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AUSLAND/1931: D.R. Kongo - Klinikgeiseln, Großteil der Bevölkerung kann Arztkosten nicht zahlen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Februar 2013

D.R. Kongo: Klinikgeiseln - Großteil der Bevölkerung kann Arztkosten nicht zahlen

von Taylor T. Kakala



Goma, D. R. Kongo, 4. Februar (IPS) - In der Demokratischen Republik Kongo (DRC) kommt es vor, dass Krankenhäuser ihre genesenen Patienten solange festhalten, bis sie ihre Rechnungen bezahlt haben. Hintergrund: Die Mehrheit der Bevölkerung ist nicht krankenversichert und zu arm, um die Arztrechnungen zu bezahlen.

Esther Mujinga wurde im vergangenen September nach einem Kaiserschnitt in dem größten Krankenhaus in Goma, der Hauptstadt der kongolesischen Provinz Nord-Kivu, praktisch als Geisel genommen, weil sie die Rechnung in Höhe von umgerechnet 80 US-Dollar nicht zahlen konnte. Die 28-Jährige musste zwei Monate lang in dem Hospital ausharren. So viel Zeit brauchte ihr Mann, um ihre Verbindlichkeit durch gemeinnützige Arbeit abzutragen.

"Unsere Einrichtung steht mangels finanzieller Mittel vor enormen Schwierigkeiten", sagt Fikiri Nzanzu, der Verwaltungsdirektor des Hospitals, der selbst nichts davon wissen will, dass Patienten gegen ihren Willen in der Klinik festgehalten würden. Wie er betont, ist es aber nur recht und billig, dass die Kosten für die Versorgung von Mutter und Kind den Familien in Rechnung gestellt werden.

"Dass das Krankenhauspersonal Neugeborene und ihre Mütter gefangen hält, zeigt das Ausmaß der Missstände, die so gut wie alle Regionen des Landes befallen haben", meint Kelvin Kabunga, ein Rechtsanwalt in Goma.

In der DRC hat die Nationale Versicherungsanstalt SONAS eine Monopolstellung im Bereich der Krankenversicherung. Sie bietet unterschiedliche Leistungen an, die sich die Ärmeren allerdings nicht leisten können. "SONAS legt den Preis danach fest, welche Leistungen gewählt werden", bestätigt die Rechtsberaterin der Versicherung, Anne-Marie Mudekereza.


Kongolesen helfen von Belgien aus

Um das weitgehende Fehlen einer Krankenversicherung für die breite Masse in dem afrikanischen Land auszugleichen, haben in Belgien lebende Kongolesen mehrere Krankenkassen in Kinshasa gegründet. Für einen Beitrag von 30 Euro monatlich trägt die 'Solidarité Belgique-Congo', ein Ableger des Landesverbands der Sozialistischen Krankenkassen (UNMS), die Kosten für Arztbehandlungen und Krankenhausaufenthalte von Kongolesen. Außer dem Versicherten können sich weitere sieben Personen seiner Wahl in den Hospitälern von Kinshasa, mit denen die UNMS Abkommen geschlossen hat, versorgen lassen.

In den übrigen Landesteilen wissen allerdings außer den Mitgliedern kleinerer Krankenkassen, die bestimmten Berufsgruppen vorbehalten sind, die meisten Menschen nicht, wie sie die Arztkosten bestreiten sollen. Manche hinterlassen sogar Pfänder, um das Krankenhaus wieder verlassen zu können.

Mütter mit Neugeborenen erhalten in dieser Situation oftmals Hilfe von ihren Mitmenschen. Nach Aufrufen im Radio melden sich häufig Personen, die sich dazu bereit erklären, für die Kosten aufzukommen. Im Wahlkampf nutzen Politiker solche Gelegenheiten auch dazu aus, in den Medien für sich Werbung zu machen. "Mein Mann, der zwei Wochen lang im Krankenhaus festgehalten wurde, kam 2011 dank eines Wahlkandidaten wieder nach Hause", erinnert sich Bwana Mussa aus Goma.

Angesichts dieser Risiken schauen viele Einwohner der Provinzen Nord-Kivu und Süd-Kivu im Osten des Landes lieber in Richtung Ruanda. In dem Nachbarstaat gibt es seit 1999 ein allgemeines Krankenversicherungssystem. Viele Kongolesen lassen sich über ihre in Ruanda lebenden Geschwister illegal bei deren Versicherung anmelden.

Ende 2011 haben die ruandischen Krankenhäuser aber enorme Beträge eingebüßt, da sie dieses Geld nicht von den Kassen zurückerhielten. Die Regierung beschloss daraufhin, die jährlichen Tarife von zwei Dollar auf bis zu zehn Dollar zu erhöhen. Die Versicherung ist seither zudem ausschließlich Ruandern zugänglich.


Krankenversicherung für alle erhöht Lebenserwartung in Ruanda

"Seit Ende 2011 trägt ein Ruander, der Mitglied der staatlichen Versicherung ist, zehn Prozent der gesamten Behandlungskosten", erklärte Brigitte Umulisa, die im Distrikt Rubavu im Westen des Landes für Gesundheit zuständig ist. Trotz dieser Einschränkung versuchen weiterhin Kongolesen aus den beiden Kivu-Provinzen, in die ruandische Krankenversicherung zu kommen.

Nach Angaben der ruandischen Regierung waren im vergangenen Jahr 96 Prozent der Bevölkerung Mitglieder in den seit 2007 obligatorischen Krankenkassen und bei den Krankenversicherungen. Der erleichterte Zugang zur Gesundheitsversorgung hat dazu geführt, dass die durchschnittliche Lebenserwartung der Ruander zwischen 1999 und 2012 von 48 auf 58 Jahre gestiegen ist. (Ende/IPS/ck/2013)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Februar 2013