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MELDUNG/431: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 05.10.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Zehn Jahre Hertie-Institut für klinische Hirnforschung in Tübingen
→  Wie das Immunsystem sein Gedächtnis entwickelt
→  Menschen auf das Sterben vorbereiten und im Sterben begleiten - (wie) lässt sich das lernen?


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Eberhard Karls Universität Tübingen - 03.10.2011

Zehn Jahre Hertie-Institut für klinische Hirnforschung in Tübingen

Bundesministerin Annette Schavan: "Ein Erfolgsmodell für öffentlich-private Partnerschaften"

Zehn Jahre nach seiner Gründung durch die Gemeinnützige Hertie-Stiftung, die Universität Tübingen und das Universitätsklinikum Tübingen gehört das Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH) zu den besten europäischen Forschungseinrichtungen auf dem Gebiet der Neurologie. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich neurodegenerativer und entzündlicher Hirnerkrankungen, Epilepsien, der Schlaganfallforschung und der Erforschung von Wahrnehmungsstörungen, Motorik und Lernen. Bis heute investierten die Gründer, die Gemeinnützige Hertie-Stiftung sowie die Universität Tübingen und das Universitätsklinikum, insgesamt fast 100 Millionen Euro in das HIH.

Zum Jubiläum würdigte Bundesforschungsministerin Annette Schavan die erfolgreiche Arbeit in Tübingen. "Auch in Wissenschaft und Forschung brauchen wir privates Engagement", so Schavan. "Das Hertie-Institut für Klinische Hirnforschung ist ein Erfolgsmodell für öffentlich-private Partnerschaften. Seit nunmehr zehn Jahren steht das HIH für internationale Spitzenforschung."

Bedeutende Forschungserfolge des HIH sind unter anderem: Die Entdeckung wichtiger Gene und deren Mechanismen für Parkinson, Epilepsie und verwandte Erkrankungen, der Nachweis, wie sich die Alzheimer-Erkrankung im Gehirn ausbreitet und eine Verbesserung des Verständnisses der Folgen von Kleinhirnerkrankungen für Wahrnehmung und Koordination.

Prof. Michael Bamberg, Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Tübingen und Leitender Ärztlicher Direktor: "Wir freuen uns sehr, dass sich das Hertie-Institut für klinische Hirnforschung so erfolgreich entwickelt hat. Die enge Verflechtung des Instituts mit der Neurologischen Klinik ist dabei ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Unsere Patienten profitieren bereits heute von der effizienten Vernetzung der neurowissenschaftlichen Forschungsdisziplinen, zum Beispiel durch einen raschen Transfer der Forschungsergebnisse in die klinische Praxis."

Die Gründung des HIH im Jahr 2001 setzte eine langjährige Tradition exzellenter neurowissenschaftlicher Forschung in Tübingen fort. Das HIH wirkte gemeinsam mit einer Reihe anderer Tübinger Forschungsinstitute als wichtiger Katalysator und trägt damit wesentlich zu der zunehmenden Konzentration international anerkannter neurowissenschaftlicher Forschung in Tübingen bei.

2007 wurde das vom HIH mitinitiierte Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN) in die Exzellenzinitiative des Bundes aufgenommen und ein Jahr später wählte das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) Tübingen als sechsten Partnerstandort aus. Ausschlaggebend für beide Erfolge war, dass die Universität Tübingen mit dem HIH und dem Universitätsklinikum bereits eine bestens aufgestellte Neuroforschung vorweisen konnte.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution81

Quelle: Eberhard Karls Universität Tübingen, Michael Seifert, 03.10.2011


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Forschungsverbund Berlin e.V. - 04.10.2011

Wie das Immunsystem sein Gedächtnis entwickelt

Mit Experimenten und mathematischen Modellierungen erlangte Dr. Edda Schulz vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum neue Erkenntnisse über das Immunsystem. Sie erhält für ihre Doktorarbeit den Nachwuchswissenschaftlerinnen-Preis des Forschungsverbundes Berlin e.V. 2011.

Interdisziplinäres Arbeiten ist heute für Wissenschaftler selbstverständlich. Insbesondere mathematische Modelle bringen vielen Bereichen neuen Erkenntnisgewinn. Dazu müssen sich in der Regel Experten unterschiedlicher Fachrichtungen miteinander verständigen. Außergewöhnlich ist die Doppelbegabung der diesjährigen Preisträgerin des Nachwuchswissenschaftlerinnen-Preises des Forschungsverbundes Berlin. Dr. Edda Schulz hat in ihrer Dissertation Mit dem Titel "Mathematische und Experimentelle Analyse regulatorischer Netzwerke in T-Helfer-Lymphozyten" am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum und an der Humboldt-Universität untersucht, wie das Immunsystem sein Gedächtnis entwickel. Dabei hat sie nicht nur den experimentellen Teil, sondern auch die mathematische Modellierung auf höchstem Niveau selbst durchgeführt.

Ihre Arbeit ist in der Fachwelt auf großes Interesse gestoßen. Die Ergebnisse wurden in den Journalen "Immunity" und "Nature Reviews of Immunology" veröffentlicht. Prof. Andreas Radbruch, Direktor des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums, ist begeistert von der Arbeit: "Edda Schulz ist eine der besten Doktorandinnen, mit denen ich zusammenarbeiten durfte. Ich habe die Arbeit gemeinsam mit dem Biophysiker Prof. Thomas Höfer vom Deutschen Krebsforschungszentrum betreut - es bedurfte unser beider Fachwissen dafür." Edda Schulz hat die Entstehung von T-Helfer-Lymphozyten untersucht, die eine zentrale Rolle bei der Immunabwehr spielen. Entwickeln sich die T-Helfer-Lymphozyten nicht richtig, führt das häufig zu Autoimmunerkrankungen. Schon seit 20 Jahren ist bekannt, dass zwei Botenstoffe des Immunsystems die Prozesse steuern, die das Gedächtnis der Immunzellen bilden: die Zytokine Interferon-gamma und Interleukin-12. Wie genau diese Stoffe die Immunzellen regulieren und wie sie zusammenspielen, war jedoch nicht bekannt.

In ihrer Arbeit hat Edda Schulz herausgefunden, dass der Prozess in zwei Schritten abläuft. Empfängt die Zelle das Signal eines unbekannten Antigens, wird das Interferon-gamma aktiv und reguliert die Abwehr der Zelle. Da das Immunsystem das Antigen noch nicht kennt, probiert es verschiedene Waffen zu dessen Bekämpfung aus. Das ist die erste Phase. Hat die Zelle das Antigen erfolgreich bekämpft, beginnt in der zweiten Phase das IL-12 zu wirken. Es veranlasst die Zelle, sich die letzte Reaktion auf den Erreger zu merken, die offensichtlich erfolgreich war. Trifft die Zelle das nächste Mal auf ein solches Antigen, reagiert sie gleich mit der richtigen Waffe. Das Signal des Antigens fungiert dabei als "Schalter" zwischen den beiden Phasen. Solange das Antigen noch aktiv ist, kann die Zelle das IL-12 nicht sehen. In dieser Phase ist noch nicht entschieden, welche Reaktion der Zelle das Antigen erfolgreich bekämpft, die Zelle probiert noch verschiedene Reaktionen aus. Sobald das Antigen-Signal ausbleibt, beginnt das IL-12 zu wirken, die Zelle merkt sich die letzte - und damit erfolgreiche - Abwehrreaktion.

Wissenschaftler wollen die molekularen Mechanismen der Immunabwehr besser verstehen, um beispielsweise für Autoimmunerkrankungen gezielt neue Therapien entwickeln zu können. Bei Autoimmunerkrankungen reagiert die Zelle, auch ohne dass ein Antigen vorliegt. Häufig sollen Medikamente eine Immunreaktion verhindern, indem sie das Anigen-Signal hemmen. Dadurch wird jedoch das IL-12 aktiv, im ungünstigen Fall wird das Gedächtnis der Zelle verstärkt und chronische Entzündungen werden schlimmer. Auch für das Impfen sind diese Mechanismen wichtig: Auf die zeitliche Abfolge kommt es an, um das Gedächtnis der Zelle zu verstärken.

Edda Schulz betont: "Mich hat vor allem überrascht, dass ein so komplexes Phänomen wie das immunologische Gedächtnis von nur drei verschiedenen Genen kontrolliert wird, die jedoch auf eine ganz bestimmte Weise vernetzt sind. Das habe ich erst dann verstanden, als ich meine experimentellen Messungen mit mathematischen Simulationen verglichen habe." Sie ergänzt: "Die Anerkennung meiner Arbeit durch den Preis bestärkt mich darin, trotz schwieriger Bedingungen eine Laufbahn in der akademischen Forschung anzustreben." Ihre Arbeit wurde darüber hinaus mit dem Avrion-Mitchison-Preis für Rheumaforschung und dem MTZ-Preis für medizinische Systembiologie ausgezeichnet. Edda Schulz arbeitet derzeit als Postdoktorandin am angesehenen Institut Curie in Paris. Andreas Radbruch erwartet, dass sie weitere wichtige Beiträge für die Wissenschaft leisten wird: "Sie ist ein einzigartiges Talent und hat ungewöhnlich breit gefächerte Kompetenzen."

Kontakt:
wiemer@fv-berlin.de

Die Verleihung des elften Nachwuchswissenschaftlerinnen-Preises des Forschungsverbundes Berlin e.V. findet am
2. November 2011 um 19 Uhr
im Forum Adlershof
Rudower Chaussee 24, 12489 Berlin
statt.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.fv-berlin.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image152541
Dr. Edda Schulz erhält den Nachwuchswissenschaftlerinnen-Preis 2011 des Forschungsverbunds. Die Arbeit entstand am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin. Edda Schulz arbeitet mittlerweile als Postdoktorandin am Institut Curie in Paris.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution245

Quelle: Forschungsverbund Berlin e.V., Gesine Wiemer, 04.10.2011


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Alpen-Adria-Universität Klagenfurt - 03.10.2011

Menschen auf das Sterben vorbereiten und im Sterben begleiten - (wie) lässt sich das lernen?

Marina Kojer wird Honorarprofessur der Alpen-Adria-Universität verliehen.

Alte, chronisch kranke, demenziell veränderte, schwerkranke und sterbende Menschen gehören zu den Schwächsten in unserer Gesellschaft. Wie ihre Versorgung verbessert werden kann, ist eine zentrale Fragestellung an der Abteilung Palliative Care und OrganisationsEthik der Alpen-Adria-Universität.

ExpertInnen aus Pflege, Medizin, Psychologie, Sozialarbeit und Seelsorge sehen die hospizliche und palliative Sorge für Betroffene und deren Angehörige als gemeinsame interdisziplinäre Aufgabe an. Ziel ist es, zur Verbesserung der Lebenssituation beizutragen, wobei die Betroffenen selbst miteinbezogen werden. Wenn also WissenschaftlerInnen und PraktikerInnen in diesem Gebiet forschen, lehren und beraten, so tun sie dies im direkten Austausch mit Kranken und Sterbenden sowie deren Angehörigen und deren professionellen UnterstützerInnen.

An dieser Verbindungs- bzw. Überschneidungsstelle zwischen Wissenschaft und Praxis arbeitet auch Marina Kojer, Konsulentin an der Abteilung Palliative Care und OrganisationsEthik und langjährige Lehrende in den Universitätslehrgängen der Abteilung. Sie ist Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychologin. 1989 begründete sie die erste Medizinische Abteilung für Palliativmedizinische Geriatrie und die Schmerzambulanz am Geriatriezentrum am Wienerwald in Wien, deren Leiterin sie 14 Jahre lang war. Sie ist die Gründerin des Faches Palliative Geriatrie.

In ihrer Forschungstätigkeit beschäftigt sich Marina Kojer vorwiegend mit den Bedürfnissen von demenzerkrankten alten Menschen und den Möglichkeiten der Palliativarbeit. Ein Schwerpunkt liegt in der Erwachsenenbildung im Bereich Palliative Care, in der sie sich darum bemüht, Wissen über professionelles Begleiten und Versorgen zu vermitteln und zu verbreiten. Diesem Ziel ist auch die jüngste Publikation von Marina Kojer (herausgegeben mit Martina Schmidl im Springer Verlag, 2011) unter dem Titel "Demenz und Palliative Geriatrie in der Praxis" gewidmet.

Die Honorarprofessur für Palliative Geriatrie wird Marina Kojer am 12. Oktober 2011 an der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung am Standort Wien verliehen.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.aau.at

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution78

Quelle: Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Dr. Romy Müller, 03.10.2011


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Oktober 2011