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MELDUNG/833: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 05.05.15 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Universitätsklinikum Heidelberg und Sanofi gründen Forschungsallianz gegen Knochenmarkkrebs
→  Deutschlands größte Gesundheitsstudie (NAKO):
      Ministerin Schulze eröffnet Studienzentrum in Düsseldorf
→  Tumorzellen im Blut automatisch zählen


Universitätsklinikum Heidelberg - 04.05.2015

Universitätsklinikum Heidelberg und Sanofi gründen Forschungsallianz gegen Knochenmarkkrebs

Neuer Wirkstoff soll erkrankte Immunzellen im Knochenmark blockieren / Sanofi fördert gemeinsame Forschung mit 1,4 Millionen Euro / Multiples Myelom und Amyloidose im Fokus

Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg und des Gesundheitsunternehmens Sanofi erforschen ab sofort gemeinsam molekulare Grundlagen der Amyloidose, einer seltenen Erkrankung des Knochenmarks, und des Multiplen Myeloms, einer Krebserkrankung des Knochenmarks. Ziel ist es, die Erkenntnisse in die Entwicklung eines neuen, ergänzenden Therapieansatzes einzubringen. Sanofi fördert das nun gestartete Kooperationsprojekt am Universitätsklinikum zunächst zwei Jahre mit insgesamt 1,4 Millionen Euro. Beide Teams werden in dieser Zeit untersuchen, wie sich ein spezielles Oberflächenprotein von Knochenmarkzellen, das so genannte CD38, auf Krankheitsverlauf und Prognose auswirkt. Im Fokus der Forscher steht außerdem, ob sich CD38 als Angriffsziel für ein künstlich hergestelltes Protein eignet, einen so genannten Antikörper, der ausschließlich an CD38 bindet. Ziel ist es, dank der gebündelten Expertise beider Partner den neuen Wirkstoff möglichst schnell für klinische Studien mit Patienten vorzubereiten. Projektpartner am Universitätsklinikum ist die Abteilung Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie unter der Leitung von Professor Dr. Anthony D. Ho, in Zusammenarbeit mit dem Pathologischen Institut (Direktor: Professor Dr. Peter Schirmacher).

Beim Multiplen Myelom, an dem jährlich in Deutschland rund 5.800 Menschen neu erkranken, sind bestimmte Immunzellen im Knochenmark, die Plasmazellen, krankhaft verändert. Sie vermehren sich übermäßig, verdrängen mit der Zeit das gesunde Knochenmark und verursachen Knochenschäden. Bei der so genannten Leichtketten-Amyloidose geben veränderte Plasmazellen fehlerhaft geformte Eiweiße, die sogenannten Leichtketten, ins Blut ab. Diese können sich in spezieller Form (genannt Amyloid) in verschiedenen Organen ablagern und dort schwere Schäden verursachen. Bisher gibt es keine Verfahren, abgelagertes Amyloid wieder aus den Organen zu lösen. Die Produktion und Ablagerung weiteren Amyloids muss daher möglichst schnell gestoppt werden.

Derzeit verfügbare Therapien bringen meist keine Heilung

"Die Therapien bei Multiplem Myelom und Leichtketten-Amyloidose zielen darauf ab, die veränderten Plasmazellen abzutöten. Je gründlicher das gelingt, desto länger können wir die Erkrankung zurückdrängen", erklärt Professor Ho. "Eine Heilung erreichen wir mit den derzeit verfügbaren Medikamenten und Chemotherapien aber meist nicht." Gemeinsam mit den Kooperationspartnern von Sanofi arbeiten die Heidelberger Myelom- und Amyloidose-Experten nun an einem Behandlungsansatz, der die gängigen Therapien unterstützen und verbessern kann.

Die Wissenschaftler von Sanofi haben einen Antikörper entwickelt, ein Protein, wie es in ähnlicher Form auch vom Immunsystem des Körpers zur Abwehr von Krankheitserregern gebildet wird. Der künstlich hergestellte Antikörper bindet ausschließlich an das Protein CD38, das Plasmazellen im Knochenmark auf ihrer Oberfläche tragen, und blockiert so wichtige Zugangswege zur Zelle. Zwar trifft er dabei theoretisch auch gesunde Plasmazellen. Da diese allerdings bei den Patienten fast vollständig verloren gegangen sind, werden die Patienten durch die neue Behandlung voraussichtlich nicht zusätzlich beeinträchtigt. Langzeiterfahrungen gibt es aber noch nicht.

"Sanofi hat sich seit jeher stark auf dem Gebiet der Onkologie engagiert. Wir freuen uns, dass wir gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg die translationale Medizin auf diesem speziellen Feld der Krebsforschung voranbringen werden", sagte Jochen Maas, Geschäftsführer Forschung & Entwicklung bei Sanofi Deutschland. "Unsere Partnerschaft zieht Nutzen aus der speziellen Expertise der jeweiligen Organisation. So können wir innovative Ansätze schneller entwickeln und Patienten früher davon profitieren."

Vor Einsatz am Patienten müssen offene Fragen geklärt werden

Ziel der Wissenschaftler ist es nun, CD38 und seine Wechselwirkung mit dem künstlichen Antikörper weiter zu erforschen. Wichtige Fragen sind dabei unter anderem: Kann CD38 Auskunft über den weiteren individuellen Verlauf der Erkrankung geben? Bleibt die Menge an CD38 auf der Zelle im Verlauf der Erkrankung konstant, um eine ausreichende Angriffsfläche für den Antikörper zu bieten? Lässt die Menge an CD38 auf der Oberfläche der Plasmazelle Rückschlüsse auf die genetischen Veränderungen im Zellkern zu? Welche anderen Zellen tragen noch CD38 an ihrer Oberfläche? Wie stark werden diese durch die Therapie geschädigt? Welche Nebenwirkungen gehen damit einher? "Wenn sich unsere Erwartungen an den Antikörper erfüllen, steht uns bald ein zusätzlicher Behandlungsbaustein zur Verfügung, mit dem wir die gängigen Therapien sehr gezielt und daher schonend ergänzen können", sagt Ho. Darüber hinaus sei dann auch ein Einsatz bei bestimmten Leukämieformen denkbar.

Kontakt:

Sanofi
Externe Kommunikation
Philipp Heinz
presse@sanofi.com

Prof. Anthony D. Ho
Ärztlicher Direktor
Medizinische Klinik V
Universitätsklinikum Heidelberg
E-Mail: sekretariat.ho@med.uni-heidelberg.de

* Weitere Informationen finden Sie unter

http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Willkommen.131853.0.html
Innere Medizin V: Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie

http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Myelomzentrum-Heidelberg.131775.0.html
Myelomzentrum Heidelberg

http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Startseite-Amyloidose-Zentrum.117180.0.html
Amyloidose-Zentrum Heidelberg

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution665

Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg, Julia Bird, 04.05.2015

Raute

Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung NRW - 04.05.2015

Deutschlands größte Gesundheitsstudie: Ministerin Schulze eröffnet Studienzentrum in Düsseldorf

Erforschung von Volkskrankheiten - 200.000 Menschen nehmen teil

Wissenschaftsministerin Svenja Schulze hat das Düsseldorfer Studienzentrum der Nationalen Kohorte (NAKO) eröffnet. An der größten Gesundheitsstudie Deutschlands nehmen in den nächsten Jahren insgesamt 200.000 Menschen teil - jeder zwanzigste davon aus Düsseldorf. Mit der Studie wollen Bund und Länder große Volkskrankheiten wie Krebs, Demenz oder Diabetes erforschen. Die Ergebnisse sollen dabei helfen, Vorbeugung, Diagnostik und Therapie zu verbessern.

Bundesweit gibt es 18 NAKO-Studienzentren. An jedem Standort werden mindestens 10.000 Menschen medizinisch untersucht und zu ihren Lebensgewohnheiten befragt. NRW ist mit Studienzentren in Essen, Münster und Düsseldorf an der Bevölkerungsstudie beteiligt - und damit das Bundesland mit den meisten NAKO-Standorten.

"Nordrhein-Westfalen ist in der Biomedizin sehr gut aufgestellt. Daher freue ich mich, dass wir mit drei modern ausgestatteten Studienzentren einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der Studie leisten können", sagte Ministerin Schulze. "Ich möchte alle Düsseldorferinnen und Düsseldorfer, die einen Brief von der NAKO erhalten, ermuntern, an der Studie teilzunehmen."

Zwei Einrichtungen der Leibniz-Forschungsgemeinschaft bilden gemeinsam das Düsseldorfer Studienzentrum: Das Deutsche Diabetes-Zentrum (DDZ) an der Heinrich-Heine Universität und das Institut für umweltmedizinische Forschung (IUF). Per Zufallsstichprobe ausgewählte Bürgerinnen und Bürger zwischen 20 und 69 Jahren werden bereits seit Juni zur Teilnahme an der Studie eingeladen. Im Studienzentrum erwartet sie ein breit angelegtes Untersuchungsprogramm, das Riechtests oder die Messung der Handgreifstärke ebenso umfasst wie EKG oder Blutdruckmessung. Das NAKO-Labor untersucht auch Blutwerte, beispielsweise Cholesterin und Nierenparameter.

"Die Nationale Kohorte wird uns neue Ansätze und Möglichkeiten zur Bekämpfung der großen Volkskrankheiten wie Diabetes liefern. So erhält jeder fünfte Teilnehmer einen oralen Glukosetoleranztest zum frühzeitigen Nachweis eines Diabetes. Wir sind stolz, dass Düsseldorf Teil dieser bundesweit größten und bisher einzigartigen Studie ist", sagte Prof. Dr. Michael Roden, Wissenschaftlicher Geschäftsführer und Vorstand des DDZ.

"Der Erfolg der Studie steht und fällt mit dem Engagement der Bevölkerung. Jeder einzelne Teilnehmer trägt mit dazu bei, die Erforschung der Volkskrankheiten für eine bessere Gesundheitssituation in Deutschland voranzubringen. Bereits die Teilnehmer werden von den Forschungsergebnissen profitieren", sagte Prof. Dr. Jean Krutmann, Direktor des IUF.

Die Bevölkerungsstudie steht unter dem Motto "Gemeinsam forschen für eine gesündere Zukunft". Sie wird vom Bundesforschungsministerium,14 Bundesländern und der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren finanziert. Das Fördervolumen beträgt allein für die ersten zehn Jahre rund 210 Millionen Euro.

* Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.nationale-kohorte.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution463

Quelle: Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung NRW, Hermann Lamberty, 04.05.2015

Raute

Fraunhofer-Gesellschaft - 04.05.2015

Tumorzellen im Blut automatisch zählen

Grundlagenforscher aus Biologie und Medizin nutzen seit 40 Jahren die Durchfluss-zytometrie, eine Art "Zellzähler" für die Krebsanalyse. Doch die Geräte sind groß, teuer und lassen sich nur von Experten bedienen. Das Zytometer PoCyton von Fraunhofer-Forschern dagegen ist preisgünstig, klein wie ein Schuhkarton und automatisiert.

Ob Chemotherapie oder Bestrahlung - Krebstherapien sind belastend für den Körper. Umso wichtiger wäre es zu wissen, ob die Behandlung wie gewünscht anschlägt. Bislang können Ärzte dies nur über eine Computertomographie feststellen. Schon in etwa zwei Jahren könnte das schneller und einfacher gehen: Dann reicht es, dem Patienten Blut abzunehmen und dieses in das Durchflusszytometer PoCyton zu geben. Ohne weiteres Zutun zeigt das Gerät dem Arzt wenig später automatisch an, wie viele zirkulierende Tumorzellen im Blut schwimmen. Die Zellen werden von den Krebsgeschwüren an das Blut abgegeben und lassen einen direkten Rückschluss auf die Wirkung der Therapie zu: Sinkt ihre Anzahl im Laufe der Behandlung, ist das ein Zeichen, dass sie wirkt.

Schneller, kleiner und leicht zu bedienen

Es gibt bereits Durchflusszytometer, mit denen man die Menge der im Blut zirkulierenden Tumorzellen messen kann. Der Haken: Diese Geräte kosten oftmals bis zu 300.000 Euro und benötigen etwa so viel Platz wie ein bis zwei Waschmaschinen. Zudem nimmt die Untersuchung mehrere Stunden in Anspruch - das Verfahren ist für den Klinikalltag zu teuer und zu zeitintensiv. Ein weiteres Manko: Die Zytometer lassen sich nur von Experten bedienen und müssen täglich kalibriert werden. Anders das PoCyton-Gerät, das Forscher am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie, Institutsteil IMM in Mainz entwickeln. "Mit unserem Durchflusszytometer können wir solche Untersuchungen etwa zwanzigmal schneller durchführen", sagt Dr. Michael Baßler, Wissenschaftler am ICT-IMM. "Auch die Anschaffungskosten liegen mit wenigen tausend Euro in einer ganz anderen Größenordnung. Damit werden die Geräte für den Klinikbetrieb rentabel." Weitere Vorteile: Die Forscher haben ihr Durchflusszytometer miniaturisiert, es ist nicht größer als ein kleiner Schuhkarton. Die Messung erfolgt automatisch, eine Kalibrierung ist nicht nötig.

Das Prinzip der Durchflusszytometrie: In das Blut wird ein Fluoreszenzfarbstoff gegeben. Diese Farbstoffmoleküle setzen sich gezielt auf die Tumorzellen, alle anderen Zellen bleiben unmarkiert. Während der Arzt den Farbstoff bisher per Hand in die Blutprobe geben musste, läuft dies bei PoCyton automatisch: Das Blut fließt durch eine Engstelle - alle darin umher schwimmenden Zellen werden somit einzeln an einem Laserspot vorbeigeführt. Dieser lässt die Zellen, die den Farbstoff huckepack tragen - die Tumorzellen - leuchten, das Gerät kann sie erkennen und zählen. Der Clou von PoCyton liegt in diesem "Nadelöhr". "Wir haben diese Engstelle so ausgelegt, dass der Durchsatz gegenüber der herkömmlichen Zytometrie um den Faktor 20 steigt", sagt Baßler. Die Geometrie des Nadelöhrs haben die Forscher dabei so gewählt, dass nach wie vor keine Zelle über eine andere passt. So stellen die Wissenschaftler sicher, dass das System jedes vorbeischwimmende Objekt registriert - und sich keine Zelle unter einer anderen verstecken kann. Denn das wäre fatal: Schließlich schwimmen etwa eine Milliarde Objekte in zehn Millilitern Blut. Selbst bei einem schwer erkrankten Patienten sind nur etwa fünf davon zirkulierende Tumorzellen. Die einzelnen Schritte wie eine ausreichende Sensitivität, die automatische Probenvorbereitung und die Auswertung haben die Forscher bereits im Griff. Nun setzten sie diese Einzelprozesse zu einem Gesamtdemonstrator zusammen. Im Sommer 2015 soll er fertig sein.

Legionellengefahr? Wasserqualität vor Ort überprüfen

Das Potenzial von PoCyton geht über die Messung der Tumorzellen hinaus. Ein Beispiel: Gemeinsam mit den Kollegen der Schweizer Firma rqmicro wollen sie mit dem Gerät im Trinkwasser Legionellen aufspüren. Diese stäbchenförmigen Bakterien können die Legionärskrankheit verursachen - eine Lungenentzündung, die tödlich enden kann. Möchte man überprüfen, wie es um das Trinkwasser in den eigenen vier Wänden bestellt ist, heißt es bislang: Eine Wasserprobe ins Labor schicken und etwa zehn Tage auf das Ergebnis warten. Denn so lange brauchen die Bakterien, die im Wasser enthalten sind, um sich in einer Petrischale ausreichend zu vermehren und gemessen zu werden. "Mit unserem Durchflusszytometer erhalten wir die Analyse in einer Stunde", so Baßler. Der Handwerker kann das Gerät mitnehmen und das Wasser direkt vor Ort untersuchen. Im Alltag heißt das für ihn: Wasser in das Gerät geben, den Prozess starten, fertig. In etwa zwei Jahren, so der Plan, dürfte die Firma rqmicro das Gerät auf den Markt bringen.

* Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2015/mai/tumorzellen-im-blut-automatisch-zaehlen.html
Per Klick auf diesen Link gelangen Sie zum Ansprechpartner

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution96

Quelle: Fraunhofer-Gesellschaft, Britta Widmann, 04.05.2015

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2015

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