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MELDUNG/379: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 11.07.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Völlig neuer Ansatz
      Mechanismen der Alterung errechnen
→  Erfolge in der Hepatitis- und Aidsforschung


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Universität Ulm - 08.07.2011

Völlig neuer Ansatz: Mechanismen der Alterung errechnen

Warum vermindert sich im Alter die Regenerationsfähigkeit, lassen Organfunktionen nach und reduzieren unweigerlich die Lebensqualität? Ein breit angelegtes Forschungsprojekt an der Universität Ulm soll in den kommenden fünf Jahren diese Fragen beantworten. Ein Fernziel: Die Entwicklung molekularer Therapien zur Verbesserung der Stammzellfunktion und der Regenerationsfähigkeit von alternden Geweben. Der ganz neue Ansatz dabei: Neben Medizinern, darunter Kliniker und Grundlagenforscher, und Biologen werden hier Bioinformatiker und Mathematiker zusammenarbeiten. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt mit rund 7,4 Millionen Euro.

"Meines Wissens beschäftigen sich in Deutschland bisher nur zwei BMBF-geförderte Forschungskerne zentral mit dieser Thematik, einer in Kooperation mit dem Max Planck-Institut in Köln und einer in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut in Jena", sagt der Koordinator des Ulmer Projekts, Professor Karl Lenhard Rudolph, Direktor des Instituts für Molekulare Medizin und Leiter der Ulmer Max Planck-Forschungsgruppe für Stammzellalterung. "Wir sind hier also in sehr guter Gesellschaft und die BMBF-Zusage unterstreicht, dass wir zu den Spitzenstandorten auf diesem Gebiet gehören." Mit dem Leibniz-Preisträger von 2009 freut sich Co-Koordinator Dr. Hans Kestler vom Institut für Neuroinformatik, verantwortlich für den systembiologischen Part des Mammutprojekts: "Unser Konsortium bildet einen starken wissenschaftlichen Verbund, in dem Vertreter unterschiedlicher Disziplinen in diesem thematischen Bereich zusammenarbeiten."

Aus gutem Grund, wie Projektleiter Rudolph erklärt: "Wir wollen grundlegende molekulare Mechanismen der Alterung aufklären. Über den systembiologischen Vergleich der Alterung des Menschen, der Fliege und der Hefezellen könnte es gelingen, zentrale Steuerungssysteme der Alterung zu identifizieren." Denn Genveränderungen bei der Alterung seien schließlich nicht nur im menschlichen Gewebe zu verzeichnen. Darüber hinaus wollen die Forscher verschiedene Gewebe untersuchen, Muskeln etwa, Haut oder Blut.

"Dabei werden ungeheure Datenmengen anfallen", weiß der 2007 nach Ulm gewechselte Spitzenforscher. "Um diese zu verarbeiten, insbesondere entscheidende Ursachen für die wichtigsten molekularen Veränderungen herauszufiltern, aber auch Gemeinsamkeiten von grundlegender Bedeutung für die Alterung zu identifizieren, brauchen wir die Systembiologen, Bioinformatiker und Mathematiker", so Rudolph. Wissenschaftler also, die biologische wie mathematische Kompetenzen mitbringen. Wie Hans Kestler eben. Wobei der Projektleiter schon heute einen zukunftsweisenden Aspekt für die Universität insgesamt betont: "Ulm ist in diesem Bereich schon heute vorne dabei und darauf können wir aufbauen." Dazu werde eine zunächst im Rahmen des Vorhabens finanzierte neue Professur mit Leitungsfunktion beitragen, ist Professor Rudolph überzeugt, zudem eine Juniorprofessur und eine neue Forschungsgruppe.

Jedenfalls sind die mathematischen Systemanalysen Rudolph zufolge ein wichtiger Faktor für die Aufklärung der vielfältigen Veränderungen auch auf molekularer Ebene, die dem Alterungsprozess zu Grund liegen. In Verbindung mit den molekularen Analysen sollen nämlich Modelle altersabhängiger Signalwegsveränderungen erstellt und diese dann in experimentellen Testsystemen überprüft werden. Die damit identifizierten Signalwege sollen schließlich funktionell in Alterungsmodellen untersucht werden, Basis für die Entwicklung neuer Biomarker für die Alterung und molekularer Therapien zur Verbesserung des Organerhalts im Alter. In das Projekt einbezogen ist mit der Beckman Coulter Biomedical GmbH in München übrigens auch ein Partner aus der Wirtschaft. "Das Unternehmen übernimmt einen wichtigen Bereich", so Professor Rudolph, "denn es gibt Hinweise darauf, dass sich Gene bei der Alterung in verschiedenen Zellen innerhalb eines Organs in verschiedene Richtungen verändern und damit Funktionsstörungen auslösen". Beckman habe zur Analyse dieser Prozesse Systeme entwickelt und liefere für das Forschungsprojekt eine Technologieplattform. Keine Frage für den Ulmer Wissenschaftler, dass davon eines Tages beide Seiten profitieren könnten: "Ein Ziel ist natürlich auch, unsere Ergebnisse für die medizinische Diagnostik nutzbar zu machen."


Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution22

Quelle: Universität Ulm, Willi Baur, 08.07.2011


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Universität Duisburg-Essen - 08.07.2011

Erfolge in der Hepatitis- und Aidsforschung

Mehr als 500 Millionen Menschen sind weltweit mit HIV oder den Hepatitisviren B und C infiziert. Forscher der Universität Duisburg-Essen (UDE) und aus Wuhan konnten nun entschlüsseln, wie Viren chronische Infektionen verursachen. Ein wichtiger Schritt, damit Impfstoffe und neue Therapien entwickelt werden können.

Seit 2009 untersucht der deutsch-chinesische Sonderforschungsbereich Transregio 60, wie es Viren gelingt, dem Abwehrmechanismus des Körpers zu entkommen. Nach nur anderhalb Jahren intensiver Studien geben die Virologen jetzt erste große Erfolge zur Bekämpfung von Hepatitis C und HIV bekannt.

Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Jörg Timm erforscht, wie eine chronische Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) entsteht. Eine Krankheit, die häufig Leberentzündungen bis hin zu Leberversagen verursacht. Auf Basis von aufwendigen Blutproben langjährig Infizierter konnte sie jetzt den Nachweis erbringen, dass sich die Viren systematisch an das Immunsystem angepasst haben - und zwar schnell und bei jedem Patienten individuell. Diese genetische Annäherung der HCV geht so weit, bis sie nahezu unsichtbar für die Körperpolizei werden. So bleibt der Kampf des Immunsystems gegen das Virus häufig erfolglos und die Infektion wird chronisch. Auch die Impfstoffentwicklung war deshalb bislang schwierig.

Die Forscher identifizierten jedoch auch Bereiche des Virus, die sich nicht ändern, da es sonst die Fähigkeit verliert, sich zu vermehren. Diese neuen Erkenntnisse über die Virenstruktur können bei der künftigen Entwicklung von Impfstoffen gegen HCV eine entscheidende Rolle spielen. Prof. Dr. Ulf Dittmer und Dr. Kirsten Dietze beschäftigen sich mit HIV, einer Virusinfektion, die erst im chronischen Zustand zur Krankheit, der Immunschwäche Aids, wird. In einer Studie mit Mäusen konnte ihre Arbeitsgruppe jetzt zeigen, dass das Virus bestimmte Zellen des Immunsystems, so genannte regulatorische T-Zellen, als Wirt missbraucht, um eine chronische Infektion zu etablieren. Diese Zellen unterdrücken die Abwehrfunktion von anderen Immunzellen und verhindern normalerweise Autoimmunerkrankungen. Das HI-Virus aber vermehrt solche T-Zellen und schaltet damit die Immunabwehr gegen sich selbst ab. In Mäusen ist es nun erstmals gelungen, während einer chronischen Infektion die regulatorischen T-Zellen zu zerstören und damit die körpereigene Abwehr gegen das Virus wiederherzustellen. Die Krankheitssymptome waren in der Folge dadurch deutlich abgeschwächt.

Die Forscher hoffen, dass diese neue Therapie schon bald bei Aids-Patienten eingesetzt werden kann. US-Forscher aus Maryland haben bereits ein Medikament entwickelt, das auch beim Menschen regulatorische T-Zellen abschaltet oder zerstört. Bisher wurden damit Leukämie-Patienten behandelt, bei chronischen Infektionen ist das Mittel aber noch nicht eingesetzt worden.

Die Forschungserkenntnisse des Transregio 60 sind in folgenden wissenschaftlichen Zeitschriften erschienen: Gastroenterology, 2011 Jun;140(7):2064-73, Artikel: "East German HCV Study Group. CD8(+) T-cell response promotes evolution of hepatitis C virus nonstructural proteins".


Weitere Informationen:
Prof. Dr. Ulf Dittmer
ulf.dittmer@uni-due.de
Prof. Dr. med. Jörg Timm
joerg.timm@uni-due.de

Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA (PNAS)
2011 Feb 8;108(6):2420-5
Artikel:
"Transient depletion of regulatory < T-cells in transgenic mice reactivates virus-specific CD8+ T-cells and reduces chronic retroviral set points."

Redaktion: Carmen Tomlik

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution801

Quelle: Universität Duisburg-Essen, Ulrike Bohnsack, 08.07.2011


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juli 2011