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AUSLAND/1679: Ukraine - Einschüchterung von Methadonprogrammteilnehmern, Rückschlag für Aidsbekämpfung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. März 2011

Ukraine:
Polizei schüchtert Methadonprogrammteilnehmer ein - Rückschlag für Aidsbekämpfung

Von Pawol Stracanski


Kiew, 23. März (IPS) - In der Ukraine sind die Sicherheitskräfte mit ihren jüngsten Einsätzen gegen Hunderte von Teilnehmern des staatlichen Drogenersatzprogramms auch international in die Kritik geraten. Ihnen wird nicht nur vorgeworfen, mit den Razzien ein Klima der Angst geschaffen zu haben, sondern auch den Kampf gegen HIV/Aids zu torpedieren.

Wie die Betroffenen berichteten, waren sie von der Polizei vor den Kliniken abgefangen und zu Aussagen über ihren Gesundheitsstatus genötigt worden. HIV-positiven Patienten drohten die Beamten damit, ihnen die lebensverlängernden antiretroviralen Medikamente vorzuenthalten oder ihren HIV-Status publik zu machen.

"Die Patienten haben Angst, denn sie wissen nicht, was die Polizei mit den erpressten Informationen vorhat", meinte dazu Pawlo Skala von der Internationalen Aids-Allianz in Kiew. Der Organisation liegen Beschwerden von mindestens 2.700 Personen vor, die zur Offenlegung vertraulicher Informationen gezwungen wurden.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der UN-Organisation gegen HIV/Aids (UNAIDS) sehen sich Osteuropa und Zentralasien mit einer besonders raschen Ausbreitung der Immunschwächekrankheit konfrontiert. So verbuchten beide Regionen zwischen 2001 und 2008 einen Anstieg der HIV-Infektionen von 66 Prozent.

Internationalen Gesundheitsexperten zufolge konnte die Ausbreitung von HIV/Aids in der Ukraine durch die Vergabe der Ersatzdrogen Methadon und Burpenorphin an Heroinabhängige verlangsamt werden. Der massive Konsum injizierter Drogen nach dem Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion hatte dem Land in den letzten 20 Jahren eine wahre Aidsepidemie beschert.


300.000 Heroinabhängige

Schätzungen zufolge sind in der Ukraine an die 300.000 Menschen heroinabhängig. Von denjenigen, die in den Städten des osteuropäischen Landes leben, ist schätzungsweise ein Viertel HIV-positiv. Rund 360.000 Ukrainer über 15 Jahren tragen das tödliche Virus in sich.

Die 2004 getroffene Entscheidung der Ukraine, Drogenabhängigen mittels Drogenersatzstoffen einen Ausstieg aus der Sucht anzubieten und damit die Ansteckungsgefahr durch infizierte Drogenbestecke zu vermindern, brachte dem Land international großes Lob ein. Derzeit nehmen mehr als 5.000 Junkies an den Ersatzprogrammen teil. Bis 2014 soll ihre Zahl vervierfacht werden.


Widerstand gegen Methadonprogramm

Doch im letzten Jahr wurden Klagen über eine systematische Belästigung von Organisationen und Ärzten laut, die an den Drogenersatzprogrammen mitwirken. Die jüngsten Razzien sind nach Ansicht von Aidsgruppen die Fortsetzung von Versuchen, eine Einstellung der Programme zu erwirken. So hatte der ukrainische Innenminister Anatoli Mogilew in der Vergangenheit wiederholt seine ablehnende Haltung gegenüber dem staatlichen Methadonprogramm bekundet.

Doch die Regierung gilt als überzeugter Befürworter dieser Therapie. So erließ Ministerpräsident Mikola Asarow im letzten Januar eine Direktive, die Drogenersatzprogramme auszuweiten - eine Entscheidung, die von Ärzten als eine mutige und für die Bekämpfung von HIV/Aids weit reichende Entscheidung gelobt wurde.

Internationale Organisationen wie das UN-Aidsprogramm UNAIDS und der Globale Fonds für die Beseitigung von Aids, Tuberkulose und Malaria haben das unverzügliche Ende der Razzien gefordert. Die Internationale Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' (HRW) reichte beim ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch Beschwerde ein. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. März 2011