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STUDIE/417: Asthma - Genomweite Studie identifiziert genetische Risikofaktoren (idw)


Ludwig-Maximilians-Universität München - 23.09.2010

Asthmaforscher beweisen langen Atem

Genomweite Studie identifiziert genetische Risikofaktoren


In der umfassendsten genetischen Asthmastudie bisher konnten mehrere genetische Risikofaktoren identifiziert werden, die der Lungenerkrankung Vorschub leisten. Einige dieser Gene helfen dabei, das Immunsystem auf Schäden in den Schleimhäuten, die die Atemwege auskleiden, aufmerksam zu machen. Andere Gene kontrollieren möglicherweise, in welchem Umfang die geschädigten Atemwege repariert werden. "Unsere nächste große Aufgabe wird sein, die Ursachen der Schleimhautdefekte zu entschlüsseln", sagt Professor Erika von Mutius, Medizinerin an der LMU und Ko-Koordinatorin von GABRIEL.

Schon jetzt aber könnten die neuen Ergebnisse die Entwicklung effektiverer Asthmatherapien ermöglichen. Die Studie wurde im Rahmen des EU-Projekts GABRIEL durchgeführt, dem 164 Wissenschaftler aus 19 Ländern angehören. Das Team untersuchte auch Gene, die die Produktion von Allergie erzeugenden Antikörpern, dem Immunglobulin E oder IgE, kontrollieren. Überraschenderweise hatten diese Gene kaum Einfluss auf das Asthma und die Asthma-Gene kaum Einfluss auf die Menge an IgE im Blut. Damit sind Allergien, die oft mit Asthma einhergehen, wohl eher eine Konsequenz der Lungenerkrankung als deren Auslöser. (New England Journal of Medicine online, 23. September, 2010)

In der genomweiten Assoziationsstudie entdeckten die Forscher von GABRIEL mehrere neue Gene, die zu einem Asthma beitragen können. Einige dieser Gene helfen dabei, das Immunsystem auf Schäden der Mukosa aufmerksam zu machen, also der Schleimhäute, die die Atemwege auskleiden. Andere Gene kontrollieren möglicherweise, in welchem Umfang die geschädigten Atemwege repariert werden. "Unsere nächste große Aufgabe wird sein, die Ursachen der Schleimhautdefekte zu entschlüsseln", sagt von Mutius.

Das Team untersuchte auch Gene, die die Produktion von Allergie erzeugenden Antikörpern, dem Immunglobulin E oder IgE, regulieren. Anders als erwartet, trugen diese Gene aber nicht zum Asthma bei, und die Asthma-Gene hatten auch kaum Einfluss auf das IgE. Damit sind Allergien, die oft gemeinsam mit Asthma auftreten, wohl eher eine Konsequenz dieser Erkrankung als deren Ursache. Die Studie zeigte zudem, dass die genetischen Effekte in Erwachsenen schwächer ausgeprägt sind. So zeigte das für kindliche Asthmatiker wichtigste Gen namens ORMDL3/GSDMB keine Auswirkung bei Patienten, die Asthma erst als Erwachsene entwickelten.

Nach den jetzt vorliegenden Ergebnissen spielen die neu identifizierten Gene bei mehr als einem Drittel der kindlichen Asthmatiker eine Rolle - besonders ausgeprägt ist dies bei schweren Fällen. Die Forscher vermuten daher, dass sich diese Gene als Zielobjekte eignen für effektivere Therapien als sie bisher zur Verfügung stehen. Trotz der neuen Erkenntnisse aber ließe sich mit Hilfe genetischer Tests kaum vorhersagen, welche Kinder später im Leben zu Asthmatikern werden, so die Wissenschaftler.

Dies unterstreicht einmal mehr, dass umweltbedingte Faktoren ebenfalls maßgeblich zu einer Asthma-Erkrankung beitragen. Das GABRIEL-Team konzentriert sich in erster Linie darauf, Umweltfaktoren zu identifizieren, die sich schützend auswirken können. "Solche protektiven Effekte beobachten wir besonders stark bei Kindern, die auf Bauernhöfen aufwachsen", berichtet von Mutius. "Unser Fokus liegt deshalb auf Faktoren, die in dieser Umgebung zum Tragen kommen. Nächstes Jahr wollen wir die Ergebnisse aus den GABRIEL-Studien zu genetischen und umweltbedingten Faktoren zusammenführen und sind sehr gespannt auf die Resultate."

Große multinationale Kooperationen sind fast schon Standard bei der Untersuchung komplexer genetischer Erkrankungen. Mehr als 10.000 Asthmatiker und 16.000 gesunde Probanden wurden - je nach Herkunftsland eingeteilt - in der GABRIEL-Studie untersucht. Insgesamt wurden dabei mehr als 15 Milliarden individuelle genetische Tests durchgeführt, die alle Gene des menschlichen Genoms abdecken. Dennoch sticht dieses GABRIEL-Projekt als einzigartig hervor, weil fast alle der 15 Milliarden genetischen Tests in einer einzigen Einrichtung durchgeführt wurden, dem "Centre National de Genotypage" in der Nähe von Paris.

"Diese genetische Studie lief über fünf Jahre von der Planung bis zu ihrem Abschluss", berichtet Professor Miriam Moffatt vom Imperial College, London, die federführend an der Untersuchung beteiligt war. "Vorausgegangen sind aber Jahre der Vorbereitung, in denen die 26.000 Probanden rekrutiert und genau untersucht wurden. Das war nur möglich, weil alle Mitglieder von GABRIEL ihren Beitrag geleistet haben." (GABRIEL/suwe) Die Studie wurde zum größten Teil von der EU gefördert. Ebenfalls beigetragen haben das französische Ministerium für Erziehung und Forschung sowie Asthma UK und der Wellcome Trust. Die Mitglieder und an GABRIEL beteiligten Zentren sind auf der Website (http://www.cng.fr/gabriel) aufgeführt.


Ansprechpartner:
Professor Dr. med. Erika von Mutius
Dr. von Haunersches Kinderspital der LMU
Abteilung Pneumologie/Allergologie
E-Mail: Erika.von.Mutius@med.lmu.de
Web: http://gabriel.web.med.uni-muenchen.de/

Publikation:
"A GABRIEL consortium Large-Scale Genome-Wide Association Study of Asthma"
Miriam F. Moffatt et.al
New England Journal of Medicine online, September 23, 2010

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution114


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Ludwig-Maximilians-Universität München, Luise Dirscherl, 23.09.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2010