Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft - 15.06.2015
Neueste wissenschaftliche Daten zum assistierten Suizid in Berlin präsentiert
Viele der in der sogenannten "Sterbehilfe-Debatte" vorgebrachten Argumente entbehren einer wissenschaftlichen Grundlage oder stehen sogar im Widerspruch dazu. Bei der internationalen Tagung "Assistierter Suizid - Der Stand der Wissenschaft" in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften wurden am Vormittag die neuesten empirischen Daten zum Thema präsentiert. Die Organisatoren der Tagung (Prof. G.D. Borasio, Univ. Lausanne; PD Dr. Dr. R. Jox, LMU München; Prof. Dr. J. Taupitz, Univ. Mannheim; Prof. Dr. U. Wiesing, Univ. Tübingen) möchten mit dieser Tagung den Beratungsauftrag der Wissenschaft gegenüber der Politik wahrnehmen.
Tötung auf Verlangen und assistierter Suizid pro 1000 Todesfälle
Quelle: Prof. G.D. Borasio, Univ. Lausanne
* Linda Ganzini
Prof. Linda Ganzini, Psychiaterin aus Oregon (USA) berichtete über Daten
und Erfahrungen aus der Implementierung des 1997 in Kraft getretenen
"Death with Dignity Act". Nach diesem Gesetz dürfen nur Ärzte unter
strengen Bedingungen Schwerstkranken mit begrenzter Lebenserwartung ein
tödliches Mittel verschreiben - wobei etwa ein Drittel dieser Menschen das
Mittel letztlich nicht einnimmt und eines natürlichen Todes stirbt. Die
wichtigsten Ergebnisse ihrer Forschungen:
Die Gesetzgebung aus Oregon ist von den US-Bundesstaaten Vermont und Washington übernommen worden. Ein ähnlicher Vorschlag passierte Anfang Juni den Senat Kaliforniens.
* Agnes van der Heide
Die Rotterdamer Professorin Agnes van der Heide präsentierte Daten zur
Praxis der Tötung auf Verlangen in den Niederlanden und Belgien:
* Georg Bosshard
Der Züricher Ethiker und Geriater Georg Bosshard zeigte Daten aus der
Schweiz, wo die Suizidassistenz nur verboten ist, wenn sie aus
selbstsüchtigen Gründen geschieht, ansonsten nicht gesetzlich geregelt ist
und von Suizidhilfe-Organisationen wie Exit (nur für Schweizer) oder
Dignitas (vorwiegend für Ausländer) seit Ende der 80er Jahre angeboten
wird. Neuerdings plädiert Exit dafür, die Suizidhilfe auch auf
Hochbetagten ohne schwere Erkrankungen anzubieten. Seine wichtigsten
Ergebnisse:
* Claudia Gamondi
Die Tessiner Palliativmedizinerin Claudia Gamondi hat Angehörige von
Menschen, die Suizidhilfe in Anspruch genommen haben, interviewt. Die
wichtigsten Ergebnisse:
* Ralf Jox
Der Münchner Medizinethiker Ralf Jox zeigte Daten aus Deutschland:
"Diese Daten legen nahe, dass ein Verbot der Suizidhilfe die Betroffenen dazu veranlassen würde, als Alternativen die gewaltsame Selbsttötung, die Fahrt in die Schweiz oder eine unsichere und belastende Suizidhilfe durch Angehörige zu versuchen", vermutet Jox.
* Jan Schildmann
Der Bochumer Medizinethiker und Internist Jan Schildmann befragte jüngst
die deutschen Ärzte zum Thema Sterbehilfe - nur 5 der 17
Landesärztekammern erlaubten ihm die Befragung ihrer Mitglieder. Dennoch
gaben 743 Ärzte Auskunft:
Bewertung der empirischen Ergebnisse
Die Vorträge haben eindrucksvoll gezeigt, wie unterschiedlich sich die
Fallzahlen von Tötung auf Verlangen und assistiertem Suizid international
entwickeln (s. Graphik anbei). Bedenklich erscheint die Entwicklung in der
Schweiz, wo aufgrund der fehlenden gesetzlichen Regelung sich eine Tendenz
zur Ausweitung der Suizidhilfe zeigt, die im Vergleich zu Oregon von
deutlich steigenden Zahlen begleitet wird. Sehr problematisch erscheint
die Regelung in den Niederlanden und in Belgien, wo eine rasante
Steigerung der Fälle von Tötung auf Verlangen sowie eine Ausweitung dieser
Praxis auf psychisch kranke und demente Menschen sowie auf Kinder zu
verzeichnen ist. Die Daten zeigen, dass die Befürchtungen in Richtung
eines "Dammbruchs" bei einer klaren gesetzlichen Regelung des ärztlich
assistierten Suizids (wie sie in Oregon existiert), aus wissenschaftlicher
Sicht unbegründet sind.
Für weitere Informationen:
Nadine Seiwert M.A.
Kommunikationsmanagerin
Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
DSZ - Deutsches Stiftungszentrum GmbH
im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
Barkhovenallee 1
45239 Essen
E-Mail: nadine.seiwert@stifterverband.de
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution424
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Anke Meis, 15.06.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juni 2015
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