese Unverträglichkeit von HCV und Maus kann zwei Gründe haben: Entweder ist das Virus so gut auf Mensch und Schimpanse eingestellt, dass es in den Mauszellen einfach nicht findet, was es zur Vermehrung benötigt. Oder die Abwehrmechanismen der Mäusezellen sind so gut, dass das Virus nicht dagegen ankommt. "Wir befinden uns bei der Annäherung von HCV und Maus an einem Scheideweg", erklärt Arbeitsgruppenleiter Professor Thomas Pietschmann. "Wir müssen entscheiden, ob wir entweder die Mäusezellen um die fehlenden menschlichen Anteile erweitern oder den Mäusezellen die Abwehrmechanismen nehmen müssen."
Um diese Frage zu lösen, hat Anne Frentzen Maus- und Menschenzellen miteinander fusioniert. Die Idee: Wenn sich das Virus in diesen Mischzellen vermehren kann, können die Abwehrmechanismen der Mäusezellen nicht so dominant sein. Dann könnten die Wissenschaftler Mäuse genetisch um die entscheidenden menschlichen Faktoren erweitern und HCV wäre sozusagen mausfähig. Damit stünden der Forschung ganz neue Wege offen, um HCV zu erforschen - und Therapien und Impfstrategien gegen das Virus zu entwickeln.
"Um diesen entscheidenden Schritt zu gehen, haben wir zwei Sorten Zellen generiert", sagt Anne Frentzen. "Mauszellen, in die wir eine Hälfte der Virusgene eingebaut haben und menschliche Zellen, die die andere Hälfte des Virus enthalten." Für sich allein kann weder die eine noch die andere Zelle Viren herstellen, da jeweils entscheidende virale Bausteine fehlen. Diese Zellen hat sie gemeinsam mit einer Chemikalie versetzt, die dafür sorgt, dass die Zellen sich wahllos miteinander verbinden. Jedoch nur in den Mensch-Maus Kombinationen können sich aus den zwei Virushälften die HC-Viren bilden. Das Ergebnis: Die Mischzellen geben Viren ab. Also gibt es keine so starken Abwehrmechanismen in Mauszellen, die verhindern, dass sich das Virus in den Hybriden vermehren kann. "Mit diesem Ergebnis haben wir die Hoffnung, dass sich Mäuse in Zukunft - wenn es gelingt die entscheidenden menschlichen Faktoren in die Mauszellen zu bringen - mit HCV infizieren lassen", sagt Thomas Pietschmann. "Ein solches Kleintiermodell würde sicherlich die Entwicklung von Impfstrategien, die eine Ansteckung mit HCV verhindern, beflügeln."


Ansprechpartner: Prof. Thomas Pietschmann
TWINCORE
Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung GmbH
E-Mail: thomas.pietschmann@twincore.de

Anne Frentzen
TWINCORE
Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung GmbH
E-Mail: anne.frentzen@twincore.de

Publikation:
Frentzen A et al. (2011)
Completion of Hepatitis C Virus Replication Cycle in Heterokaryons Excludes Dominant Restrictions in Human Non-liver and Mouse Liver Cell Lines.
PLoS Pathog 7(4): e1002029.
doi:10.1371/journal.ppat.1002029

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.twincore.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder:
http://idw-online.de/de/image140902
Eine fusionierte "Riesen-Zelle", die Proteine des Hepatitis C Virus produziert

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution1570

Quelle: TWINCORE - Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung, Dr. Jo Schilling, 02.05.2011


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Medizinische Hochschule Hannover - 02.05.2011

MHH-Forscher entdecken, wie der Körper Entzündungen im Zaum hält

Überlebensfaktor nach Herzinfarkt gefunden / Therapieoption auch in anderen Organen / Veröffentlichung in Nature Medicine

Wissenschaftler der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und des Max-Planck-Instituts für molekulare Biomedizin (MPI) in Münster haben einen Faktor identifiziert, der für die Reparaturarbeiten am Herzen nach Herzinfarkt unentbehrlich ist: Das körpereigene Protein GDF-15. Die Forscher entdeckten dabei einen völlig neuen Mechanismus, mit dem der Körper überschießende Entzündungsreaktionen verhindert. Die Arbeitsgruppen um Professor Dr. Kai Wollert und Privatdozent Dr. Tibor Kempf, MHH-Klinik für Kardiologie und Angiologie, sowie Professor Dr. Dietmar Vestweber und Privatdozent Dr. Alexander Zarbock, MPI Münster, veröffentlichten ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Nature Medicine (www.nature.com/nm/journal/vaop/ncurrent/abs/nm.2354.html.).

Nach einem Herzinfarkt muss der Körper abgestorbenes Herzmuskelgewebe durch eine stabile Narbe ersetzen. Diese Entzündungsreaktion, während der das Herz weiter Blut durch den Körper pumpen muss, haben die Wissenschaftler nun genauer untersucht. Sie beobachteten, dass die Herzmuskelzellen dabei vermehrt GDF-15 bilden: Schon nach 12 Stunden stieg die Konzentration dieses Faktors um das 20-fache an - hauptsächlich im Infarktgebiet. Die Forscher fanden heraus, dass GDF-15 eine schützende Funktion hat, da Mäuse, die GDF-15 nicht produzieren konnten, kurz nach dem Infarkt starben. "Bei ihnen kam es zu einer überschießenden Entzündungsreaktion: Ihr Körper baute das abgestorbene Gewebe zu schnell ab, so dass der Herzmuskel einriss", sagt Professor Wollert, Leiter der Molekularen und Translationalen Kardiologie an der MHH.

Bei einer Entzündungsreaktion, etwa nach Herzinfarkt, wandern weiße Blutkörperchen aus dem Blut in den Entzündungsherd ein. Auf der Oberfläche der weißen Blutkörperchen müssen hierfür Integrin-Moleküle aktiviert werden. "Man kann sich das vorstellen wie das Ausfahren der Fahrwerke vor der Landung eines Flugzeugs", sagt Professor Wollert. Die Forscher haben nun erstmals einen Mechanismus entdeckt, der das Ausfahren der Fahrwerke, also die Integrin-Aktivierung auf den weißen Blutkörperchen, hemmt: "Wenn GDF-15 an die weißen Blutkörperchen bindet bleiben die Integrine inaktiv und die weißen Blutkörperchen können nicht im Entzündungsgebiet 'landen'. So sorgt GDF-15 dafür, dass der Entzündungsprozess reguliert abläuft und nicht überschießt und Schaden anrichtet", sagt Professor Wollert.

"Das scheint ein generelles Prinzip der Entzündungshemmung zu sein, da wir diesen Mechanismus auch in Geweben außerhalb des Herzens ausmachen konnten", sagt Professor Vestweber. GDF-15 spiele demnach auch in anderen Organen eine entzündungshemmende Rolle und sei möglicherweise therapeutisch interessant für viele Krankheiten, die mit überschießenden Entzündungsreaktionen einhergehen.

Weitere Informationen erhalten Sie von
Professor Dr. Kai Wollert
E-Mail: Wollert.Kai@mh-hannover.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image140927
Professor Dr. Kai Wollert (links) und Privatdozent Dr. Tibor Kempf: Sie erforschen die Entzündungsreaktion nach Herzinfarkt. Die Fluoreszenzmikroskop-Aufnahme zeigt Herzmuskelzellen (grün), Zellkerne (blau) und Entzündungszellen (rot)
p-Aufnahme zeigt Herzmuskelzellen (grün), Zellkerne (blau) und Entzündungszellen (rot)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution121

Quelle: Medizinische Hochschule Hannover, Stefan Zorn, 02.05.2011


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Mai 2011