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MELDUNG/667: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 12.03.13 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Protein-Modifikationen gezielt manipulieren
→  Neues Regulationsverfahren bei Zellwandbiosynthese von Darmbakterien entdeckt



Universität Zürich - 10.03.2013

Protein-Modifikationen gezielt manipulieren

Die Aktivität von Proteinen ist streng reguliert - falsche oder mangelnde Proteinregulierung kann zu unkontrolliertem Wachstum und somit zu Krebs oder chronischen Entzündungen führen. Veterinärbiochemiker der Universität Zürich haben Enzyme identifiziert, welche die Aktivität medizinisch wichtiger Proteine regulieren können. Ihre Entdeckung ermöglicht es, diese Proteine gezielter zu manipulieren, womit sich neue Behandlungsmethoden für Entzündungen und Krebs auftun.

Für einen gesunden Organismus ist es entscheidend, dass Proteine zum richtigen Zeitpunkt aktiv oder inaktiv sind. Die entsprechende Regulierung basiert auf einer chemischen Modifikation der Proteinstruktur: Enzyme fügen kleine Moleküle an bestimmten Stellen eines Proteins an oder entfernen sie, wodurch das Protein aktiviert oder deaktiviert wird. Veterinärbiochemiker der Universität Zürich haben nun entdeckt, wie die Inaktivierung eines für die Medizin wichtigen Proteins rückgängig gemacht werden kann.

Neue Gruppe von ADP-Ribosylhydrolasen identifiziert

Eine wichtige Protein-Modifikation ist die so genannte ADP-Ribosylierung. Diese ist bei bestimmten Typen von Brustkrebs, zellulären Stressreaktionen und bei der Genregulation wichtig. Hierbei heften sogenannte ADP-Ribosyltransferasen das Molekül ADP-Ribose an Proteine und ändern dadurch deren Funktion. In den letzten Jahren wurden viele ADP-Ribosyltransferasen entdeckt, die einzelne oder mehrere ADP-Ribosen auf verschiedene Proteine übertragen können. Enzyme hingegen, die diese Ribosen wieder entfernen können, sind weniger bekannt. Eine neue Gruppe solcher Enzyme, sogenannte ADP-Ribosylhydrolasen, haben nun die Forschenden um Prof. Michael Hottiger identifiziert. Sie stellten fest, dass für die Entfernung der ADP-Ribosen eine sogenannte Makrodomäne verantwortlich ist. Bei menschlichen Proteinen aber auch bereits beim Archäbakterium Archaeoglobus fulgidus erfolgt die Entfernung von ADP-Ribosen über Makrodomänen. "Wir nehmen deshalb an, dass die Aufhebung der Modifikation bei verschiedenen Spezies ähnlich abläuft", erläutert Michael Hottiger.

Biomedizinisch relevant: Inaktivierung des modifizierten Enzyms GSK3β

Die Forschenden belegen zudem, dass ADP-Ribosylhydrolasen auch die ADP-Ribose des intensiv erforschten Enzyms GSK3β entfernen können. GSK3β reguliert die Synthese von Speicherstoffen und ist beim Verlauf verschiedener Krankheiten bedeutsam. Die ADP-Ribosylierung inaktiviert GSK3β, was durch die neu identifizierten Enzyme wieder rückgängig gemacht werden kann. "Unsere Entdeckung ermöglicht es, die ADP-Ribose-Modifikation gezielt zu manipulieren und zu testen, sowie neue Behandlungsmethoden für Krankheiten wie Entzündungen oder Krebs zu entwickeln", schliesst Michael Hottiger.

Literatur:
Florian Rosenthal, Karla L.H. Feijs, Emilie Frugier, Mario Bonalli, Alexandra H. Forst, Ralph Imhof, Hans C. Winkler, David Fischer, Amedeo Caflisch, Paul O. Hassa, Bernhard Lüscher and Michael Hottiger.
Macrodomain-containing proteins are novel mono-ADP-ribosylhydrolases.
Nature Structural & Molecular Biology. 10. März, 2013.
Doi 10.1038/nsmb.2521

Kontakt:
Prof. Michael O. Hottiger
Institut für Veterinärbiochemie und Molekularbiologie
Universität Zürich
E-Mail: hottiger@vetbio.uzh.ch

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution94

Quelle: Universität Zürich, Beat Müller, 10.03.2013

Raute

Georg-August-Universität Göttingen - 11.03.2013

Neues Regulationsverfahren bei Zellwandbiosynthese von Darmbakterien entdeckt

Göttinger Studie eröffnet neue Möglichkeiten der antimikrobiellen Chemotherapie

(pug) Wissenschaftler der Universität Göttingen und der Universität Würzburg konnten in einer Studie den Mechanismus aufklären, wie der Aufbau von Zellwänden bei Darmbakterien reguliert wird. Das Enzym Glukosamin-6-Phosphat-Synthase, kurz GlmS, regt dabei die Schlüsselreaktion der Biosynthese der Zellwände an. Das Forscherteam konnte zeigen, dass an der Kontrolle dieses Vorgangs eine komplexe Abfolge von Reaktionen beteiligt ist, die aus zwei kleinen regulatorischen Ribonukleinsäuren (RNAs) und einem neuartigen RNA-bindenden Protein besteht. Der neu entdeckte Regulationsmechanismus findet in allen Darmbakterien statt. Zu diesen gehören bedeutsame Krankheitserreger wie pathogene Escherichia coli, zum Beispiel EHEC, und Salmonellen. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Genes & Development erschienen.

Die RNA hat in der biologischen Zelle normalerweise die Aufgabe, genetische Informationen in Proteine umzusetzen. Kleine RNAs kodieren jedoch in der Regel nicht für Proteine, sondern sind wichtige regulatorische Moleküle, deren Bedeutung in Bakterien erst in den vergangenen Jahren erkannt wurde. Bei einem Mangel an Glukosamin-6-Phosphat - einem im menschlichen Körper natürlich vorkommenden Aminozucker - bildet die kleine RNA GlmZ mit der RNA GlmS Basenpaare und erhöht deren Stabilität, wodurch mehr GlmS-Protein aufgebaut wird. Die entscheidende Frage war nun, wie die Menge der kleinen RNA GlmZ in der Zelle kontrolliert wird. Hierbei zeigte sich erstmalig, dass nicht etwa die Bildung, sondern der Abbau der kleinen RNA reguliert ist. Bei einem Überschuss an Glukosamin-6-Phosphat wird GlmZ durch das neuartige Protein RapZ gebunden und hierdurch dem Abbau durch eine Ribonuklease zugeführt. Bei einem Mangel an Glukosamin-6-Phosphat kommt nun eine zweite kleine RNA (GlmY) ins Spiel. GlmY häuft sich an und bindet sich an das Protein. Infolgedessen wird GlmZ nicht abgebaut und stimuliert die Synthese von GlmS, welches wiederum den Glukosamin-6-Phosphat-Spiegel in der Zelle erhöht.

Damit konnte zum ersten Mal gezeigt werden, dass eine kleine regulatorische RNA auf der Ebene ihres Abbaus unter Mitwirkung eines spezifischen Proteins, einem so genannten Adapterprotein, kontrolliert wird. Solche Adapterproteine waren bisher nicht bekannt. "Durch das tiefgreifende Verständnis der komplexen Regulation der bakteriellen Zellwandbiosynthese wird es nun möglich, neue und effektivere Angriffspunkte für die antimikrobielle Chemotherapie zu entwickeln", sagt Privatdozent Dr. Boris Görke vom Institut für Mikrobiologie und Genetik der Universität Göttingen und Co-Autor der Studie. "Bereits vorhandene Wirkstoffe, die direkt gegen das Enzym GlmS gerichtet sind, waren bisher wenig wirksam, weil die Zelle darauf mit der Aktivierung des obigen Mechanismus antwortet. Nun besteht die Möglichkeit, die Wirksamkeit dieser bereits vorhandenen Antibiotika zu erhöhen, indem sie mit neuen Wirkstoffen kombiniert werden, die gegen die Regulatoren des Enzyms gerichtet sind."

Originalveröffentlichung:
Yvonne Göpel et al. (2013).
Targeted decay of a regulatory small RNA by an adaptor protein for RNase E and counteraction by an anti-adaptor RNA.
Genes & Development.
www.genesdev.org/cgi/doi/10.1101/gad.210112.112.

Kontaktadresse:
Privatdozent Dr. Boris Görke
Georg-August-Universität Göttingen
Institut für Mikrobiologie und Genetik
Abteilung für Allgemeine Mikrobiologie
Grisebachstraße 8, 37077 Göttingen
E-Mail: bgoerke@gwdg.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.uni-goettingen.de/en/164534.html

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image196796
Mechanismus der Aktivierung des Schlüsselenzyms GlmS der Zellwandbiosynthese durch kleine RNAs in Darmbakterien.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung Nr. 43/2013 stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution77

Quelle: Georg-August-Universität Göttingen, Thomas Richter, 11.03.2013

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2013