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MELDUNG/531: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 13.04.12 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Kampf gegen Krankenhauserreger
→  Neuroblastom: Grundlagenforschung an einem rätselhaften Kindheits-Tumor


Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) - 12.04.2012

Kampf gegen Krankenhauserreger

BMBF fördert Aufbau einer klinischen Forschergruppe in Jena / Schavan: "Klinisch-infektiologische Forschung muss an Krankenhäusern verankert werden, damit Infektionskrankheiten auch in Zukunft heilbar bleiben."

In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 400.000 bis 600.000 Patientinnen und Patienten an einer Infektion, die sie im Krankenhaus erworben haben. Bis zu 15.000 Menschen sterben daran, wie in jüngster Zeit die Babys an einer Frühgeborenen-Intensivstation in Bremen. Besonders gefährlich sind die sogenannten multiresistenten Keime, gegen die Antibiotika kaum noch helfen. Sie entwickeln sich insbesondere in Krankenhäusern, weil hier von außen ständig neue Erreger eingeschleppt werden und andererseits Patienten je nach ihrer Erkrankung mit Antibiotika behandelt werden müssen. In einem derartigen Biotop können die Erreger gut verschiedenste Resistenzen ausbilden und damit zum Problem werden.

"Unser Ziel muss es sein, Infektionen mit solchen Erregern nach Möglichkeit zu vermeiden und sie im Falle ihres Auftretens gezielt bekämpfen zu können. Deshalb müssen wir die Forschung auf diesem Gebiet weiter mit aller Kraft vorantreiben. Nur so können Infektionskrankheiten auch in Zukunft heilbar bleiben", sagte Bundesforschungsministerin Annette Schavan. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung stellt dem Universitätsklinikum Jena deshalb in den kommenden drei Jahren 2,3 Millionen Euro für den Aufbau einer klinisch-infektiologischen Forschergruppe zur Verfügung.

Diese Forschergruppe wird eine Ambulanz und einen klinikweiten Beratungsdienst zum Thema Infektionen für das ärztliche Personal aufbauen und betreuen. Damit wird sie dazu beitragen, Mängel in Abläufen zu erkennen und zu beseitigen, die die Verbreitung von Infektionen fördern. Außerdem werden am Universitätsklinikum Jena zehn Betten für Patientinnen und Patienten eingerichtet, die mit multiresistenten Erregern infiziert sind.

Diese strukturellen Maßnahmen werden aber auch genutzt, um konkrete Forschungsfragen zu bearbeiten. So werden von der Jenaer Forschergruppe vier Projekte durchgeführt, die Infektionen durch Antibiotika-resistente Bakterien erforschen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen die Mechanismen ergründen, die Bakterien resistent werden lassen. Nur wenn diese Vorgänge verstanden sind, können neue Wirkstoffe gefunden beziehungsweise bewährte Substanzen entsprechend modifiziert werden - damit diese gefährlichen Infektionen behandelbar werden.

"Die Einrichtung der Gruppe in Jena ist eines von deutschlandweit mehreren Pilotvorhaben zur klinischen Infektiologie. Wir hoffen, dass das Modell in Zukunft auch von anderen Universitätskliniken übernommen wird.", betonte Schavan. "Mit dieser Maßnahme stärken wir also nicht nur die Infektionsforschung. Ziel unserer Förderung ist es vor allem, dass die klinisch-infektiologische Forschung an Krankenhäusern strukturell verankert wird, sodass dort Forschungsergebnisse gezielt in diagnostische und therapeutische Maßnahmen umgesetzt werden können."

Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter
http://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/1038.php

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution328

Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Silvia von Einsiedel, 12.04.2012

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Wilhelm Sander-Stiftung - 12.04.2012

Neuroblastom: Grundlagenforschung an einem rätselhaften Kindheits-Tumor

Das Neuroblastom ist die zweithäufigste Krebserkrankung in der frühen Kindheit. Es handelt sich um Vorläuferzellen des autonomen Nervensystems, die in ihrem unreifen Stadium verblieben und sich aus bisher nur ansatzweise geklärter Ursache ungehindert vermehren. Eine wirkungsvolle Therapie für die aggressiven Formen des Neuroblastoms besteht nach dem heutigen Stand der Wissenschaft nicht. Von der Wilhelm-Sander Stiftung gefördert, versuchen Wissenschaftler der Forschungsgruppe von Prof. Hermann Rohrer am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt/Main grundlegende Mechanismen der Entstehung dieses Tumors aufzuklären, der sich bislang klinischen Zugriffen weitgehend entzogen hat.

Den Anlass für Professor Rohrer, die Entstehung des Neuroblastoms zu erforschen, lieferte die Analyse des Erbguts von Neuroblastompatienten. Diese zeigte, dass ein Teil der Patienten mit einer familiär vererbten Form des Neuroblastoms Mutationen im Phox2b-Gen aufweist. In der Grundlagenforschung war dieses Gen bereits bestens bekannt, da es essentiell für die Entstehung von Nervenzellen des sogenannten "sympathischen Nervensystems" ist und in deren Entwicklung eine Schlüsselrolle einnimmt. Das "sympathische Nervensystem" ist unter anderem verantwortlich für die Regulation der Körpertemperatur, der Herzfrequenz und der Verdauung.
In einem bereits vorher von der Wilhelm-Sander Stiftung geförderten Projekt der Arbeitsgruppe Rohrer konnten Dr. Konstantina Tsarovina und Tobias Reiff zeigen, dass die Mutationen im "Phox2b"-Gen sowohl Konsequenzen auf die Teilungsfähigkeit, als auch auf die korrekte Entwicklung der Vorläuferzellen des sympathischen Nervensystems haben und somit neue Einsichten in die Tumorentstehung der Patienten mit Mutationen im Phox2b-Gen gewinnen.
Kürzlich wurde ein weiteres Gen ("Alk") identifiziert, dessen Mutationen mit der Entstehung des Neuroblastoms einhergehen. Das Alk-Gen kodiert für eine Rezeptor-Tyrosinkinase. Die Mutationen führen zu einer permanenten Aktivierung von zellinternen Signalwegen mit bisher unbekannten Folgen. In einem Folgeprojekt untersuchte die Forschergruppe um Professor Rohrer zunächst die Funktion von Alk in der normalen Entwicklung des sympathischen Nervensystems. Es stellte sich heraus, dass Alk und der aktivierende Ligand "Midkine" die Teilung sympathischer Nervenzellvorläufer steuern. Die Aktivierung des Signalwegs führt zu vergrößerten sympathischen Nervenzelkörpern ("Ganglien"). Die weitere Analyse befasst sich mit den nachgeschalteten Schritten welche der Neuroblastomentstehung zugrunde liegen. Sie soll letztendlich durch neue Therapiemöglichkeiten und verbesserte Heilungschancen den Patienten zu Gute kommen.

Aktuelle Publikation:
Reiff, T.; Huber, L.; Kramer, M.; Delattre, O.; Janoueix-Lerosey, I.; Rohrer, H.
Midkine and Alk signaling in sympathetic neuron proliferation and neuroblastoma predisposition Development
(Cambridge, England) 138, 4699-4708 (2011)

Weitere Informationen zur Stiftung:
http://www.wilhelm-sander-stiftung.de

Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert dieses Folgeprojekt mit rund 240.000 Euro. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 190 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution890

Quelle: Wilhelm Sander-Stiftung, Sylvia Kloberdanz, 12.04.2012

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2012