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AUSLAND/1875: Kambodscha - Zu arm für neuen Impfstoff gegen Dengue-Fieber (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. September 2012

Kambodscha: Zu arm für neuen Impfstoff gegen Dengue-Fieber

von Vincent MacIsaac


Patienten mit Dengue-Fieber in Nationalen Kinderkrankenhaus in Kambodscha - Bild: © Erika Pineros/IPS

Patienten mit Dengue-Fieber in Nationalen Kinderkrankenhaus in Kambodscha
Bild: © Erika Pineros/IPS

Phnom Penh, 21. September (IPS) - Thailand testet derzeit einen Impfstoff gegen Dengue-Fieber. Doch die Gesundheitsexperten im Dengue-geplagten Nachbarland Kambodscha reagierten auf die frohe Botschaft eher verhalten. Für Kinder in Entwicklungsländern, die diesen Schutz am meisten bräuchten, sei die Immunisierung zu teuer, sagen sie.

"Natürlich kommt kein Impfserum auf den Markt, das 20 US-Cent kostet", meint Philip Buchy, der die Abteilung für Virologie am Pasteur-Institut in Kambodscha leitet. Er bezieht sich damit auf das neue Präparat des in Paris ansässigen Pharmaunternehmens 'Sanofi', über dessen Testergebnisse die britische Fachzeitung 'Lancet' in diesem Monat berichtet hat. Selbst wenn sich der neue Impfstoff bewähre, müssten "Finanzmittel mobilisiert werden", um Kinder in Kambodscha immunisieren zu können, unterstreicht Stephen Bjorges von der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Während einer Dengue-Epidemie in dem südostasiatischen Land in den ersten acht Monaten dieses Jahres wurden mehr als 30.000 Menschen in Hospitälern behandelt. Die meisten von ihnen waren Kinder.

Dem 'Lancet'-Bericht zufolge bietet der Sanofi-Impfstoff einen gewissen Schutz gegen drei der vier Serotypen des Dengue-Virus. Er immunisiert zu 30 Prozent gegen den Serotyp eins und 80 bis 90 Prozent gegen die Serotypen drei und vier. Schutz vor einer Infektion mit Serotyp zwei bietet das Mittel jedoch nicht. Gerade diese Variante wurde aber während der Erprobung des Impfstoffs in dem Testgebiet nachgewiesen. Damit hat das Serum dem Bericht zufolge insgesamt nur einen Wirksamkeitsgrad von 30,2 Prozent.

In der dritten Phase der Erprobung werden zurzeit rund 31.000 Kinder und Jugendliche in Lateinamerika und Südostasien gegen Dengue-Fieber geimpft, wie Sanofi mitteilte. Medienberichten zufolge hat das Unternehmen bereits mehr als 430 Millionen Dollar in eine neue Fabrik in Frankreich investiert, wo das Mittel produziert werden soll.

Wenn die Tests in Phase drei erfolgreich verliefen, dürften von dem Serum zunächst nur Touristen aus den reichen Ländern und das Militär profitieren, meinten Bjorges und Buchy. Der Virologe vom Pasteur-Institut zweifelt jedoch daran, dass sich in absehbarer Zeit ein Sieg über das Dengue-Fieber erzielen lässt.


Klimawandel begünstigt Ausbreitung der Krankheit

Beide Mediziner gehen jedoch davon aus, dass in Zeiten des Klimawandels auch weiterhin nach einem wirksamen Serum geforscht werden wird. So werde die globale Erderwärmung dazu führen, dass sich die Überträgermücke auch in Südeuropa und den USA ausbreite.

Industrieländer beginnen daher die Kosten für Dengue-Behandlungen in ihre langfristigen Berechnungen der öffentlichen Gesundheitskosten einzubeziehen. Pharmafirmen wittern unterdessen neue lukrative Märkte.

Die Europäische Union hat Anfang des Jahres mehr als zehn Millionen Dollar für drei Forschungsprojekte in Südostasien im Zusammenhang mit dem Dengue-Fieber bereitgestellt. Eines dieser Projekte wird in Kambodscha durchgeführt, um die Rolle der asymptomatischen Virenüberträger bei den Infektionen zu untersuchen, "Wenn wir ein schützendes Gen erkennen können, haben wir vielleicht die Möglichkeit, Medikamente zur Behandlung und zur Immunisierung zu entwickeln", hofft Buchy.

Die finanziellen Mittel, die in Entwicklungsländern für die Seuchenprävention und -kontrolle bereitstehen, sind jedoch gering. So beträgt das Budget für das nationale Dengue-Kontrollprogramm in Kambodscha lediglich rund 500.000 Dollar. Der größte Teil kommt von der Asiatischen Entwicklungsbank.

Diese Unterfinanzierung führt Bjorges zum Teil darauf zurück, dass die Maßnahmen gegen Dengue bisher wenig Erfolg hatten. Seit 50 Jahren sei alles nur erdenklich Mögliche unternommen worden, sagt er. Brutstätten wurden vernichtet, um zu verhindern, dass die das Virus übertragenden Mücken schlüpfen können. Wie der WHO-Experte kritisiert, sind dazu aber Veränderungen des menschlichen Verhaltens notwendig, die auf Dauer kaum durchgehalten würden.

Ein weiteres Problem sieht er darin, dass die Geber, die auf globaler Ebene Zuschüsse für die Gesundheitsversorgung bereitstellten, auf kurzfristige Kosten-Nutzen-Modelle umsteigen. Sie stünden unter Druck, schnelle und quantifizierbare Ergebnisse vorzuweisen, um die Bereitstellung der Gelder zu rechtfertigen. Die Dengue-Prävention und -Kontrolle passe nicht in ein solches Schema.

Duch Moniboth vom Nationalen Kinderkrankenhaus in Kambodscha hat in den ersten sieben Monaten dieses Jahres 1.673 Kinder auf Dengue behandelt. Er sieht große Defizite bei der Aufklärung der Bevölkerung über die Krankheit. Die Menschen müssten lernen, wie sie sich gegen eine Infektion schützen und Brutstätten der Mücken zerstören könnten.


Ausmaß der Infektionen unterschätzt

Neue Forschungen haben ergeben, dass das Dengue-Fieber in Kambodscha stärker verbreitet ist als zunächst angenommen wurde. Die Infektionszahl ist oft zu niedrig angegeben, weil sich das kambodschanische Überwachungssystem auf Daten staatlicher Hospitäler und gemeinnütziger Kinderkliniken stützt. Private Krankenhäuser melden ihre Fälle dem Gesundheitsministerium nicht.

Hinzu kommt die Finanznot vieler Hospitäler. Das Nationale Kinderkrankenhaus musste auf dem Höhepunkt der Epidemie im Mai Hilfskräfte zur Behandlung der jungen Patienten einsetzen. Kranke wurden in Gängen und im Eingangsbereich untergebracht.

Maniboth zufolge erhält das Krankenhaus pro Patient umgerechnet nur 20 Dollar, unabhängig von der Dauer der stationären Behandlung. Ärzte verdienen im Durchschnitt etwa 125 Dollar im Monat, Pfleger 75 Dollar. Angesichts derart spärlicher Finanzmittel dürfe auch der Impfstoff nicht teuer sein. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.who.int/topics/dengue/en/
http://www.ipsnews.net/2012/09/cambodia-cant-afford-new-dengue-vaccine/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. September 2012