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DROGEN/207: Liquid Ecstasy - Partydroge auch im Entzug lebensgefährlich (Thieme)


Thieme Verlag / FZMedNews - Mittwoch, 29. April 2009

Liquid Ecstasy: Partydroge auch im Entzug lebensgefährlich


fzm - In Deutschland häufen sich die Fälle, in denen junge Menschen nach Überdosierungen der Partydroge "Liquid Ecstasy" von Notärzten behandelt werden müssen. Auch im Entzug können die Abhängigen in eine lebensgefährliche Krise geraten, wie der Fall eines 24-Jährigen zeigt, über den Mediziner in der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2009) berichten.

"Liquid Ecstasy" ist weder chemisch mit der Amphetamindroge "Ecstasy" verwandt noch hat es eine ähnlich aufputschende Wirkung. Hinter der Partydroge verbirgt sich vielmehr ein Narkosemittel, das eher eine muskelentspannende Wirkung hat und schläfrig macht. Die Droge selbst (chemische Bezeichnung: Gamma-Hydroxybuttersäure, GHB) unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz und gelangt deshalb selten auf den Schwarzmarkt. Eine chemische Vorstufe GBL (Gamma-Butyrolakton, GBL) dagegen ist ein in der Industrie häufig verwendeter Reinigungszusatz, der im Internet legal und zu einem niedrigen Preis gehandelt wird, wie der Arzt Alexander Supady und Kollegen von der Universität Freiburg berichten.

Unter Drogenkonsumenten hat sich herumgesprochen, dass GBL im Körper rasch zu GHB umgewandelt wird, das dann im Gehirn seine Drogenwirkung entfaltet. Die Symptome der Überdosierung sind Notärzten mittlerweile vertraut: Die Patienten werden in vermindertem Bewusstseinszustand in die Klinik eingeliefert. Die Körpertemperatur ist gefallen, der Herzschlag beschleunigt. Besonders gefährlich ist die Dämpfung der Atemtätigkeit. Eine Untersuchung von Blut oder Urin auf GHB führt beim Verdacht schnell zur Diagnose.

Der GHB-Abhängige, über die Mediziner berichten, hatte jedoch keine erhöhte GHB-Konzentration im Urin. Er war nicht ansprechbar und mit Krämpfen in den Beinen in der Wohnung aufgefunden worden. Nur dank des Hinweises eines Freundes, dem der Abhängige einen Selbstentzug angekündigt hatte, konnten die Notfallmediziner rasch die richtige Diagnose stellen. In der Klinik erlitt der Patient trotz intensivmedizinischer Behandlung weitere Muskelkrämpfe. Er benötigte starke krampflösende Medikamente, unter deren Wirkung er schließlich künstlich beatmet werden musste. Als weitere Komplikation trat ein Nierenversagen auf. Supady führt dies auf ein "Liegetrauma" zurück: Der Abhängige hatte sich durch die Bewegungslosigkeit mehrere tiefe Druckgeschwüre an Ellbogen, Knöchel und Steiß zugezogen. Dabei waren Muskelzellen zerfallen und die ins Blut gelangten Eiweiße hatten die Niere geschädigt. "Crush"-Niere lautete die Diagnose der Intensivmediziner, die das Leben des Patienten nur mit knapper Not retten konnten: Erst nach 19 Tagen konnte er zwecks eines Entzugs, dieses Mal unter ärztlicher Kontrolle in eine psychiatrische Klinik verlegt werden. Die Autoren raten den Ärzten bei bewusstlosen Patienten mit Krämpfen immer auch an die Möglichkeit eines GBL-Entzugs zu denken. Wegen der leichten Verfügbarkeit der Droge sei mit einem Anstieg derartiger Fälle zu rechnen.


A. Supady et al.:
"Liquid Ecstasy": Gamma-Butyrolacton-Entzugsdelir mit Rhabdomyolyse und dialysepflichtiger Niereninsuffizienz.
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2009; 134 (18): S. 935-937


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Quelle:
FZMedNews - Mittwoch, 29. April 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Mai 2009