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MELDUNG/729: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 03.12.13 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Millionenförderung für einzigartige Studie zu Hepatitis-B-Behandlung
→  Gründung des Lübecker Zentrums für Seltene Erkrankungen
→  Forschungsprojekt der Freien Universität Berlin erforscht
      die Heilkunde im antiken Mesopotamien



Universität Leipzig - 28.11.2013

Millionenförderung für einzigartige Studie zu Hepatitis-B-Behandlung

Mit gut 1,1 Millionen Euro wird eine klinische Studie an der Leipziger Universitätsmedizin gefördert, die sich mit der chronischen Hepatitis-B-Erkrankung befasst. Für die Dauer von vier Jahren beobachten die Forscher Patienten, bei denen gängigen Medikamente nach mehrjähriger Behandlung kontrolliert abgesetzt werden. Die notwendige Einnahmedauer ist bei chronischer Hepatitis B bislang unklar, so dass die zu erwartenden Studienergebnisse für Ärzte und Betroffene weltweit von großem Nutzen sein werden.

Die "STOP-NUC" benannte Studie untersucht Patienten, die unter einer chronischen Leberentzündung leiden, ausgelöst durch eine Infektion mit Hepatitis-B-Viren. Es handelt sich um eine der häufigsten Infektionserkrankungen weltweit und eine der häufigsten Ursachen für Leberkrebs. Einmal erkrankt, ist das Virus schwer wieder loszuwerden. Der Großteil aller Betroffenen erhält eine Langzeittherapie in Tablettenform mit so genannten Polymerase-Inhibitoren, die das Virus hemmen, sich zu vermehren. Die Therapie wird allgemein gut vertragen. Allerdings gibt es selten bei bestimmten Substanzen Auswirkungen auf die Niere und Knochen und die potenziellen Langfristfolgen sind nicht gut untersucht. Bis heute ist nicht geklärt, ob und wann im Behandlungsverlauf mit der Medikamentengabe aufgehört werden kann oder ob sie lebenslang fortgesetzt werden muss. Weltweit fehlen dazu belastbare Untersuchungen.

Infektionskontrolle teils möglich

Das bisherige Wissen stützt sich nur auf Beobachtungen einer Pilotstudie aus Griechenland. Bei Patienten, die auf die antivirale Therapie über vier bis fünf Jahre gut angesprochen hatten, wurde die Therapie abgesetzt. Ungefähr die Hälfte von Ihnen konnte danach ohne Medikamente weiterleben, erläutert Prof. Thomas Berg, Leiter der Sektion Hepatologie. "Das Spannende ist, dass ein Drittel dieser Patienten dann im weiteren Verlauf das Virus sogar ganz verloren haben. Ein Effekt, der bei einer fortgesetzten Medikamenteneinnahme so wahrscheinlich nicht eingetreten wäre. Nach dem Absetzen kommt es zwar regelhaft zu einem Wiederanstieg der Viruslast, der bei vielen aber von alleine wieder zurück geht. Der Körper scheint dies wie eine Neuinfektion wahrzunehmen und darauf eine immunologische Abwehrreaktion auszulösen, die dann zu einer langfristigen Kontrolle der Infektion führt."

25 beteiligte Zentren bundesweit

An diesem Punkt setzen die Wissenschaftler der STOP-NUC-Studie an. In den kommenden Jahren werden an bundesweit 25 Behandlungszentren insgesamt 160 Patienten mit einer chronischen Hepatitis B (HBeAg negativ), die gut auf eine Therapie ansprechen, in die Studie eingeschlossen und über mehrere Jahre beobachtet. Ein Teil von ihnen wird weiter mit Medikamenten behandelt, bei den anderen wird kontrolliert abgesetzt. Der Vergleich der jeweiligen Verläufe werde endlich aussagekräftige Ergebnisse liefern, ist Prof. Thomas Berg überzeugt: "Zusätzlich soll geklärt werden, ob voraussagbar ist, bei welchen Patienten das Absetzen erfolgreich verläuft. Dann könnte man es in Zukunft den anderen ersparen. Wir sehen einen Zusammenhang mit der Konzentration von Hepatitis-B-Eiweißstoffen, dem so genannte HBs-Antigen, aber das liegt alles noch im Dunkeln."

Die Projektidee stammt von Dr. Florian an Bömmel (Sektion Hepatologie), der ergänzt: "Die Studie ist sehr innovativ und ihre Fragen beschäftigen international alle Hepatitis B-Behandelnden. Die Ergebnisse, so viel steht schon jetzt fest, werden große Beachtung finden." Entwickelt wurde die Studie zusammen mit dem Zentrum für Klinische Studien (ZKS). Es ist eine Einrichtung der Medizinischen Fakultät - geschaffen, um Wissenschaftler bei der umfangreichen Planung und Beantragung von Studien zu unterstützen. In den kommenden Jahren werden die Daten aus den beteiligten Zentren in Leipzig zusammenlaufen und am ZKS ausgewertet. Dass die Leipziger Projektidee erfolgreich aus dem Auswahlverfahren der gemeinsamen Initiative der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Bundesforschungsministerium zur Förderung klinischer Studien in Deutschland hervorgegangen ist, sieht Berg auch in der Zusammenarbeit begründet. "Auf die jährliche Ausschreibung werden immer mehrere hundert Studienanträge eingereicht. Unter die wenigen Auserwählten gekommen zu sein, sehen wir als hohe Auszeichnung."

Faktenzusammenfassung

Projektname: "Definiertes Absetzen einer Nukleosi(t)danaloga-Therapie bei HBeAg-negativen Patienten mit chronischer Hepatitis B - eine randomisierte Studie (STOP-NUC)"
Projektleitung: Dr. Florian van Bömmel und Prof. Dr. Thomas Berg der Sektion Hepatologie des Universitätsklinikums Leipzig sowie Prof. Dr. Markus Löffler und Dr. Oana Brosteanu, Zentrum für Klinische Studien der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig
Laufzeit: November 2013 bis Ende Oktober 2017
BMBF-Fördersumme: 1.132.345 Euro

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Thomas Berg
Sektion Hepatologie
Uniklinik für Gastroenterologie und Rheumatologie
E-Mail: thomas.berg@medizin.uni-leipzig.de
Web: www.uniklinikum-leipzig.de

Dr. Florian van Bömmel
E-Mail: florian.vanboemmel@medizin.uni-leipzig.de

Weitere Informationen finden Sie unter
www.uni-leipzig.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution232

Quelle: Universität Leipzig, Diana Smikalla, 28.11.2013

Raute

Universität zu Lübeck - 29.11.2013

Gründung des Lübecker Zentrums für Seltene Erkrankungen

Vier Millionen Menschen leben in Deutschland mit einer der zahlreichen seltenen Erkrankungen - Enge Verknüpfung des neuen Zentrums mit der Stiftungsprofessur für Bewegungsstörungen und Neuropsychiatrie bei Kindern und Erwachsenen

An der Universität zu Lübeck und dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, wird ein Zentrum für Seltene Erkrankungen eingerichtet. Die Gründung findet am Sonnabend, dem 7. Dezember 2013, im Rahmen eines wissenschaftlichen Symposiums statt (9.15 Uhr, Hörsaal AM 2, Hörsaalzentrum Audimax).

Erkrankungen werden als selten definiert, wenn fünf oder weniger Personen pro 10.000 von ihnen betroffen sind. Allerdings gibt es zahlreiche seltene Erkrankungen, so dass in Deutschland insgesamt etwa vier Millionen Menschen mit einer seltenen Erkrankung leben.

Die Relevanz und gesundheitspolitische Brisanz seltener Erkrankungen sind in den letzten Jahren in den öffentlichen Fokus gerückt und haben zur Entfaltung einer Reihe von Initiativen geführt, unter anderem der Gründung der Eva-Luise-und-Horst-Köhler-Stiftung für Menschen mit Seltenen Erkrankungen, der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) e.V. und des Nationalen Aktionsbündnisses für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE).

Die Schwerpunkte des neu geschaffenen Lübecker Zentrums für Seltene Erkrankungen (ZSE), das einen betont interdisziplinären und altersübergreifenden Ansatz verfolgt, liegen auf seltenen genetischen und neurogenetischen Syndromen, Bewegungsstörungen und neurodegenerativen Erkrankungen, Störungen der Geschlechtsentwicklung, seltenen Hauterkrankungen und der Versorgungsforschung.

Ein wichtiger Motor für die Gründung des ZSE ist die im Frühjahr 2013 eingerichtete Stiftungsprofessur "Bewegungsstörungen und Neuropsychiatrie bei Kindern und Erwachsenen". Die W3-Professur ist mit Prof. Dr. Alexander Münchau besetzt und am Institut für Neurogenetik angesiedelt. Die Einrichtung der Professur wurde durch die großzügige Unterstützung der Possehl-Stiftung, der Universität zu Lübeck, der Kliniken für Neurologie, für Psychiatrie und Psychotherapie, für Kinder- und Jugendmedizin und für Neurochirurgie sowie der Institute für Humangenetik und für Neuroradiologie ermöglicht.

Mit der Errichtung der Stiftungsprofessur gelang es, die über viele Jahre entwickelte Idee eines fächer- und altersübergreifenden klinisch-neurowissenschaftlichen Zentrums zur Betreuung und Erforschung von oft ungewöhnlichen neurologischen und neuropsychiatrischen Erkrankungen zu realisieren. In enger Kooperation mit den beteiligten Kliniken und Instituten sind bereits interdisziplinäre klinische Versorgungsstrukturen etabliert und multimodale, überwiegend systemphysiologische Forschungsprojekte begonnen worden.

Grußworte zum Gründungssymposium am 7. Dezember sprechen Eva Luise Köhler von der Eva-Luise-und-Horst-Köhler-Stiftung für Menschen mit Seltenen Erkrankungen, Bonn, der Präsident der Universität zu Lübeck, Prof. Dr. Peter Dominiak, und der Vorstandsvorsitzende des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Prof. Dr. Jens Scholz. Das Lübecker Zentrum für Seltene Erkrankungen ist durch dessen Sprecher, Prof. Dr. Alexander Münchau, die stellvertretende Sprecherin, Prof. Dr. Gabriele Gillessen-Kaesbach, sowie Prof. Dr. Christine Klein, Prof. Dr. Olaf Hiort und weitere Mitglieder vertreten.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution92

Quelle: Universität zu Lübeck, Rüdiger Labahn, 29.11.2013

Raute

Freie Universität Berlin - 29.11.2013

ERC unterstützt Erforschung der Heilkunde im antiken Mesopotamien an der Freien Universität

Der Europäische Forschungsrat (ERC) fördert ein Projekt des Altorientalisten und Judaisten Professor Mark Geller von der Freien Universität Berlin zur Erforschung der Heilkunde im antiken Mesopotamien. Bewilligt wurde ein renommierter ERC-Grant in der Kategorie "Advanced Grant" über 2,25 Millionen Euro und einer Laufzeit bis 2018. Das Vorhaben "Babylonian Medicine" - kurz BabMed - ist seit der Entschlüsselung der Keilschrift das erste umfassende Vorhaben zur Erforschung der Medizin dieser Epoche.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Mark Geller widmen sich dabei der größten Sammlung medizinischer Keilschrifttexte auf Akkadisch, einer ausgestorbenen semitischen Sprache. Sie analysieren auch die späte Phase babylonischer Medizin, die im Babylonischen Talmud auf Aramäisch überliefert ist. Die Forscher der Freien Universität kooperieren in einem Teilprojekt mit Kollegen der Bar-Ilan-Universität in Israel. Ziel der Wissenschaftler ist es im Detail herauszufinden, wie Wissen in der Antike weitergegeben wurde. Am Beispiel der antiken Heilkunst wollen sie dazu die Barrieren zwischen den unterschiedlichen Formen antiker Wissensvermittlung herausarbeiten und aufzeigen, wie diese Schranken im Altertum überwunden wurden. Eine dieser Barrieren war Schrift und Sprache. Zur Eröffnung des Forschungsprojekts findet am 2. Dezember eine öffentliche Abendveranstaltung an der Freien Universität Berlin statt.

Im Rahmen von BabMed wird babylonische Heilkunde im Talmud vor dem Hintergrund älteren Keilschriftenmaterials erstmals systematisch untersucht. Die jüngere Forschung zur Medizingeschichte hatte bisher aufgrund des fehlenden Zugangs zu medizinischen Keilschrifttexten den Komplex der babylonischen Medizin weitgehend nicht beachtet. Auch aramäische medizinische Texte im Babylonischen Talmud fanden bislang nur wenig Aufmerksamkeit. Mit zwei Fragen beschäftigen sich die BabMed-Wissenschaftler hauptsächlich: Bestand die Keilschrift weitaus länger als bisher vermutet? Leiten sich die aramäischen Texte zur Heilkunde im Babylonischen Talmud hauptsächlich von medizinischen Keilschrifttexten in akkadischer Sprache ab?

Das Projekt zielt darauf ab, babylonische medizinische Texte und das darin vermittelte Wissen nicht nur für Keilschrift-Spezialisten zur Verfügung zu stellen, sondern einem breiteren wissenschaftlichen Publikum und der Öffentlichkeit. Bisher wurden diese Schriften ausschließlich in Keilschrift oder gar nicht veröffentlicht und waren selbst für Wissenschaftler schwer oder nicht zugänglich. Ein weiteres Ziel ist es, babylonische Medizintexte im Babylonischen Talmud zu erforschen und Vergleiche zu späteren medizinischen Aufzeichnungen auf Aramäisch aus der gleichen Region zu ziehen. Außerdem sollen Parallelen zu hippokratischen, galenischen und weiteren Traditionen untersucht werden; auf diese Weise soll der medizinische Wissenstransfer von Mesopotamien zu späteren Epochen nachvollzogen werden. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen die frühe Medizingeschichte und ihre Einflüsse auf die westliche Medizin zu ergründen.

Weitere Informationen
Prof. Dr. Mark Geller, Professur für Wissensgeschichte an der Freien Universität Berlin
E-Mail: babylonian-medicine@geschkult.fu-berlin.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.fu-berlin.de/babylonianmedicine

Bei der Auftaktveranstaltung am 2. Dezember 2013 um 20 Uhr stellen renommierte Wissenschaftler das Projekt und zwei seiner Forschungsfelder vor. Die Grußworte sprechen der Präsident der Freien Universität, Prof. Dr. Peter-André Alt, und die Dekanin des Fachbereichs Geschichts- und Kulturwissenschaften, Prof. Dr. Karin Gludovatz. Die Veranstaltung ist öffentlich, der Eintritt ist frei.

Mark Geller, geboren 1949 in den USA, studierte Klassische Philologie an der Princeton University. Er promovierte an der Brandeis University in Semitistik. Seit 1976 lehrt er Judaistik und Assyriologie am University College London. Seit 2010 sind er und seine Frau Florentina Badalanova Geller als Gastprofessoren an der Freien Universität tätig, beide als Mitglieder des Exzellenzclusters Topoi. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören antike Wissensgeschichte und Heilkunde. Er ist Autor zahlreicher Bücher und Aufsätze, zuletzt "Ancient Babylonian Medicine, Theory and Practice" (2010).

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution9

Quelle: Freie Universität Berlin, Carsten Wette, 29.11.2013

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2013