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AUSLAND/1980: Indien - Mehr Schutz für Leihmütter gefordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. August 2013

Indien: Mehr Schutz für Leihmütter gefordert - Kinderwünsche reicher Paare gefährden Gesundheit ärmerer Frauen

von Ranjita Biswas



Kalkutta, 6. August (IPS) - Die indische Klatschpresse ist in Aufruhr, seit Filmstar Shah Rukh Khan und seine Frau Gauri angekündigt haben, ihr drittes Kind von einer Leihmutter austragen zu lassen. Gerüchten zufolge soll Gauri Khan, bereits Mutter von zwei Teenagern, jahrelang erfolglos versucht haben, noch einmal schwanger zu werden.

Die Fans des Paares reagierten überrascht, denn in Indien wird über solche Intimitäten sonst nicht öffentlich diskutiert. Allerdings hatte vor zwei Jahren schon Aamir Khan, ebenfalls eine Berühmtheit aus dem Bollywood-Filmgeschäft, enthüllt, dass er und seine Frau auf diesem Weg Eltern geworden sind.

Prominente hätten die Leihmutterschaft zu einer regelrechten Mode werden lassen, meinen indische Ärzte, die auf In-Vitro-Fertilisation (IVF) spezialisiert sind. Viele arme Frauen in kleinen Städten und Slums verdienen ihr Geld damit, fremde Kinder zur Welt zu bringen. Die Kunden sind in der Regel im Ausland lebende Inder oder Paare aus westlichen Staaten, in denen die kommerzielle Leihmutterschaft verboten ist.

Die indischen Leihmütter sind oft Analphabetinnen und daher leicht auszubeuten, auch weil die kommerzielle Leihmutterschaft auf den Subkontinent rechtlich nicht reglementiert ist. Laut dem 2012 vom dem Zentrum für Sozialforschung in Neu-Delhi (CSR) veröffentlichten Bericht 'Surrogacy Motherhood: Ethical or Commercial?' ('Leihmutterschaft: eine ethnische oder kommerzielle Frage?') erhielt etwa die Hälfte der befragten Leihmütter umgerechnet zwischen 4.900 und 6.500 US-Dollar. Etliche erklärten, als Haushaltshilfen in Neu-Delhi und Mumbai monatlich nur etwa 50 Dollar zu verdienen.


Leihmütter tragen die Risiken

"Oft ist das aber noch nicht die ganze Geschichte", warnt CSR-Direktorin Ranjana Kumari. "Die Frau erhält eine kleine Anzahlung, wenn die Befruchtung erfolgt ist. Wenn die Schwangerschaft gesundheitsgefährdend wird, geben die Ärzte Abtreibungspillen aus. Bei einem solchen Abbruch geht die Frau finanziell leer aus."

Die 'Auftragseltern' ('commissioning parents'), wie die Paare in Indien genannt werden, die Leihmütter engagieren, zahlen im Durchschnitt 20.000 Dollar für ein Baby und einen höheren Betrag für Zwillinge. Der größte Teil des Geldes geht an die Kliniken, die auf die sogenannten Assistierten Reproduktionstechnologien' (ART) spezialisiert sind, sowie an Vermittler und Rechtsanwälte. "Die meisten Leihmütter erhalten am Ende nur die Hälfte des ursprünglich ausgehandelten Betrags", sagt Kumari.

Wie aus einer weiteren, im vergangenen Jahr veröffentlichten Studie der Organisation 'Resource for Women and Health' (SAMA) hervorgeht, werden die Leihmütter über die Verfahrensweisen und Tests, denen sie im Zuge der Behandlung unterzogen wurden, im Dunkeln gelassen. Die Frauen unterschrieben meist Verträge auf Englisch, deren Inhalt ihnen mündlich erklärt werde, heißt es in der Untersuchung, die in Neu-Delhi und im Bundesstaat Punjab durchgeführt wurde.

ART-Kliniken schießen unterdessen im ganzen Land wie Pilze aus dem Boden. Laut CSR wird in diesem Bereich ein jährlicher Umsatz von mehr als 500 Millionen Dollar erzielt. Als wesentliche Beweggründe für die 'Vermietung' des eigenen Körpers führt SAMA Arbeitslosigkeit oder schlecht bezahlte Beschäftigungen an. Die Frauen sähen sich in der Verantwortung, ihre Männer bei der Abzahlung von Schulden oder dem Kauf eines Hauses zu unterstützen.

"Wir sind nicht gegen die Leihmutterschaft an sich, sondern gegen ihre ausufernde Kommerzialisierung, bei der diese Frauen das Nachsehen haben", sagt Kumari. Entgegen ärztlicher Warnungen unterzögen sich Mütter, die bereits zwei oder drei Kinder zur Welt gebracht hätten, mehr In-Vitro-Fertilisationen, als sie gesundheitlich verkraften könnten. "Sind Sie denn einfach nur Produktionsmaschinen?", fragt die Sozialforscherin.

Aktivisten und Gesundheitsexperten fordern feste Regeln, an die sich die ART-Kliniken halten sollen. Der erste Entwurf eines aktualisierten Gesetzes wurde bereits 2008 vorgelegt, wie R.S. Sharma, der Vizedirektor des Indischen Rats für medizinische Forschung (ICMR), erklärt. Über ein geplantes Gesetz zu den Assistierten Reproduktionstechnologien wird derzeit im Gesundheitsministerium beraten.


Nur zwei künstliche Befruchtungen im Abstand von zwei Jahren

Um die Gesundheit der Mütter zu schützen und Geschäftemachern einen Riegel vorzuschieben, sieht eine Richtlinie vor, dass "die Leihmutter zwischen 21 und 35 Jahren alt sein und bereits ein Kind haben soll". Im Abstand von mindestens zwei Jahren sind demnach nur zwei Geburten nach IVF zulässig.

Bevor der Entwurf zu den ART dem Kabinett vorgelegt wird, muss er erst von mehreren Ministerien gebilligt werden. Laut Sharma schreibt dieses Gesetz Kontrollen bei der Zulassung von IVF-Kliniken vor. ICMR bereitet zudem ein nationales Register dieser Kliniken vor. Sharma hat einen staatlichen Ausschuss vorgeschlagen, der die Aktivitäten dieser Häuser besser als bisher überwachen soll. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://csrindia.org/blog/2013/07/18/surrogacy-ethical-or-commercial/
http://www.samawomenshealth.org/
http://www.icmr.nic.in/
http://www.ipsnews.net/2013/08/india-moves-to-protect-the-rented-womb/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 6. August 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. August 2013