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AUSLAND/1930: Pakistan - Provinzen versagen im Kampf gegen Masern, hunderte Kinder gestorben (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Januar 2013

Pakistan: Provinzen versagen im Kampf gegen Masern - Hunderte Kinder gestorben

von Zofeen Ebrahim


Impfungen in der Provinz Sindh - Bild: © Adil Siddiqi/IPS

Impfungen in der Provinz Sindh
Bild: © Adil Siddiqi/IPS

Karachi, 30. Januar (IPS) - Für den Mediziner Zulfikar Ahmad Bhutta war es keine Überraschung, dass nach einem Masernausbruch in Pakistan mehr als 300 Kinder starben. "Die Tragödie hatte sich bereits angebahnt", sagte der Experte für Kinderheilkunde, der an der Aga-Khan-Universität in Karachi lehrt. Er warf den Behörden vor, die Schutzimpfungen gegen Kinderkrankheiten zu vernachlässigen.

"In Pakistan erreichen die routinemäßigen Impfungen nur etwa 65 Prozent der Bevölkerung. Nur in einigen größeren Städten im Punjab sieht es besser aus", heißt es in einer Erklärung des Leiters der Weltgesundheitsorganisation WHO in Pakistan, Guido Sabatinelli. Die UN-Organisation ist ebenfalls zu dem Schluss gekommen, dass die mangelnde flächendeckende Immunisierung der Grund für den Ausbruch der Masern ist.

2011 erkrankten etwa 4.000 Kinder, von denen 64 starben. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl auf 14.000 Ansteckungs- und 306 Todesfälle. Am schlimmsten betroffen war die Region Sindh, in der 210 Kinder an Masern starben, die Hälfte von ihnen im Dezember.

Seit dem 1. Januar dieses Jahres lässt die pakistanische Regierung in acht Distrikten von Sindh Massenimpfungen bei Kindern zwischen neun Monaten und zehn Jahren durchführen. Wie WHO-Sprecherin Maryam Younas berichtet, wurden bisher 1,3 Millionen Impfdosen für eine Zielgruppe von 2,9 Millionen Menschen bereitgestellt.

Um ein Kind ausreichend zu schützen, sind jeweils zwei Dosen eines seit 1960 verfügbaren kostengünstigen und sicheren Impfstoffes notwendig. Laut der WHO sterben dennoch weltweit weiterhin Kinder an der Krankheit. 2010 wurden global insgesamt 139.000 Maserntote registriert. Dabei hatten Immunisierungen dazu geführt, dass die Zahl zwischen 2000 und 2010 um 74 Prozent gesunken war.

Nach Angaben von Bhutta, der einer unabhängigen Expertengruppe zur Kontrolle der Mütter- und Kindergesundheit angehört, die dem UN-Generalsekretär berichtet, haben es Bangladesch, Nepal und Indien geschafft, die Masern zu besiegen. "Selbst in Afghanistan hat es in letzter Zeit keine größeren Masernausbrüche gegeben", sagte er.


Hohe Kindersterblichkeit

Pakistan gehört zu den zehn Ländern, in denen fast zwei Drittel aller weltweit nicht geimpften Kinder leben. Laut dem Weltkinderhilfswerk UNICEF stirbt in Pakistan jedes zehnte Kind vor dem Erreichen des fünften Lebensjahres, in der Mehrzahl an Krankheiten, die durch Impfungen verhindert werden könnten.

Der Gesundheitsminister von Sindh, Saghir Ahmed, räumte ein, dass es in der gesamten Provinz nur etwa 2.400 Impfärzte gebe. Damit stehe jedem Krankenhaus einschließlich der für die Basisversorgung zuständigen staatlichen Gesundheitszentren und Einrichtungen in ländlichen Gebieten nur jeweils einer dieser Ärzte zur Verfügung.

Die Ärztin D.S. Akram, die für die Hilfsorganisation HELP in mehreren Distrikten von Sindh tätig ist, kritisiert die Verteilung der Impfärzte als unausgewogen. Viele würden von der Politik eingesetzt und erfüllten ihre Aufgaben nicht, sagte sie. Impfungen in Dörfern würden kaum durchgeführt, weil nicht genug Personal im Einsatz sei und es zudem oft an Fahrzeugen oder Benzin mangele.


Unabhängige Überprüfung staatlicher Impfmaßnahmen gefordert

Der jüngste Ausbruch der Masern hat Zweifel an den staatlichen Angaben geweckt, wonach 82 Prozent der unter Fünfjährigen in Sindh bereits gegen Masern geimpft worden sind. "Diese Zahlen sind zu hoch gegriffen, die Immunisierungsrate liegt bei höchstens 50 Prozent", meint Akram, die eine Überprüfung durch unabhängige Dritte forderte. Als 2011 die Impfabdeckung in ganz Pakistan untersucht wurde, stellte sich heraus, dass lediglich 50 bis 55 Prozent der Kinder gegen Tetanus und Masern geschützt waren.

Qadir Baksh Abbasi vom staatlichen Impfprogramm EPI macht die Provinzregierungen für die schlechte Impfbilanz verantwortlich. Seit 2010 werde die Gesundheitsversorgung auf regionaler Ebene organisiert, sagt er. Das Programm in Sindh sei bemerkenswert ineffizient und wenig transparent. Seiner Meinung nach sollte der Frage nachgegangen werden, wo die vielen angelieferten Impfdosen geblieben seien.

Nach Ansicht von Bhutta hat sich die Situation in Sindh vermutlich durch die hohe Unterernährungsrate verschlimmert. Aus einer nationalen Untersuchung der Ernährungslage von 2011 geht hervor, dass mehr als die Hälfte der Kinder unter fünf in ländlichen Gebieten von Sindh teils erheblich in ihrer Entwicklung zurückgeblieben sind und ebenso viele an Vitamin-A-Mangel leiden. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:
http://www.who.int/en/
http://www.unicef.org/pakistan/
http://health.punjab.gov.pk/?q=epi
http://www.ipsnews.net/2013/01/official-failure-kills-hundreds-of-children/

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IPS-Tagesdienst vom 30. Januar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2013