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AUSLAND/1829: Papua-Neuguinea - Höchste Müttersterblichkeitsrate Asiens nach Afghanistan (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. April 2012

Papua-Neuguinea: Höchste Müttersterblichkeitsrate Asiens nach Afghanistan

von Catherine Wilson

PNG hat die zweithöchste Müttersterblichkeitsrate Asiens - Bild: © Catherine Wilson/IPS

PNG hat die zweithöchste Müttersterblichkeitsrate Asiens

Bild: © Catherine Wilson/IPS

Goroka, Papua-Neuguinea, 30. April (IPS) - Weltweit ist die Müttersterblichkeit im Zeitraum 1990 bis 2008 um 34 Prozent gesunken. Doch in Papua-Neuguinea (PNG), dem drittgrößten Inselstaat der Erde, hat sich die Rate im gleichen Zeitraum verdoppelt. Diese schockierende Entwicklung hat zwar Gesundheitsreformpläne zur besseren medizinischen Betreuung von Frauen auf den Weg gebracht. Doch die Umsetzung gehört zu den größten Herausforderungen des Landes.

Generell konzentriert sich die Müttersterblichkeit in 99 Prozent aller Fälle auf die Entwicklungsländer, wobei die ländlichen Gebiete besonders betroffen sind. In PNG mit einer vorwiegend ländlichen Bevölkerung haben die Ungleichheit der Geschlechter, der begrenzte Zugang zu Verhütungsmitteln und der Niedergang der ländlichen Gesundheitsdienste zu der alarmierend hohen Sterberate beigetragen.


733 Todesfälle pro 100.000 Lebendgeburten

Das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) gibt die Müttersterblichkeitsrate des Pazifikstaats nördlich von Australien mit 250 pro 100.000 Lebendgeburten an, die Nationale Erhebung für demografische Gesundheit mit 733 Todesfällen. Somit weist PNG die höchste Müttersterblichkeit Asiens nach Afghanistan auf.

Weltgesundheitsexperten zufolge könnte das Leben der Frauen durch ein medizinisches Geburtscontrolling sowie durch eine prä- und postnatale medizinische Basisversorgung gerettet werden. Doch davon ist man in einem Land, in dem es an einer grundlegenden Infrastruktur fehlt, noch weit entfernt. Die Weltbank hat darauf hingewiesen, dass 17 Prozent der Bevölkerung über keine Straßenanbindung und zwei Fünftel aller Gesundheitseinrichtungen weder über Strom noch über angemessenes medizinisches Equipment verfügen.

Die ministerielle Arbeitsgruppe für Müttersterblichkeit kam bereits 2009‍ ‍zu der Erkenntnis, dass vor allem der Rückzug des Staates aus den ländlichen Gebieten in den 1980er Jahren die Qualität und Leistungsfähigkeit der kommunalen Gesundheitsversorgung inklusive der Müttergesundheit erheblich beeinträchtigt hat. Unter anderem wurde zwischen 1987 und 2000 das Gesundheitspersonal in den ländlichen Gebieten um 25 Prozent zusammengestrichen.

Dem australischen Burnet-Institut für medizinische Forschung zufolge ließe sich die Müttersterblichkeit um ein Drittel verringern, würde der Staat die Gesundheitsversorgung der Familien und Gemeinden in den ländlichen Gebieten stärker unterstützen, für die sogenannte 'Dorfgesundheitsfreiwillige' (VHVs) zuständig sind.

Dazu meint Glen Mola, der Vorsitzende des Zentrums für Geburtshilfe und Gynäkologie an der Universität von Papua-Neuguina: "Natürlich können Frauen mit Unterstützung ihrer Mütter und Schwestern ihre Kinder selbst zur Welt bringen. Anders liegt der Fall, wenn Komplikationen auftreten. Dann können Hausgeburten tödlich verlaufen. Der Grund für die entsetzlich hohe Müttersterblichkeit in PNG ist, das 67‍ ‍Prozent der Frauen zu Hause entbinden."

Mola zufolge können selbst professionelle Hebammen kein Leben retten, wenn sie nicht die Möglichkeit haben, ihre Patientinnen in kritischen Fällen in eine Klinik zu bringen.

Für die Gesundheitsversorgung gibt die Regierung von Papua-Neuguinea gerade einmal 2,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus, wobei der Anteil zwischen 1997 bis 2004 um 9,4 Prozent absank. Gegen das Gesundheitsministerium wird derzeit wegen des Verdachts der Veruntreuung staatlicher Gelder ermittelt.


Misstrauen in staatliches Gesundheitssystem

Die ministerielle Arbeitsgruppe fand heraus, dass Frauen in PNG wenig Vertrauen in das staatliche Gesundheitssystem haben. Deutlich besser ist das Ansehen der von den Kirchen geleiteten Zentren. Sie machen 60 Prozent aller Gesundheitseinrichtungen in dem Inselstaat aus.

Die evangelische Freikirche des Nazareners betreibt in Mount Hagen in der Provinz Western Highlands ein Bezirkskrankenhaus und bietet in der Provinz Jiwaka Gesundheitsversorgungsleistungen an. So besucht ihr medizinisches Fachpersonal monatlich 16 ländliche Kliniken, untersucht Schwangere und Kinder, informiert über Familienplanungsmethoden und Gesundheit und überweist Frauen mit komplizierten Schwangerschaften an Kliniken.


Vergewaltigungen verschärfen die Krise

Wie der Verwaltungschef des Nazarener-Krankenhauses, Scott Dooley, berichtet, sind Geburtskomplikationen nicht die einzige Ursache der hohen Müttersterblichkeit. Auch Vergewaltigungen spielen eine Rolle. "Viele Frauen werden zum Sex gezwungen, auch innerhalb der Ehe. Selbst schwangere Frauen sind vor innerfamiliärer Gewalt nicht gefeit."

Dooley zufolge führen Vergewaltigungen und ungewollte Schwangerschaften dazu, dass Frauen das Risiko eines illegalen Abbruchs auf sich nehmen. "Wir haben mit vielen Frauen zu tun, die durch einen unprofessionell durchgeführten Eingriff krank geworden sind." Eine Auswertung der Todesfälle am 'General Hospital' in Goroka in der Provinz Eastern Highlands von 2008 ergab, dass unsichere Schwangerschaftsabbrüche zu 48 Prozent die Ursache waren.


Hoher Anteil ungewollter Schwangerschaften

Bei der Bekämpfung der hohen Müttersterblichkeit in PNG kommt der Familienplanung Mola zufolge eine große Bedeutung zu. "40 Prozent der Schwangerschaften sind nicht geplant, und die Müttersterblichkeitsrate aufgrund ungewollter Schwangerschaften ist noch höher", sagt er. "Verhütungsmittel sollten in allen Gesundheitszentren jederzeit verfügbar sein." Der Professor vertritt zudem die Meinung, dass Aufklärungsunterricht Teil des Lehrplans der Grund- und weiterführenden Schulen sein sollte.

Dooley wiederum hält den Ausbau von Straßeninfrastruktur und Kommunikation in den ländlichen Gebieten für entscheidend. Auch müssten soziale und kulturelle Ängste im Zusammenhang mit staatlich geleisteter Geburtshilfe ausgeräumt werden. "Viele Frauen ziehen es aus verschiedenen Gründen vor, zu Hause zu gebären, selbst wenn sie in der Nähe einer Klinik leben. Sie haben ein Problem damit, sich in Anwesenheit männlicher Ärzte und Pfleger auszuziehen, scheuen die möglichen Kosten eines Krankenhausaufenthalts oder fürchten den Überfall einer verfeindeten Ethnie auf den Weg zu oder von einer Klinik."

Dooley ist der Meinung, dass auch die Männer mehr Verantwortung übernehmen sollten. "Es gibt nur wenige, die bei der Geburt ihrer Kinder anwesend sind. Das ist kulturell bedingt. Würden die Männer ihre Frauen ermutigen, in einer Klinik zu entbinden, kämen deutlich mehr Kinder in Krankenhäusern zur Welt."

Dame Carol Kidu, die einzige weibliche Abgeordnete des Landes, ist der Meinung, dass sich die Behörden von den Erfolgen nichtstaatlicher Gesundheitseinrichtungen eine Scheibe abschneiden und der Gesundheit und Entwicklung von Frauen eine höhere Priorität einräumen sollten. Die Nichtregierungsorganisation 'Susu Mamas', die Müttern und Kindern eine besondere Betreuung zukommen lässt, leistet den staatlichen Gesundheitsdiensten in diesem Bereich derzeit Unterstützung.

Der Nationale Gesundheitsplan 2011 bis 2020 sieht zwar vor, die Müttergesundheit durch die Förderung von Familienplanungsmaßnahmen und Krankenhausgeburten zu verbessern. Doch fehlt es an den Ressourcen, um den Plan umzusetzen. "Wir tun wirklich unser Bestes, um kompetente Hebammen auszubilden und Schwangere zu versorgen, doch wird es Jahrzehnte dauern, bis sich Erfolge einstellen", so Mola.

Ein von der Asiatischen Entwicklungsbank (AsDB) und internationalen Gebern finanziertes Gesundheitsprojekt für die ländlichen Gebiete gibt nun Anlass zu Hoffnung. Es sieht den landesweiten Aufbau von Gesundheitseinrichtungen und die Bereitstellung von Fachkräften innerhalb der nächsten Jahre vor. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:
http://www.baha.com.pg/PNG1/completed_pages/susumamas_page.html
http://www.burnet.edu.au/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107515

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2012