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AUSLAND/1904: Chile - Vorreiter bei HIV-Nachsorge, Behandlung zeigt gute Erfolge (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. November 2012

Chile: Vorreiter bei HIV-Nachsorge - Behandlung zeigt gute Erfolge

von Marianela Jarroud



Santiago de Chile, 23. November (IPS) - In Chile ist die Sterberate von HIV-Patienten in den vergangenen Jahren drastisch gesunken. Grund sind eine bessere medizinische Betreuung und ein Programm, mit dem Patienten auch nach Abschluss der Therapie weiter begleitet werden.

Für dieses Programm mit dem Namen 'Chilenische Anti-Aids-Kohorte' ('Cohorte Chilena de Sida') wurde der chilenische Infektologe Marcelo Wolff in diesem Jahr mit dem Richard-und-Hinda-Rosenthal-Preis ausgezeichnet. Diese in den USA vergebene Auszeichnung würdigt Menschen, die die medizinische Versorgung verbessert haben.

Im Rahmen des Programms eröffnete die Nichtregierungsorganisation 'Sida Chile' im ganzen Land 32 medizinische Zentren, an denen Fachleute den HIV-Infizierten individuelle medizinische Hilfe anbieten. Die Patienten werden über einen längeren Zeitraum begleitet, um so die Wirkungsweise und Erfolge der Therapien überprüfen zu können.

"Das ist das Neue an unserem Programm: zu wissen, wie es den Menschen ergeht, die wir therapieren. Das haben wir untersucht. Jetzt kennen wir die Sterbe- und Überlebensraten, die Zahl der stationär behandelten Aidsinfizierten sowie die Länge des Aufenthaltes. Zudem wissen wir, ob Patienten weiter zur Arbeit gehen und wie sie sich in die Gesellschaft wiedereingliedern", berichtet Wolff. Mit den Ergebnissen des Programms sollen auch politische Maßnahmen zur besseren Vermeidung und Behandlung von HIV-Infektionen erarbeitet werden.

Den Statistiken zufolge leben in Chile 22.000 Menschen mit HIV/Aids. Doch die geschätzte Dunkelzahl ist doppelt wenn nicht dreimal so hoch. "Wir nehmen an, dass auf jeden registrierten HIV-Infizierten zwei bis drei nicht-registrierte kommen." Dann wären 0,3 bis 0,4 Prozent der 16,5 Millionen Einwohner Chiles über 15 Jahren mit dem Virus infiziert.


Aids-Programm leistet Pionierarbeit

Wolff leistet mit seinem Programm Pionierarbeit: "Traditionell wurden vor allem die HIV-Infektionszahlen der Industrieländer sowie der Entwicklungsländer erhoben. Zahlen für Schwellenländer wie Chile lagen praktisch nicht vor", erläutert er.

Doch Chile bemüht sich bereits seit mehr als zehn Jahren um eine bessere medizinische Versorgung von HIV/Aids-Patienten, eine bessere Aufklärung und Vorsorgemaßnahmen. Im Jahr 2001 erließ die Regierung unter Präsident Ricardo Lagos Escobar von der Sozialistischen Partei das Gesetz Nr. 19.779, das HIV/Aids-Infizierten das Recht auf Prävention, Diagnose, Kontrolle und Behandlung zuspricht. Darüber hinaus sichert es ihnen die gleichen Rechte und Freiheiten wie gesunden Menschen zu. Dem Gesetz zufolge dürfen Menschen mit HIV/Aids weder in der Ausbildung, noch im Beruf oder in der Gesundheitsversorgung diskriminiert werden.

Im gleichen Jahr trat das Nationale Programm für den erweiterten Zugang zur antiretroviralen Therapie in Kraft, um allen Patienten eine moderne medizinische Behandlung zu ermöglichen. "Gemeinsam haben wir es geschafft, die Sterberate um mehr als 80 Prozent zu senken", sagt Wolff. Auch die Zahl der Menschen mit längeren Krankenhausaufenthalten ist rückläufig. Viele der Patienten konnten wieder in ihr normales Leben zurückkehren. Chile hält auf dieser Ebene mittlerweile mit Industrieländern mit.


Erste HIV/Aids-Fälle in Chile im Jahr 1984

Die ersten HIV/Aids-Fälle wurden in Chile 1984 entdeckt. Seitdem konnten immer mehr Menschen mit den Infektionen erfasst werden. Laut dem Gesundheitsministerium gab es die meisten Meldungen im Jahr 2011 mit sechs Aidsfällen pro 100.000 Einwohner und 9,6 HIV-Fällen pro 100.000 Einwohner.

Chile liegt damit ungefähr im weltweiten Durchschnitt: Global ist die Zahl der registrierten HIV-Infizierten von 2001 - dem Jahr mit den höchsten HIV-Zahlen weltweit - bis 2011 um 17 Prozent gestiegen. Die Zahl der Neuinfektionen ist allerdings um 20 Prozent gesunken - ein großer Erfolg. Laut einem am 20. November veröffentlichten Bericht von UN-Aids beläuft sich damit die Zahl der weltweit mit der Immunschwäche Infizierten auf 34 Millionen.

Für Martin (Name von der Redaktion geändert) war es anfangs schwierig zu akzeptieren, dass er sich mit dem Virus infiziert hatte. "Aber meine Freunde haben mich unterstützt und mir gezeigt, dass man auch mit der Infektion gut leben kann", erzählt der 36-Jährige. "Ich lebe ganz normal: Ich gehe zur Arbeit und gehe mit Freunden aus." Regelmäßig lässt er sich im Krankenhaus behandeln. "Nicht einmal meine Mutter weiß, dass ich infiziert bin - das würde sie fertig machen."

Das Thema ist weitgehend tabu in Chile und die Diskriminierung von Menschen, die das Virus in sich tragen, ist weiterhin spürbar. Um sich dem nicht auszusetzen, weigern sich viele Menschen, sich überhaupt testen zu lassen. Dazu meint Wolff: "Man muss nicht nur den Virus, sondern auch das Stigma bekämpfen." (Ende/IPS/jt/2012)


Links:

http://www.sidachile.cl/cohorte.php
http://www.minsal.gob.cl/portal/url/item/85381414c60311a9e04001011e015920.pdf
http://www.unaids.org/en/media/unaids/contentassets/documents/epidemiology/2012/gr2012/20121120_UNAIDS_Global_Report_2012_en.pdf
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=101940

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 23. November 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2012